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Lady Kekki hörte mir geduldig zu, als ich mich ihr vorstellte, lachte dann freundlich und wandte sich ab. So ein Biest, dachte ich, begriff dann aber, dass sie sich schämte. Manche Leute schotten sich umso aggressiver ab, je mehr sie sich schämen. Ich fand das interessant und meldete mich per Stummer Rede bei ihr.

"Keine Sorge, ich fühle mich auch immer unwohl, wenn ich jemanden kennen lerne. Und nehmen Sie Melifaro nicht gleich alles übel. Ohne Leute wie ihn wäre die Welt langweilig.«

Lady Kekki sah mich erstaunt an und lächelte dann fast unmerklich. Ich fühlte mich erleichtert. Es macht einfach keinen Spaß, in gespannter Atmosphäre zu arbeiten.

»Auch ich freue mich, Sie kennen zu lernen. Mein Name ist Leutnant Apura Blaki«, sagte ein auffälliger Mann mittleren Alters in hellem, dandyhaftem Lochimantel. Er sah mich mit kaum verhohlener Neugier an und fuhr fort: »Lady Tuotli und ich wollten schon längst bei Ihnen vorbeigeschaut haben, um Ihre Bekanntschaft zu machen, aber ...«

»Sie hatte viel zu tun, ich weiß«, sagte ich taktvoll.

»Ja, sehr viel sogar«, rief der Leutnant begeistert und sah mich erfreut an.

»Also, Leute, damit ist der allgemeine Teil des Treffens beendet. Und jetzt ran an den Speck!«, mischte sich Juffin ein. »Melifaro, warum bist du eigentlich nicht im Zollamt?«

»Ich?«, fragte Melifaro baff. »Was soll ich denn da?«

»Kommst du nicht selbst darauf? Dieser Grässliche Mudlach ist vor siebzehn Jahren nach Echo gekommen, und ich bin mir sicher, dass die Jungs vom Zoll sich noch gut an ihn erinnern. Wenn dem wirklich so sein sollte, sag Melamori Bescheid, damit sie Mudlach auf die Spur tritt. Das ist besser, als planlos in der Gegend herumzusuchen.«

»Alles klar«, sagte Melifaro. »Ich gehe gleich zum Zoll und melde mich von unterwegs bei unserer Lady.«

»Na fein. Solange Melifaro mit dem Zöllner Nuli Karif und dem Gespenst des alten Tjuwin ein Glas Dschubatinischen Säufer trinkt, können wir in Ruhe an diesem Fall arbeiten.«

Nachdem sie von uns ausführliche Hinweise bekommen hatten, gingen die Polizisten ins Große Archiv und kehrten kurz darauf - ihren persönlichen Buriwuch auf der Schulter - zurück. Die Vögel waren etwas verwirrt: Einerseits brannten sie vor Neugier, andererseits aber gefiel es ihnen nicht, sich auf die neue Umgebung einzustellen, denn die meisten Buriwuche hatten seit über hundert Jahren das Archiv nicht verlassen.

»Bitte denken Sie daran, alle Tiere bis Sonnenuntergang zurückzubringen«, ermahnte Sir Lukfi Penz die Männer der Stadtpolizei. »Sonst bekommen Sie morgen mit uns Ärger.«

»Sie haben also nicht viel Zeit, meine Herren. Genießen Sie Ihren Vogelspaziergang darum in vollen Zügen. Und wer auf einen verwandelten Bewohner von Arwaroch stößt, bringt ihn bitte sofort her.«

»Ich kann mir schon vorstellen, welche Gerüchte jetzt in der Stadt umlaufen«, sagte ich seufzend. »Was meinen Sie? Schnappen wir diesen Mudlach oder nicht?«

»Natürlich schnappen wir ihn. Wir müssen die ganze Sache aber so einrichten, dass er sich furchtbar erschrickt und all die Leute aus Arwaroch mitnimmt, die sich im Laufe der Jahre bei uns eingeschlichen haben. Ich bezweifle zwar, dass uns das gelingen wird, aber vielleicht helfen uns auch diesmal die Dunklen Magister.«

»Gut, ich verstehe«, sagte ich nickend. »Und welche Rolle spiele ich in diesem Plan?«

»Du kannst jetzt etwas Geistvolles tun, zum Beispiel essen gehen.«

»Oha, das ist ein kniffliger Auftrag. Wenn ich da mal nicht versage!«

Nach vier Stunden tauchte Melifaro wieder auf. Er wirkte müde und ernst. In seiner Abwesenheit hatten Lonely-Lokley und ich genug Zeit gehabt, einen großen Krug Kamra zu leeren und über diverse philosophische Probleme zu reden, die sich im Laufe der Zeit angesammelt hatten. Sir Schürf meinte, das sollten wir endlich tun, doch ich fühlte mich wie ein Schmarotzer und Deserteur.

»Sieh mal an, da hocken die echten Profis!«, warf Melifaro uns giftig zu. »Die Herren Killer warten geduldig, bis ich ihnen ein neues Opfer zuführe. Ihr habt es hier wirklich idyllisch.«

»Tja, wir geben uns eben nicht mit Kleinigkeiten ab«, antwortete ich.

Lonely-Lokley schenkte Melifaro keinerlei Aufmerksamkeit, sondern genoss den Sonnenuntergang.

»Ich gehe jetzt zu Juffin. Soll er mir doch den Kopf abreißen! Ich hab die Nase voll!«, rief Melifaro theatralisch. »Ich weiß nicht, wie es den anderen ergangen ist, aber ich habe auf ganzer Linie versagt. Nuli Karif vom Zoll hat sich zwar vage an jemanden erinnert, hatte aber keine Einzelheiten mehr im Kopf. Und Melamori hat natürlich auch nichts gefunden. Kein Wunder - schließlich sind siebzehn Jahre vergangen. Aber sie hat wenigstens Glück und spaziert jetzt mit diesem Adonis und seiner Spinne durchs abendliche Echo. Und das ist auch gut so. Irgendwer muss schließlich auch mal glücklich sein.«

Melifaros Stimme klang erstaunlich verärgert. Selbst Sir Juffin steckte die Nase aus seinem Büro, um nach uns zu sehen.

»Nimm das alles nicht so ernst«, sagte er mitfühlend. »Ich hab sowieso nicht damit gerechnet, dass du gute Nachrichten bringst. Auch unsere braven Polizisten haben nichts ausrichten können. Von Alotho und seinen Mannen abgesehen, haben die Buriwuche in Echo niemanden gefunden, der aus Arwaroch stammt. Morgen müssen sie die Suche von neuem beginnen. Hat vielleicht jemand eine Idee, wo wir sonst noch suchen können?«

»Das dürfte am ehesten Sir Kofa wissen«, sagte ich. »Außerdem kennt er alle Fachleute für Gesichtsumwandlungen. Vielleicht sollten wir dort mit der Suche beginnen.«

»Daran habe ich bereits gedacht«, sagte Juffin. »Sir Kofa beschäftigt sich schon damit. Ich hoffe, er kommt bald mit guten Nachrichten zu uns. Wer hätte gedacht, dass es so schwierig wäre, in Echo jemanden aus Arwaroch aufzutreiben!«

Schließlich gingen alle schlafen. Nur Kurusch und ich blieben im Haus an der Brücke. Melifaro hatte mich ein weiteres Mal gebeten, bei mir übernachten zu dürfen, da er noch immer nicht imstande war, die Gesellschaft von Rulen Bagdasys zu ertragen.

»Ich verprügele ihn irgendwann«, meinte Melifaro müde. »Wenn ich im Beruf Probleme habe, verliere ich meinen Humor.«

In der Nacht hatte ich irgendwann keine Lust mehr, im Sessel zu sitzen, und ging spazieren. Ich lief einige Zeit ziellos vor mich hin. Die bunten Mosaikgehsteige schimmerten in der Dunkelheit, und die Gesichter der wenigen Passanten wirkten im orangefarbenen Licht der Straßenlaternen wie mit einer Aura von Geheimnis umgeben. Ein kühler Wind wehte vom Churon her durch die Gassen der Altstadt. Erstaunlicherweise hatten er und ich den gleichen Weg.

An diesem Abend fühlte ich mich in Echo sehr wohl. Im Gegensatz zum armen Melifaro war meine Stimmung so blendend, dass es mich geradezu beunruhigte.

Ich gelangte auf den Platz der Siege von König Gurig VII. Eigentlich wollte ich schon umdrehen, sah dann aber in einem Straßencafe eine hoch gewachsene Gestalt sitzen, die mir bekannt vorkam. Ich ging ein paar Schritte näher. Kein Zweifel - dort saß Alotho Aliroch. Ich wollte mich ihm eigentlich noch weiter nähern, weil Juffin uns am Vortag darum gebeten hatte, den Besuchern aus Arwaroch besonderen Schutz angedeihen zu lassen, doch dann stellte ich fest, dass Alotho schon einen Beschützer hatte: Lady Melamori hing weiterhin an diesem Cafe. Das war mir unbegreiflich.

Ich lächelte in mich hinein und kehrte zum Haus an der Brücke zurück. Unterwegs versuchte ich mich zu ärgern oder wenigstens zu staunen - vergeblich. Von Anfang an war mir klar gewesen, dass Melamori einen Adonis wie Alotho nur zu sehen brauchte, um seine Gesellschaft zu suchen.

Ich versuchte mir vorzustellen, als Frau geboren worden zu sein. Dann wäre dieser Alotho eine echte Sahneschnitte für mich. Mal sehen, wie weit sich das noch entwickelte.

Ehrlich gesagt, erkannte ich mich kaum wieder. Ich hätte toben und auf die ganze Welt schimpfen sollen, wie ich es in solchen Situationen bisher immer getan hatte. Aber in letzter Zeit hatte ich viele seltsame Dinge erlebt und mich verändert.