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»Genau«, rief ich. »Ein ausgezeichneter Rat, Melifaro. Du bist so klug, dass ich neidisch werde. Aber jetzt lass uns fahren - sonst bekomm ich wirklich noch eine Krise, und das würden die armen Handwerker nicht überleben.«

Ich sprang auf die Straße und setzte mich ans Steuer des A-Mobils, um den Aufenthalt auf der Jahrhundertbaustelle so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Melifaro dagegen hatte das Gespräch mit den Handwerkern spürbar gutgetan.

Ich muss mich demnächst unbedingt mal von Lady Melamori kutschieren lassen, dachte ich. Was das Führen von A-Mobilen angeht, hat sie bestimmt gewaltige Fortschritte gemacht.

»Du fährst ja noch schneller als sonst«, meinte Melifaro und zitterte wie Espenlaub. »Jetzt weiß ich, womit du dich während deiner einjährigen Abwesenheit beschäftigt hast: Du warst bestimmt der Chauffeur von Magister Nuflin, und wir wissen ja, dass der Arme an Reizüberflutung gestorben ist.«

»Ja«, sagte ich nickend. »Und darunter hat meine Karriere sehr gelitten. Inzwischen hab ich mich aber entschieden, König zu sein.«

Melifaro erging sich in Spekulationen über meine hoheitliche Zukunft, denen ich nicht sehr aufmerksam lauschte. Mich überkam ein seltsames Gefühl, eine merkwürdige Vorahnung von etwas Unausweichlichem, aber noch Unbestimmtem. Dieses Warten auf etwas schwer zu Definierendes ist eigentlich ein sehr angenehmer Zustand.

»Wo fahren wir eigentlich hin?«, fragte Melifaro plötzlich.

»Zu deiner Familie, dachte ich. Oder hast du es dir anders überlegt?«

»Nein, nein, aber wir hätten längst abbiegen müssen.«

»Konntest du das nicht früher sagen?«, rief ich und machte kehrt.

»Ich wollte abwarten, bis auch du merkst, dass wir falsch gefahren sind. Weißt du, mein neugieriges Gehirn will stets das Unbegreifliche durchschauen, dich zum Beispiel. Aber dann hab ich begriffen, dass wir bis nach Landland kommen würden, ehe du merkst, dass du dich verfahren hast. Und ich habe einfach keine Lust, den ganzen Kurzurlaub lang über staubige Landstraßen zu irren.«

Ich dachte an mein hektisches Wendemanöver und musste kichern. Meine seltsame Vorahnung verschwand, und ich fühlte mich wie neugeboren. Oder stimmte wieder was nicht mit mir?

»Du bist heute irgendwie seltsam«, meinte Melifaro und musterte mich skeptisch. »Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen, oder ist dein Todesmantel zu eng?«

»Deine fürsorgliche Miene steht dir nicht«, sagte ich. »Mir geht es bestens. Ich bin nur etwas müde, denn ich hatte unglaublich viel zu tun. Als ich heute ins Haus an der Brücke zurückkehrte, hatte ich den Eindruck, dass ihr die ganze Zeit nur damit beschäftigt gewesen seid, für jeden Tag meiner Abwesenheit eine Kerbe zu machen. Aber das ist nicht so schlimm. Ich übernachte im Zimmer deines Großvaters, und danach geht es mir sicher wieder besser.«

»Das hilft dir bestimmt«, sagte Melifaro. »Aber sei mal ehrlich: Geht dir deine dauernde Geheimnistuerei nicht selber auf die Nerven, Sir Nachtantlitz?«

»Ein bisschen«, bestätigte ich nickend.

Mein Bekenntnis gefiel Melifaro offenbar so gut, dass er es fertigbrachte, ein paar Minuten lang zu schweigen. Dann aber kamen wir bei ihm zu Hause an, und gleich sprudelte er wieder los, um seinen Vater zu begrüßen.

Sir Manga Melifaro erwartete uns vor der Haustür. Seit unserer letzten Begegnung hatte er sich kein bisschen geändert. Allenfalls sein dicker roter Zopf mochte ein wenig länger geworden sein. Erstaunlich, wie gut diese ungewöhnliche Frisur dem Verfasser der Enzyklopädie stand.

»Dein Bruder ist total verrückt geworden«, sagte er zu seinem Sohn und wandte sich dann an mich. »Guten Abend, Sir Max. Ich wage meinen Augen kaum zu trauen, dass Sie es geschafft haben, ein zweites Mal zu uns zu kommen.«

»Ich habe diesen Menschen drei Tage lange bekniet, unsere bescheidene Hütte zu besuchen«, mischte sich Melifaro ein. »Und das nur deinetwegen, Vater. Ich habe also etwas bei dir gut. Welcher meiner großartigen Brüder soll überhaupt verrückt geworden sein?«

»Dreimal darfst du raten«, meinte Sir Manga und schloss die Augen mit der Miene eines Märtyrers.

»Antschifa dürfte die größten Chancen haben. Schließlich ist er sehr begabt und führt ein ausgesprochen aufreibendes Leben, hab ich Recht?«

»Volltreffer!«, rief das Oberhaupt der seltsamen Familie. »Eigentlich wollte ich mich schon per Stummer Rede gemeldet haben, doch es kam immer was dazwischen, und dann sah ich dieses fliegende A-Mobil vor dem Haus halten und begriff, dass es zu spät war, mich mit dir in Verbindung zu setzen.«

»Fliegend?«, fragte ich. »Sir Manga, ich bitte Sie!«

»Mit Verlaub, Sir Max - ich bin sicher, dass die Räder Ihres Wagens den Erdboden nicht berührt haben. Mein Kompliment basiert mithin auf exakter Naturbeobachtung.«

»Was hat mein Brüderchen denn ausgefressen?«, unterbrach uns Melifaro.

»Stell dir vor: Er hat einen Gast mitgebracht. Und dann auch noch aus Isamon!«, rief Sir Manga. »Und was für einen! Du wirst gleich sehen, dass es sich dabei um ein ganz besonderes Exemplar handelt.«

»Es ist in unserer Familie doch völlig normal, Gäste mitzubringen«, sagte Melifaro und wies mit dem Kopf auf mich.

Ich stieß ihm im Scherz die Faust in die Rippen, aber er merkte es wohl nicht mal, da meine Hände sehr klein sind.

»Wenn du ihn in einer halben Stunde zu sehen bekommst, weißt du, was ich meine«, sagte Sir Manga. »Ich kann ihn nicht mal wegschicken, denn er hat meinen Sohn in der Fremde gastfreundlich aufgenommen. Hätte dein dummer Bruder Antschifa damals doch auf der Straße übernachtet! Unsere Geduld ist am Ende. Deine Mutter hat mir sogar gedroht, nur noch zu warten, bis du kommst, und dann zu ihrer Familie nach Uriuland zu verschwinden. Weißt du, bis jetzt hat mich noch keine Frau im Stich gelassen, und in meinem Alter habe ich keine Lust mehr auf Experimente. Nimm bitte unseren merkwürdigen Gast und Schönling in die Hauptstadt mit. Dort wirst du ihn sicher bald los. Echo ist schließlich eine Metropole, oder?«

»Hast du ihn wirklich so satt?«, fragte Melifaro. »Da bin ich aber in der Tat gespannt, was für ein Mensch das sein mag. Und wenn es die einzige Lösung ist, nehme ich ihn bestimmt mit. Das ist bei uns in der Familie immer so«, meinte Melifaro zu mir. »Antschifa macht Dummheiten, und ich muss sie ausbügeln. Was denkt er eigentlich über die ganze Sache?«

»Er ist sehr zufrieden. Dieser seltsame Gast ersetzt ihm eine Horde von Schiffsjungen, die er mit Schimpfkanonaden übers Deck zu treiben gewohnt ist. Na schön, geht jetzt ins Wohnzimmer. Max, verzeihen Sie bitte, dass ich Sie mit familiären Angelegenheiten gelangweilt habe. Das war alles andere als höflich von mir.«

»Dafür aber sehr interessant«, sagte ich lächelnd.

»Vater, halt die Ohren steif. Ich habe einen exzellenten Killer mitgebracht. Es wird schon wieder gut. Wir werden alles dafür tun, dass du dein Problem vergessen kannst, was, Max?«, fragte Melifaro mit Unschuldsmiene.

»Das könnte eine gute Lösung sein - aber bitte nur, wenn unser Gast heute Abend partout nicht in die Hauptstadt mitfahren möchte.«

»Sündige Magister! Mein armer Vater hat meine Bemerkung nicht mal für einen Scherz gehalten!«, flüsterte Melifaro mir zu und wirkte ehrlich erschrocken.

»Ach, das sollte ein Scherz sein?«, fragte ich mit gespielter Überraschung.

Jetzt war die Reihe an Melifaro, mir die Faust in die Seite zu stoßen. Und er hat riesige Hände.

Das Wohnzimmer war leer, und Sir Manga setzte sich zu uns an den Tisch.

»Wir haben wirklich Glück. Ich schlage vor, ihr esst erst mal eine Kleinigkeit. So eine Glückssträhne kann schnell zu Ende sein. Da heißt es zugreifen!«

»Ich höre immer auf das, was Erwachsene sagen«, meinte ich und musterte die vielen, ungemein interessanten Gerichte.

»Du scheinst gut erzogen«, spöttelte Melifaro und biss in ein lecker aussehendes Croissant.