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»Traurige Geschichte«, sagte ich mitleidig. »Aber so was passiert manchmal. Nimm es nicht so schwer, Ande. Jetzt hast du einen anständigen Beruf.«

»Das ist doch kein Beruf, das ist bloße Scharlatanerie!«, brummte der gescheiterte Höfling traurig. »Ich muss für Leute schreiben, die sich von Silbe zu Silbe quälen - falls sie überhaupt lesen können. Und denken Sie, ich werde gut dafür bezahlt? Vergessen Sie's! Einen Hungerlohn bekomme ich dafür. Ich sollte ein echter Schriftsteller sein, nach Tascher fahren und all meine Feinde zu den Dunklen Magistern schicken.«

»Warum ausgerechnet nach Tascher?«, fragte ich erstaunt.

Von dieser sonnigen Stadt hatte Kapitän Gjata, dem ich das Leben gerettet hatte, so geschwärmt. Sir Juffin Halli hatte den armen Seemann auf tollkühne Art und Weise von seinem mit Perlmutt besetzten Gürtel - einem Meisterwerk des verrückten Magisters Chroper Moa - befreit, und ich war dabei gewesen, als das geschah. Es war eine komplizierte, lebensgefährliche Aktion, doch alle Beteiligten überlebten. Als Kapitän Gjata wieder zu sich kam, wollte er sich mir gegenüber für seine Rettung erkenntlich zeigen und verkündete, er werde so lange in der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs bleiben, wie ich ihn brauchte.

Ich versuchte ein paar Mal, ihm eine Aufgabe zu geben, aber der tapfere Mann aus Tascher pflegte immer zu sagen: »Das muss doch nicht sein.« Und ich muss offen gestehen: Er hat genau gewusst, was nötig ist.

Der Kapitän hatte sich in Echo ganz gut eingelebt, war aber irgendwann in seine Heimat zurückgekehrt.

Wann immer es möglich ist, nutze ich die Gelegenheit, etwas über Echo zu lernen. Darum hatte ich Gjata immer gern zugehört und wusste aus seinen Erzählungen, dass Tascher keine intellektuelle Hochburg war - eher das Gegenteil.

»Ach, Sir Max, dort ist es immer warm«, meinte Ande Pu träumerisch. »Und überall wächst Obst. Außerdem habe ich gehört, dass man dort Leuten, die einigermaßen gut lesen und schreiben können, großen Respekt zollt. Was glauben Sie wohl, wie man dort Schriftsteller behandelt? Wahnsinn!«

»Das kann ich mir vorstellen«, meinte ich lachend.

»Darf ich kurz stören, Sir Max?«, fragte Hauptmann Schichola von der Tür her. »Ach, Verzeihung, Sie haben gerade Besuch.«

»Das ist nur ein Freund, und wir sind fast fertig. Kommen Sie doch in ein paar Minuten wieder.«

»Gern.« Schichola zog die Nase rasch aus meinem Büro.

Ande Pus Mandelaugen füllten sich mit Sorge. Vielleicht hatte er gehofft, unser nettes Gespräch fortsetzen zu können und das Abendbrot bis zum Frühstück auszudehnen.

»Warte im Besucherzimmer auf mich, mein Freund«, sagte ich. »Ich muss mit meinem Kollegen einiges besprechen. Danach können wir das süße Faulenzen fortsetzen.«

Schon lange war ich nicht mehr so nett gewesen. Hatte Ande Pu mich vielleicht verzaubert?

»Im Besucherzimmer?«, fragte er finster. »Vielen Dank, Sir Max. Ich gehe lieber. Sie haben sicher zu tun, und ich möchte noch bei Tschemparkaroke vorbeisehen. Gegen einen guten Teller Rekreationssuppe werde ich mich nicht sträuben. Ich habe nette Erinnerungen an dieses Gericht ... Übrigens, Sir Max: Wie sieht Ihre Finanzlage aus? Könnten Sie mir ein bisschen Geld leihen? Wenn Sir Rogro meinen Artikel über Ihre Katzen tatsächlich rasch bezahlt, kann ich meine Schulden morgen begleichen.«

»Gern, aber ich habe selbst nur eine Krone und ein paar Groschen. Besonders reich bin ich nicht.«

Beim Kramen in der Schreibtischschublade fand ich ein paar Münzen. Unwahrscheinlich, dass sie alle mir gehörten. Juffin und ich leeren unsere Taschen immer aus, ehe wir auf Verbrecherjagd gehen, denn es wäre nicht gerade professionell, wenn uns Agenten bei der Festnahme von Übeltätern Kleingeld aus den Taschen fiele. So was schadet dem Renommee.

»Vielen Dank, Sir Max. Wenn ich es morgen nicht zurückzahlen kann, dann sicher in drei Tagen.«

»Du brauchst es mir gar nicht zurückzugeben. Betrachte das Geld einfach als Honorar für deinen misslungenen Text. Aber ich rate dir dringend, es mit diesem Artikel bei keiner anderen Redaktion zu versuchen. Ich bin ein netter Kerl, und du brauchst nicht immer >Sir< zu mir zu sagen, doch wenn du diesen Artikel veröffentlichst, bringe ich dich womöglich um. Glaubst du mir das?«

»Behalten Sie die beiden Tafeln nur. Da ich sie schon gekauft habe, möchte ich sie ungern wegwerfen.«

»Alles klar«, sagte ich erleichtert. »Mit dieser Lösung dürften alle zufrieden sein. Gute Nacht, Ande.«

»Gute Nacht, Max.«

Von dem Wort Sir trennte sich mein neuer Freund so schnell und leicht, wie man sich von leeren, bedeutungslosen Phrasen trennen sollte. Diese Lebenseinstellung bezaubert mich immer wieder, und so schloss ich Ande Pu rasch ins Herz.

Das mandeläugige Wunder verschwand aus meinem Büro, und gleich tauchte Hauptmann Schichola wieder auf.

»Habe ich wirklich nicht gestört?«, hakte er nach.

»Wie gesagt ... Was gibt's denn?«

»Ach, nichts Besonderes. Jedenfalls nichts, womit ich Sie von der Arbeit ablenken könnte. Aber da Sie sowieso nichts zu tun haben ... Ich wollte Ihnen ein paar Gerüchte erzählen hinsichtlich

»Gibt es neue Gerüchte über mich?«, fragte ich lächelnd. »Wissen Sie, allmählich reicht es mir. Ich bin leicht reizbar. Dabei sollte ich nur positiv über die Menschen denken. Das ist besser für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.«

»Nein, nein, Sir Max, es geht nicht um Sie, sondern um die Räuber, die wir gerade verfolgen. Das alles klingt ziemlich seltsam, aber vielleicht sollten Sie davon erfahren. Ich wollte eigentlich mit Sir Juffin darüber sprechen, aber er ist ein viel beschäftigter Mensch und hat für solchen Kleinkram keine Zeit.«

Ja, dachte ich, viel beschäftigt ist er schon. Besonders in den letzten Wochen. Er muss mal gähnen, mal Kamra trinken, mal mit Kurusch plaudern. Aber das behielt ich natürlich für mich und nickte brav.

»Was Kleinkram und Klatsch angeht, sind Sie bei mir richtig. Legen Sie los, Hauptmann. Ich platze vor Neugier.«

»Leutnant Kamschi und ich haben in letzter Zeit viele Leute verhört, denen im Wald von Mahagon Geld abgenommen wurde oder die den Räubern glücklich entkommen sind. Alle haben uns nützliche wie nutzlose Informationen geliefert, und wissen Sie was? Sie alle haben uns versichert, Sir Dschifa Savancha, den wir alle noch gut in Erinnerung haben, stehe an der Spitze der Bande - der rothaarige Mann mit der schrecklichen Narbe an der Wange also, der seit vielen Jahren tot ist.«

»Der tote Sir Dschifa?«, fragte ich ungläubig, nickte dann aber und sagte klug: »So was kann schon mal passieren.«

»Ich glaube, die Lösung des Rätsels ist einfacher, als es scheint«, sagte Schichola hoffnungsvoll. »Alle Zeugen haben übereinstimmend berichtet, der Anführer der Bande ähnele dem Toten, sei aber viel grausamer. Das ist durchaus glaubwürdig, denn erstens gibt es mitunter tolle Zufälle, und zweitens spricht einiges dafür, dass der neue Räuberhauptmann dem alten täuschend ähnlich sein möchte. In der Epoche der Orden zum Beispiel hatte Ganagov Pestruschka im Gugonwald eine Bande. Diesem Ganagov wurde im Gefecht ein Ohr abgeschlagen. Nach seinem Tod hat sein Sohn die Führung der Bande übernommen und sich ein Ohr abgeschnitten, um dem Vater zu ähneln. Diese Marotte hat sich durch die Jahrhunderte gezogen. Insgesamt gab es vier Ganagovs, und alle hatten ein abgeschnittenes Ohr. Dann ist ein tapferer Sheriff in den Gugonwald gezogen und hat ein für alle Mal Ordnung geschaffen. Räuber sind Romantiker, und der rothaarige Dschifa ist für sie eine wahre Lichtgestalt - genau wie für Ihre Kunden Lojso Pondochwa.«

»Sie meinen also, der Mann hat sich die Haare rot färben lassen und sich eine Narbe beigebracht?«

»Ja. Dschifa hat sich allerdings zu Lebzeiten nie in diese Behörde verirrt. Warum sollte er es nach seinem Tode tun? Ich finde, Sie sollten Bescheid wissen. Alle, die jetzt erklären, Dschifa sei wiedergeboren worden, haben ihn früher gut gekannt. Manche davon hat er ausgeraubt, und mit manchen hat er in einem Wirthaus namens Goldenei Widder getrunken. Diejenigen dagegen, die es für Zufall halten, dass der neue Räuberhauptmann dem alten so ähnelt, kennen Dschifa nur aus Erzählungen. Das alles gefällt mir nicht, Sir Max. Vielleicht sollten Sie doch Sir Juffin davon berichten.«