Auch in meiner alten Heimat schaute ich kurz vorbei und konnte feststellen, dass sie weder besser noch schlechter als die übrigen Welten war.
Auf keinen dieser Besuche legte ich gesteigerten Wert. Ich fühlte mich nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Windhauch, der mühelos weite Entfernungen zurücklegt.
Dann hatte ich es satt, im Traum einsam von Abenteuer zu Abenteuer zu ziehen, und wollte nach Echo zurück. Kaum hatte ich festgestellt, dass ich mich in der Tür zwischen den Welten mühelos zurechtfand, erwachte ich.
Einige Zeit lag ich da, ohne die Augen zu öffnen. Als ich schließlich die Lider aufschlug, musste ich mich erst ans Tageslicht gewöhnen. Ich sah mich um. Das war nicht das Schlafzimmer von Sir Juffin Halli, in dem ich am Vorabend eingeschlafen war, sondern ein kleines Zimmer, das mir durchaus bekannt vorkam. Jetzt wusste ich, wo ich mich befand: im Schlafzimmer meiner ersten Wohnung in Echo, die in der Straße der alten Münzen gelegen hatte. Was sollte ich bloß machen, falls plötzlich mein Nachmieter auftauchte?
Ich hörte ein leises Kichern, drehte mich erschrocken um und erblickte Sir Maba Kaloch.
»Es ist unfassbar, wie stark du dich diesem Zimmer verbunden fühlst«, sagte er belustigt. »Kannst du mir sagen, was dich so anzieht?«
»Keine Ahnung, Sir Maba. Ich fürchte, ich bin ein wenig verrückt.«
»Halb so schlimm. Du bist sehr interessant - nur ein wenig exzentrisch. Gut, wie ich sehe, kann ich jetzt gehen. Du wirkst nicht wie jemand, der Hilfe braucht. Gleich kommt Sir Juffin und bringt dir was zum Anziehen. Du hast hier nichts mehr, oder?«
»Nein, und ein Lochimantel ist das Mindeste, was ich brauche. Vielen Dank, Sir Maba. Darf ich mich als völlig geheilt betrachten?«
»Durchaus. Aber jetzt lass mich verschwinden. Dreh dich dafür bitte kurz um.«
Im Nu hatte Sir Maba sich in Luft aufgelöst. Dafür hörte ich Juffins Schritte. Mein Chef nahm den gewöhnlichsten aller Wege - den durch die Tür.
»Na, mein Weltenbummler, wie fühlst du dich?«, fragte er amüsiert. »Hat dir die Reise gefallen?«
»Ich glaube, ja, kann es aber nicht genau sagen. Warum bin ich eigentlich hier gelandet? Ich bin doch bei Ihnen zu Hause eingeschlafen.«
»Das hast du dir so gewünscht. Sonst wärst du nicht hier«, meinte Juffin und breitete ratlos die Arme aus. »Maba Kaloch und ich haben sehr gestaunt, aber du hast offenbar ein Faible für solche kleinen Zimmer. Deine Tür zwischen den Welten jedenfalls befindet sich ausgerechnet hier. Also wirst du bei deinen Reisen immer hier starten und landen. Und jetzt zieh dich an«, sagte er und warf mir eine schwarze Skaba zu. Ich war erleichtert, weil ich mich nackt seltsam ehrlos fühlte.
»Und jetzt ab ins Bad. Wir haben heute noch viel vor -zum Beispiel ein Frühstück.«
Ich brachte die Morgentoilette schnell hinter mich, und ebenso rasch ordneten sich meine Gedanken. Dann kam ich ins Wohnzimmer, wo Juffin ungeduldig auf und ab ging.
»Eins möchte ich noch wissen: Lande ich wirklich nach jeder Reise durch die Tür zwischen den Welten wieder in diesem Zimmer? Was wird denn dann aus dem Schlafzimmer in meiner neuen Wohnung?«
»Wie gesagt, dieser Raum dient dir nur dazu, alle möglichen Welten zu erreichen. Du warst so hartnäckig, dass wir nicht anders konnten - wir mussten dir dieses Zimmer einfach überlassen. Und jetzt zieh endlich deinen Lochimantel an, und lass uns ins Fressfass gehen. Alle warten schon auf dich.«
»Wie lange habe ich geschlafen? Vierundzwanzig Stunden?«
»Etwas mehr. Über ein Jahr, um ehrlich zu sein.«
»Was?«
»Du hast richtig gehört. Warum wundert dich das so?«
»Na ja, soll das jetzt öfter Vorkommen?«
»Schwer zu sagen, aber je mehr Erfahrungen man mit dem Reisen zwischen den Welten hat, desto schneller geht es.«
»Und was haben Sie den anderen Mitarbeitern des Kleinen Geheimen Suchtrupps gesagt? Hat überhaupt jemand nach mir gefragt?«
Ich war beleidigt - es war so wie in der Kindheit, wenn man zum Mittagessen gerufen wird und hinterher feststellt, dass alle vergnügt und ungerührt weitergespielt haben.
»Ich hab allen erzählt, dass du in den Orden des Siebenzackigen Blatts eingetreten bist und dort eine geheime Mission zu erfüllen hattest. Außerdem hab ich dir dein Gehalt jeden Monat in die Schublade gesteckt, und jetzt bist du ein reicher Mann. Zufrieden?«
Das Fressfass war leer. Nur unser Lieblingsplatz zwischen Bar und Fenster war von Mitarbeitern des Kleinen Geheimen Suchtrupps umlagert. Viele warfen sich mir nacheinander um den Hals. Lady Melamori machte den Anfang. Als Nächster war Melifaro dran und nutzte die seltene Gelegenheit, uns beide auf einmal zu umarmen. Lukfi Penz verschüttete vor lauter Freude ein wenig Kamra, und Sir Kofa Joch grüßte mich von seiner Tischecke her. Nur Lonely-Lokley beobachtete den ganzen Trubel distanziert, und das war auch besser so. Diesen wunderbaren Kerl wollte ich gesondert begrüßen.
Ich setzte mich an den Tisch und musterte die Kollegen. In einem Jahr konnte sich manches geändert haben. Melifaro zum Beispiel hatte sich eine kleine Narbe an der Braue zugezogen.
«Hauptsache, man bekommt rechtzeitig eins auf die Zwölf«, kommentierte er den Vorfall, wollte aber nicht erzählen, was geschehen war. »Sieh dir lieber an, was Lockey-Lonely angerichtet hat. Das ist vielleicht ein Held!«
»Melifaro, merk dir endlich meinen Namen«, raunzte Sir Schürf und wandte sich dann an mich. »Sieh mal, Max«, sagte er und zog seinen Handschuh aus.
Mitten in der Handfläche saß ein strahlend blaues Auge.
»Wem hat das gehört?«, fragte ich erstaunt.
»Einem Jungen, den du nicht kennst. Diese Geschichte ist ohne dich passiert. Aber es sieht hübsch aus, stimmt's?«
»Verfügt dieses Auge über spezielle Zauberkräfte?«
Alle am Tisch brachen in Gelächter aus. Nur Sir Schürf blieb wie immer unerschütterlich.
»Es kann dir zuzwinkern, Max. Das war's«, brachte Melifaro lachend hervor.
»Ich dachte, es würde dir gefallen«, sagte Lonely-Lokley. »Wenn ich nun meine berühmte Linke zum Einsatz bringe, kann sie dem Opfer noch kurz zuzwinkern.«
Nach dem lustigsten Frühstück meines Lebens konnte ich mich endlich ins A-Mobil setzen und nach Hause fahren. Ich wollte unbedingt meine Katzen sehen. Ein Jahr lang hatte ich sie nicht zu Gesicht bekommen.
»Max, komm bei Sonnenuntergang wieder ins Haus an der Brücke«, meinte mein Chef. »Es gibt viel für dich zu tun.« Seine Worte gefielen mir sehr.
Als ich mein Haus betrat, stockte mir vor Aufregung beinahe das Herz. Das Wohnzimmer war eine wahre Idylle: Es herrschte ein unbeschreibliches Chaos, und mittendrin saß Ande Pu. Ella lag eingerollt zu seinen Füßen und schnurrte, und auf seinem Schoß räkelte sich Armstrong. Ich schüttelte den Kopf und wusste nicht recht, ob ich mich bei Ande bedanken oder ihn beschimpfen sollte.
»Guten Tag, Max«, sagte dieser perfekte Tierpfleger. »Ich weiß, dass ich ohne Ihre Erlaubnis eigentlich nicht hätte bleiben dürfen, aber meine Nachbarn haben vier Kinder, die die ganze Zeit ein Mordsspektakel machen, und ich muss unbedingt etwas schreiben. Außerdem haben sich Ihre Katzen nach mir gesehnt.«
Ich setzte mich auf den Boden und lachte laut. So was hätte jeden anderen verrückt machen können, aber was soll's!
Das Schiff aus Arwaroch und andere Unannehmlichkeiten
Max, das Schicksal aller Polizisten von Echo liegt in deiner Hand.«
Melifaro lächelte breit und setzte sich lässig auf meinen Schreibtisch. Dabei fielen sich selbst beschriftende Tafeln auf den Boden, und meine leere Tasse landete auf meinem Schoß, was ihn nicht mal mit der Wimper zucken ließ. Er beugte sich zu mir rüber und machte eine dramatische Geste. Allem Anschein nach brauchte er dringend Aufmerksamkeit.
»Seit Bubuta keine Zigarren mehr von dir hat, hat sich sein Zustand verschlechtert.«
»Unmöglich«, antwortete ich ruhig. »Bubutas Zustand kann sich gar nicht mehr verschlechtern - auch die Natur hat ihre Grenzen. Seine Mitarbeiter haben bloß vergessen, wie ihr Chef war, bevor er sich an der Pastete -König von Bandscha« überfraß. Der General ist einfach wieder gesund - das ist die einzig plausible Erklärung für seinen erschreckenden Zustand.«