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Drei Stunden waren sie unterwegs. Im Licht der Tunnelbeleuchtung sah Kyle weniger furchterregend aus als im Halbdunkel des Depots. Wenn man nicht genau hinsah, wirkte er wie ein Mensch, dessen Haut stellenweise von schwarzem, glänzendem Schmieröl bedeckt war. Inzwischen hatte sich auch sein gesundes Auge etwas verfärbt, und sein Blick wirkte nun, obwohl eindeutig nicht menschlich, weniger fremdartig.

Plötzlich blieb der Jared stehen. »Ich höre etwas«, sagte er. Er schloß die Augen und legte die Hand gegen die stählerne Wandverkleidung des Tunnels.

Hartmann lauschte angestrengt, aber er nahm nichts anderes wahr als seinen eigenen Herzschlag. Er tastete nervös nach einer Granate. In diesen Tunneln wäre die Explosion für ihn und seinen Begleiter nicht weniger verheerend als für ihre Gegner. Er hätte sich mit einer kleinen Schußwaffe sehr viel sicherer gefühlt. »Ich höre nichts«, sagte er.

»Diese Richtung«, antwortete Kyle und setzte sich in Bewegung. Hartmann folgte ihm. Anscheinend war sich der Jared völlig sicher, daß sie keinen Hinterhalt fürchten mußten, denn er achtete nicht im geringsten auf Möglichkeiten zur Deckung, sondern marschierte einfach weiter. Nach hundert Metern knickte der Tunnel ab, und Kyle wurde langsamer. Hartmann hatte ihn wenig später eingeholt. Inzwischen konnte er die Triebwerke hören.

»Wonach suchen wir eigentlich?« fragte er und senkte dabei unwillkürlich die Stimme. Die Echos in diesen Tunneln waren recht laut.

»Irgendwo da vorne wird gearbeitet«, sagte Kyle. »Schwere Maschinen und Gleiter-Triebwerke. Ich vermute, wir sind wieder in der Nähe der Transmitterhalle.«

»Großartig«, sagte Hartmann ohne rechte Begeisterung. »Und nun?«

»Sie wollten doch ein Funkgerät«, meinte Kyle trocken.

»Natürlich.«

Der Jared deutete auf die halb offene Durchgangstür in die dunkle Halle. »Die Moroni haben Funkgeräte. Ich kann damit umgehen. Wir müssen sie uns nur holen.«

Hartmann nickte. »Hört sich so an, als würden Sie den Weg kennen«, versetzte er und deutete mit der Hand den Tunnel hinab. »Nach Ihnen.«

Kyle verzichtete auf einen Kommentar. Sie eilten geduckt die letzten zwanzig Meter bis zur Tür. Dahinter erstreckte sich ein hoher Hangar, der zum größten Teil unbeleuchtet war. Etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt standen in fünf Reihen zu je vier Maschinen diskusförmige Moroni-Gleiter. Etwa dreißig Ameisen waren damit beschäftigt, die erste Reihe Gleiter zu bemannen. Die Positionslichter blinkten, und die Triebwerke wirbelten Staub über den Hallenboden.

»Was haben die vor?« fragte Hartmann.

Kyle hatte keine Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. »Keine Ahnung«, sagte er. »Vielleicht wollen sie eine Patrouille an die Oberfläche schicken, oder sie werden die größeren Tunnel abfliegen.«

»Ob sie entdeckt haben, daß wir geflohen sind?«

Kyle schüttelte den Kopf. »Dazu sind sie zu sorglos. Falls der Shait erfährt, daß ich entwischt bin, dann wird es hier von bewaffneten Kriegern nur so wimmeln. Er hatte angenommen, daß ich im Sterben liege.«

»Diese Verwandlung hat er genausowenig erwartet wie Sie«, vermutete Hartmann.

Kyle nickte stumm.

»Das paßt alles zu gut zusammen«, sagte der Offizier mißmutig. »Manchmal habe ich das Gefühl, daß außer Moroni, Jared und uns noch jemand an diesem verdammten Spiel beteiligt ist.«

Der Jared fixierte ihn eine Weile. Hartmann spürte, wie er unwillkürlich errötete, und ärgerte sich über sich selbst.

»Diese Partie wird von mehr als zwei Parteien gespielt«, sagte Kyle plötzlich schleppend. »Und wir haben leider nur eine Handvoll Bauern auf dem Brett.«

»Klingt so, als wüßten Sie mehr darüber als ich«, versetzte Hartmann scherzhaft.

Erstaunlicherweise verzichtete Kyle zunächst auf eine Antwort, doch dann nickte er plötzlich und schwankte.

»Was ist los mit Ihnen?« fragte Hartmann besorgt und faßte mit der Hand nach der Schulter des Megamannes. Beinahe hätte er wieder losgelassen, als er kaltes, hartes Chitin unter der dünnen Haut spürte, wie scharfkantige Knochen, die sich gegeneinander verschoben.

Kyle riß sich los, und ein kalter Blick streifte Hartmann. Dann zwang sich der Megamann zu einem unsicheren Lächeln, und die maskenhafte Starre war aus seinen Zügen wieder verschwunden.

»Ich weiß es nicht«, antwortete er mit deutlichen Anzeichen von Verwirrung. »Es scheint, als hätte ich nicht nur eine neue Haut bekommen, sondern auch ein paar neue Erinnerungen.«

Bevor Hartmann weitere Fragen stellen konnte, schnellte Kyle aus der Deckung heraus und rannte lautlos zu einem der Gleiter in der letzten Reihe hinüber. Hartmann sah zu den Moroni hinüber, die nichts bemerkt hatten, und folgte ihm dann.

»Verschlossen«, meinte Kyle, als er neben ihm vor der Einstiegsluke stand.

»Nun, das war nicht anders zu erwarten«, antwortete Hartmann. »Und jetzt?«

Kyle packte die Verriegelung mit der rechten Hand und zog. Einen Moment lang hielt der Verschluß stand, und der Jared wirkte wie ein Standbild aus Granit, dann knirschte es plötzlich, und der Riegel verbog sich. Ein fingerbreiter Spalt war zu sehen. Kyle faßte mit beiden Händen hinein und spannte sich. Die Türplatte, immerhin einen halben Zentimeter dick, zerriß wie eine Konservendose aus Blech, und der Türrahmen gab nach.

Hartmann musterte Kyle mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Mißtrauen. »Ist das ein neues Kunststück, oder haben Sie das früher schon gekonnt?« fragte er.

Der Jared verzichtete auf eine Antwort. Er schob die verbeulte Türplatte beiseite und verschwand im Gleiter. Ein wenig Blut klebte am Metall, dort, wo er die gesunde linke Hand zu Hilfe genommen hatte.

Sie brauchten nicht lange, um den Kampfgleiter zu durchsuchen. Es war ein Standardmodell, wie Kyle es lange Zeit selbst geflogen hatte, als er noch in Moroni-Diensten gestanden hatte. Sie erbeuteten einen Moroni-Handsender und ein paar Rationen Trockennahrung, aber keine Waffen.

»Und jetzt?« fragte Hartmann schließlich.

»Machen Sie einen Vorschlag«, sagte Kyle. In der Dunkelheit des Cockpits klang seine Stimme verhalten.

»Wenn Net noch am Leben ist, dann wird sie vermutlich versuchen, zur Oberfläche zu gelangen«, meinte Hartmann nachdenklich. »Ihr haben diese Tunnel nie besonders gefallen.« Er spähte aus dem Cockpit zu den Moroni hinüber. Am anderen Ende der Halle lag ein großes Durchgangstor.

»Der Sternentransmitter ist irgendwo dort drüben, hinter dem Tor«, bestätigte Kyle seine Vermutungen.

»Dann ist Net hier irgendwo in der Nähe, vermutlich über uns.« Hartmann schnallte sich den Handsender auf den Rücken, der immerhin einiges Gewicht hatte. »Da drüben sind Treppen und Aufzüge.«

»Warten Sie«, sagte Kyle.

Hartmann blieb unwillig stehen.

»Wir haben kaum eine Chance, wenn wir blind herumsuchen«, erklärte der Jared. »Wo immer sie jetzt ist, früher oder später wird sie zum Sternentransmitter zurückkommen.«

»Warum?«

»Weil sie weiß, daß ich dorthin zurückgehen werde«, erwiderte Kyle einfach. »Es ist der logische Treffpunkt und der Ausgangspunkt für jede vernünftige Suche.«

Hartmann starrte zu der Treppe hinüber.

»Außerdem«, fügte Kyle hinzu, »haben wir dort noch etwas zu erledigen.«

Er ging um Hartmann herum. »Sie haben Ihr Funkgerät. Benutzen Sie es.«

»Hier?« Hartmann schüttelte den Kopf. »Durch den Fels und die Panzerung kann sie uns unmöglich empfangen, wenn sie auf einer anderen Ebene ist. Und unsere Freunde da drüben haben große Ohren.«

Kyle nickte. »Also werden wir uns in die große Felsenhalle begeben und uns dort verstecken, und Sie schalten das Gerät auf Empfang und warten.«

Hartmann atmete tief ein. »Einverstanden«, sagte er nach einem letzten Blick zur Treppe hinüber.