Выбрать главу

Melifaro hatte mir dies zum Glück per Stummer Rede mitgeteilt, um keinen diplomatischen Eklat auszulösen, und ich durfte über seine Bemerkung nicht lächeln, geschweige denn lachen. Mit äußerster Mühe gelang es mir, eine versteinerte Miene zu bewahren. Ich war wirklich stolz auf mich.

Endlich verstummte Alotho Aliroch. Ich vermutete, alle Bewohner von Echo hatten seinen Sermon gehört, denn sein Organ war laut genug, um ohne Verstärker ein Stadion zu beschallen.

Mein Kollege beschloss, sich nun ebenfalls zur Person zu äußern.

»Ich bin Sir Melifaro, das Tagesantlitz des Ehrwürdigen Leiters des Kleinen Geheimen Suchtrupps der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs.«

Dann verbeugte er sich so formvollendet, dass Juffin begeistert gewesen wäre, wie sehr sein Mitarbeiter den Benimmregeln Arwarochs entsprach.

Da ich den Eindruck hatte, Melifaros Auftritt sei im Vergleich zu den gravitätischen Worten unseres Gastes zu bescheiden ausgefallen, beschloss ich, die Initiative zu ergreifen und mich so pompös vorzustellen, dass unser Besucher mindestens drei Nächte von mir träumen würde. Ich atmete tief ein und öffnete den geschwätzigen Mund: »Ich bin Sir Max, der letzte König von Fangachra und Herrscher des gleichnamigen Landes. Ich bin das Nachtantlitz des Ehrwürdigen Leiters des Kleinen Geheimen Suchtrupps der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs. Außerdem trage ich den Todesmantel und küsse die Todgeweihten. Glücklich die, an denen ich achtlos vorbeigehe! Obendrein bin ich der Schrecken aller Dummköpfe, die ihre Zeit sinnlos im Wirtshaus vertun.«

Wie erwartet, zeigte Sir Alotho sich von meinem Auftritt beeindruckt. Erstaunlich freilich, dass er kein Ohr für dessen selbstironische Untertöne hatte. Offenbar besaßen die Bewohner von Arwaroch keinen Sinn für Humor.

Das war auch besser so, da mein letzter Satz eigentlich an Melifaro gerichtet war - als kleine Rache, damit auch er mit dem Lachen zu kämpfen hatte. Mit diebischer Freude stellte ich fest, dass er knallrot wurde und sich nur mit knapper Not beherrschen konnte.

»Du bist vielleicht gemein! Du hast dir den ungünstigsten Moment ausgesucht, Witze zu reißen. Irgendwann mache ich dich fertig und befreie die Welt von einem verrückten Dichter. Eigentlich schade um dich!«

Den Magistern sei Dank, dass mein Kollege einmal mehr gezwungen gewesen war, Stumme Rede zu benutzen.

»Ich werde mich bei Eurem König dafür bedanken, dass Ihr mir die Ehre Eurer Aufwartung erwiesen habt«, verkündete Alotho Aliroch dröhnend. »Euer Auftauchen auf meinem Schiff ist ein Zeichen des Schicksals. Vor mir stehen ein Tagesantlitz, das Erholung stiftet, und ein Nachtantlitz, das den Tod bringt. So ein Treffen hätte ich mir nie träumen lassen. Aber nicht umsonst wollte ich unbedingt hierherreisen. Herzlich willkommen an Bord meines Schiffes! Mein Mitarbeiter Klewa zeigt Euch alles, was Euch interessiert. Ihr dürft gern in jede Ecke schauen.«

Alotho trat einen Schritt zurück und rief mit donnernder Stimme: »Klewa, komm her!«

Ein weiterer Riese tauchte auf, diesmal mit roten Haaren. Er war sehr kräftig gebaut und trug einen langen schwarzen Mantel. Darunter befand sich ein Panzerhemd, dessen Kettenglieder im Halbdunkel funkelten.

Wieder fiel mir ein, dass es in Arwaroch kein Metall gab, und ich dachte, es handele sich sicher um eine importierte Rüstung, doch später erfuhr ich, dass die Bewohner Arwarochs weder Waffen noch Rüstungen im Ausland kaufen. Das Kettenhemd war vielmehr aus den besonders harten Panzern einer Käferart gefertigt.

»Nimm die Schlüssel, Klewa.«

Alotho überreichte seinem Untertanen einen dicken Schlüsselbund. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es auf dem Schiff so viele abschließbare Türen gab.

»Du wirst den Herren zeigen, was immer sie sehen wollen.«

Der Rest lief wie geschmiert. Unter Aufsicht des schweigsamen Klewa machten wir einen Rundgang über und unter Deck. Dabei trafen wir ab und an riesige Männer in bügelfreien Mänteln. Sie sahen uns gleichgültig an, und wir benahmen uns wie diensteifrige Zöllner.

Nach einer Stunde reichte es uns. Mein Kollege zog eine sich selbst beschriftende Tafel des Königlichen Zollamts und ein dunkelblaues Formular aus der Kanzlei von König Gurig VIII. aus dem Mantel. Beides zusammen stellte die offizielle Aufenthaltserlaubnis für Schiff und Mannschaft dar. Mit diesen kostbaren Unterlagen in Händen gingen wir wieder zum Kapitän.

Wir fanden ihn, wo wir ihn verlassen hatten. Er saß im Schneidersitz und beobachtete gedankenverloren seine Waffen, die noch immer auf dem Deck lagen.

»Vielen Dank für den freundlichen Empfang, den Ihr uns bereitet habt, Sir Aliroch«, sagte Melifaro und verbeugte sich ehrerbietig. »Hier Eure Unterlagen. Sie sind schon ausgefüllt. Ich muss Euch allerdings noch nach dem Zweck Eurer Reise ins Vereinigte Königreich fragen.«

»Wir sind gekommen, um herauszufinden, ob sich hier ein gewisser Mudlach aufhält, der verachtenswerte letzte Herrscher eines Gebiets, das wir gerade erobert haben.«

»Na, dann schreiben wir: »Einreisezweck: Personensuche««, meinte Melifaro nickend. »Bitte nehmt die Unterlagen entgegen. Ich freue mich, Euch mitteilen zu können, dass Seine Hoheit König Gurig VIII. Euch morgen in seiner Sommerresidenz Schloss Anmokari empfängt. Die königlichen Boten werden Euch gegen Mittag abholen kommen. Gute Nacht, Sir Aliroch.«

»Die wünsche ich Euch auch. Und ich freue mich schon darauf, Euch wiederzusehen.«

Nachdem wir unsere Aufgabe erledigt hatten, verließen wir erleichtert das Schiff und betraten wieder festen Boden.

»Ich fühle mich richtig klein und hässlich«, jammerte Melifaro. »Warum hat der Schöpfer des Alls Stärken und Schwächen so ungerecht verteilt? Und warum hat er die Bewohner von Arwaroch geschaffen? Das wüsste ich wirklich gern.«

»Sie sind viel zu nett, als dass ich neidisch auf sie wäre«, seufzte ich. »Außerdem kann ich mich nicht mit ihnen vergleichen. Dazu sind sie einfach zu anders, verstehst du?«

»Vollkommen. Aber ich bin trotzdem sauer.«

Als wir das Haus an der Brücke betraten, musste uns die Begeisterung für die exotische Schönheit der Hünen aus Arwaroch noch im Gesicht gestanden haben.

»Tja, Jungs, bereut ihr jetzt, dass eure Mütter nicht rechtzeitig einen schönen Mann aus Arwaroch kennen gelernt haben?«, fragte Sir Schürf, der uns offenbar wortlos verstand. »Das solltet ihr nicht. Diese Leute haben wirklich kein sehr angenehmes Leben. Außerdem erreicht kaum einer von ihnen das hundertste Lebensjahr.«

»Warum sterben sie so jung?«, fragte ich. »Kämpfen sie zu viel?«

»Nein, sie schätzen das Leben einfach nicht sonderlich. In ihren Augen ist es voller Mängel. Ich vermute, sie sterben jung, weil sie sich nach dem Tod sehnen. Viele Leute aus Arwaroch sterben früh, die wenigsten aber im Kampf. Manchmal passiert es, dass sich ein junger, gesunder Adonis in eine Ecke setzt, sich in Gedanken vertieft und eine Weile so sitzen bleibt. Dann ruft ihn jemand zum Abendessen und stellt fest, dass er tot ist.«

»Wie kann so was passieren?«, fragte ich kopfschüttelnd.

»Alles ist möglich, Max. Natürlich gibt es in Arwaroch ein paar Alte, aber nur sehr wenige. Greise werden dort fast als Wunder angesehen. Ihr Dasein erscheint ihren Landsleuten einerseits unbegreiflich, verkörpert andererseits aber Möglichkeiten, die sie vergöttern. Aber jetzt könnt ihr euch ein bisschen erholen, Jungs. Ich bedauere wirklich, dass ihr das Haus von Sir Manga so schnell habt verlassen müssen.«

»Kein Problem. Wir werden einen längeren Besuch dort sicher nachholen«, meinte Melifaro generös. »Und vielen Dank für die ausführlichen Informationen über die Besonderheiten der Bewohner von Arwaroch, Sir. Jetzt beneide ich sie nicht mehr. Merkwürdig, dass mein Vater mir nie davon erzählt hat.«

»Dein Vater ist zwar Verfasser der Enzyklopädie, aber es gibt eine Reihe von Kulturen, deren Mitglieder ihn gebeten haben, nicht alles mitzuteilen, was er über sie weiß. Hast du das nicht gewusst?«

»Seltsamerweise nicht«, meinte Melifaro achselzuckend. »Gut, Max, lass uns gehen.«