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»Ach ja, das Zimmer. Es lohnt sich wirklich, dort zu übernachten. Der Orden des Geheimen Krauts dürfte eine sehr interessante Organisation gewesen sein. Ich wäre dort gern eingetreten, bezweifle aber, dass sie mich genommen hätten. Vielen Dank für Ihre Fürsorge, Juffin.«

»Nichts zu danken. Ich habe dem Ausflug vor allem aus Eigeninteresse zugestimmt. Dich hätte man damals gewiss in den Orden aufgenommen. Die Mitglieder wären von deinem Lebenslauf begeistert gewesen - von deinem echten Lebenslauf, meine ich. Doch jetzt ab zu deinen Landsleuten. Und wenn du zurückkommst, erzählst du mir alles. Ich bin schon sehr gespannt.«

»Gut«, sagte ich und stand auf. »Ich heiße jetzt also Fangachra aus Fangachra. Was für ein schrecklicher Name!«

»Ich fürchte, dort gibt es noch viel schlimmere Namen!«, rief Juffin mir nach.

Ich ging ins Empfangszimmer.

Ich bin ein seltsamer Mensch! Bis zur letzten Sekunde vor dem Treffen hatte ich keinen Zweifel daran, dass die Bewohner der Leeren Länder den muskelbepackten Soldaten der Armee von Dschingis Khan ähneln würden und pelzbesetzte Mützen und einen Gürtel mit Köcher trügen. So hatte ich mir Nomaden seit eh und je vorgestellt.

Aber schon beim ersten Anblick unserer Besucher war mir klar, dass es sich bei diesen Leuten ebenso gut um Bewohner der Hauptstadt hätte handeln können. Sie hatten die gleichen, völlig durchschnittlichen Gesichter und wirkten teils sympathisch, teils unsympathisch.

Ihre Montur allerdings war ziemlich seltsam. Sie trugen Kopftücher, wie es in meiner eigentlichen Heimat die alten Frauen tun, und breite Hosen, die direkt unterm Knie endeten. Außerdem hatten sie gewaltige Reisetaschen dabei.

Das sieht ja gar nicht schlecht aus, dachte ich amüsiert. Vermutlich soll ich in meiner Jugend auch so was getragen haben. Daher kommt vielleicht meine zweifelhafte Reputation.

Erstaunt schüttelte ich den Kopf und bemerkte noch etwas: Es war überraschend still im Zimmer. Die Ankömmlinge schwiegen nicht nur, sondern verbreiteten eine geradezu beklemmende Lautlosigkeit. Zugleich sahen sie mich aufmerksam an.

Na so was, dachte ich. Sie fallen nicht mal vor mir auf die Knie. Aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht.

Schließlich trat einer der Besucher vor. Er hatte graues Haar und war offenbar der Älteste.

»Wenn du einer von uns bist, musst du Dschimach helfen«, erklärte er frohgemut. »Das gebieten unsere Gesetze. Und was haben wir schon außer diesen Gesetzen?«

»Nichts. Ich werde Dschimach helfen, und es wird nicht lange dauern, bis er wieder zu euch kommt. Das verspreche ich euch. Und ich werde mich darum kümmern, dass er eine angemessene Entschädigung bekommt.«

Dann schwieg ich erleichtert. Mein Auftritt war beendet, und ich konnte wieder gehen.

»Sag uns bitte noch deinen Namen«, verlangte der Alte.

»Wir müssen unbedingt wissen, wer sich so fern der Heimat noch an unsere Gesetze hält.«

»In Echo nennt man mich Max, aber ursprünglich heiße ich Fangachra aus Fangachra. Und jetzt entschuldigt mich bitte. Ich muss los ... Was macht ihr denn da, Herrschaften? Steht bitte wieder auf!«

Die Besucher hatten sich plötzlich zu Boden geworfen und knieten rings um mich.

»Fangachra! Ihr seid zu Euren Leuten zurückgekehrt!«, rief der Alte, und seine Augen glänzten vor Begeisterung. »Wir stammen aus Eurer Gegend und begrüßen Euch herzlich!«

»Das ist doch ganz egal. Steht endlich auf«, brummte ich ungehalten. »Dass ich zu euch zurückgekehrt bin, ist nur Zufall.«

Unversehens fiel mir die Geschichte von Fangachra wieder ein. Das war doch der legendäre minderjährige König, den seine zerstreuten Untertanen in der Steppe verloren hatten. Danach verfluchten sie sich, aber da war es natürlich zu spät. Das war meine Lieblingsgeschichte aus dem dritten Band der Enzyklopädie der Welt von Sir Manga Melifaro. Warum hatte ich mich ausgerechnet an diesen Namen erinnert? Ich war jetzt ein selbsternannter König. Das hatte mir gerade noch gefehlt.

»Ihr steht jetzt auf, geht auf die Straße und beschäftigt euch mit euren Angelegenheiten, und ich kümmere mich um meine Sachen. In einigen Tagen bekommt ihr euren kostbaren Dschimach unversehrt zurück. Das war's. Auf Wiedersehen, Leute.«

Schwungvoll öffnete ich ihnen die Tür nach draußen und war aufs Neue baff: Vor dem Haus stand eine Herde von Tieren, die den Elchen meiner Heimat ähnlich sahen. Ihre Hörner allerdings waren mit Anhängseln versehen, vor allem mit Glöckchen.

»Seid mir bitte nicht böse«, sagte ich zu meinen Besuchern. »Ich will euch nicht beleidigen, aber ich bin wirklich beschäftigt. Also steht endlich wieder auf. Hier in Echo fällt man vor niemandem auf die Knie. Ihr seid ein kleiner, aber stolzer Stamm und habt so was gar nicht nötig!«

»Euer Wort ist uns Gesetz«, erklärte der grauhaarige Alte und erhob sich. »Dank Euch haben wir wieder Hoffnung.«

»Hoffnungen sind trügerisch«, sagte ich und wiederholte damit den Leitspruch von Sir Machi Ainti.

Kaum hatte ich diese Bemerkung gemacht, bedauerte ich mein altkluges Geschwätz, doch es war zu spät.

»Alles wird gut, auf Wiedersehen!«, setzte ich eilig hinzu und wies zur Tür.

Die Besucher verließen schweigend das Gebäude, schwangen sich auf ihre seltsamen Tiere und verschwanden. Kopfschüttelnd ging ich zu Juffin.

»Jetzt bin ich auch noch König«, rief ich schon auf der Schwelle. »Aber daran bin ich selber schuld. Ich habe mich an den blödesten Namen erinnert.«

Ich erzählte Juffin kurz die Geschichte meiner unfreiwilligen Thronbesteigung.

»Wenn's weiter nichts ist«, meinte mein Chef tröstend. »Es passiert nicht jedem, für einen König gehalten zu werden.«

»Ich hoffe, Sie schicken mich nicht nach Fangachra, damit ich unsere Besucher regieren kann.«

»Aber nicht doch, Max! Für wen hältst du mich? Und solltest du aus eigenem Antrieb dorthin gehen, würde ich dich verfolgen und gefangen nehmen lassen und dafür sorgen, dass du eine Woche im Cholomi-Gefängnis bei Wasser und Brot darben musst. Na gut, Hoheit, zieht jetzt bitte Euren Todesmantel an und fahrt zu Sir Manga. Er ist schließlich der Verursacher Eures Unglücks. An ihm solltet Ihr Rache nehmen.«

»Ich werde alles vernichten, was auf den Tisch kommt«, versprach ich. »Er wird noch lange bereuen, mich eingeladen zu haben.«

»Prima«, seufzte Juffin. »Bleib aber bitte nicht länger als zwei Tage. Melifaro hat etwas von drei Tagen gemurmelt, aber das hab ich nicht ernst genommen.«

»Ich bin absolut Ihrer Meinung! Wer kann sich schon länger als zwei Tage erholen?«

Mit diesen heiteren Bemerkungen verabschiedeten wir uns voneinander.

Auf dem Korridor stieß ich auf Lady Melamori. Sie lächelte mich traurig und zugleich fröhlich an. Ich versuchte, meinem Gesicht den gleichen Ausdruck zu verleihen.

»Fährst du weg?«, fragte sie.

»Höchstens für zwei Tage. Im Vergleich zur Ewigkeit ist das ein Klacks.«

»Du hast noch nicht gesehen, wie toll ich inzwischen A-Mobil fahre. Ich bin vielleicht noch nicht so gut wie du, aber ich habe Chancen, unsere Wette zu gewinnen. Irgendwann werde ich dich überholen. Das schwöre ich dir bei allen Magistern.«

»Daran hab ich keinen Zweifel. Chauffierst du mich irgendwann mal?«

»Aber gern!«, rief Melamori und nickte enthusiastisch. »Toll, dass du wieder da bist, Max.«

»Hast du an meiner Rückkehr gezweifelt?«

»Eigentlich ja. Fast die ganze Zeit sogar. Aber Sir Juffin hat mir ständig versichert, du würdest zurückkommen. Manchmal allerdings hatte ich den Eindruck, dass er selber nicht daran glaubte. Doch wie auch immer: Du bist wieder da.«

»Anders konnte es nicht sein. Ich hab dir doch gesagt, dass du mich nicht so schnell loswirst. Erinnerst du dich noch daran?«

»Natürlich. Und ich hab dir damals gesagt, dass ich nicht vorhabe, dich schnell loszuwerden. Aber ein Jahr ist eine lange Zeit, und wer so lange verschwindet, kann nicht erwarten, dass die Leute mit einer Rückkehr rechnen.«