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Sie hat den Schutz ihres Hochleibeigenen verlassen, um mit einem Spottmenschen davonzulaufen! Wenn ihr Fleisch je richtiges Menschenfleisch war, dann ist das nicht länger so. Ihr kennt die Wege der Spottmenschen, der Lügner, der Wermenschen und großen Betrüger.

Allein im Dunkel mit ihr, hat dieser Spottmensch Dirk t’Larien sie sicherlich erschlagen und einen Dämonen gleich ihm an ihre Stelle gesetzt, der genauso aussieht wie sie.«

Chell nickte zustimmend und sagte etwas Feierliches auf Altkavalar. Die anderen Braiths sahen weniger überzeugt aus. Lorimaar tauschte fragende Blicke mit seinem teyn, dem Untersetzten, Bulligen. Bretans scheußliches Gesicht, zur einen Hälfte wie eine Maske aus Narbengewebe, zur anderen Hälfte wie die reine Unschuld, gab keinerlei Aufschluß. Pyr blickte finster drein und klopfte weiterhin unablässig mit seinem Stock.

Roseph war es, der etwas erwiderte. »Als ich Schiedsrichter am Todesquadrat war, habe ich Gwen Delvano für menschlich erklärt«, sagte er vorsichtig.

»Das ist wahr«, meinte Pyr.

»Vielleicht war sie damals menschlich«, sagte der alte Mann. »Jetzt aber hat sie Blut gekostet und mit einem Spottmenschen geschlafen. Wer würde sie jetzt noch menschlich nennen?« Die Hunde begannen zu jaulen.

Jene vier, die Myrik an den Gleiter gekettet hatte, eröffneten das schaurige Konzert, in das die in Lorimaars überdachtem Fahrzeug eingeschlossene Meute einstimmte. Chells Riesenhund knurrte und zog an seiner Kette, bis der ältliche Braith ärgerlich herumfuhr.

Daraufhin setzte sich das Tier und fiel in das Heulkonzert ein. Fast alle Jäger starrten in die geräuschlose Dunkelheit hinter ihrem kleinen Kreis. Der zur Regungslosigkeit erstarrte Myrik war die einzige Ausnahme — er nahm seine Augen nicht von Gwen Delvano. Mehr als einer griff mit der Hand zur Waffe.

Hinter den Gleitern, am Rand des Kreises, standen die beiden Eisenjades Seite an Seite im Schatten.

Dirks Schmerzen verloren von einer Sekunde zur anderen an Bedeutung. Sein Körper zitterte und bebte. Er sah auf Gwen, Gwen sah sie an. Besonders Jaan.

Dann trat Jaan ins Licht, und Dirk bemerkte, daß er Gwen fast ebenso anstarrte wie es Myrik tat. Er schien sich sehr langsam zu bewegen — wie eine Traumgestalt, wie ein Schlafwandler. Garse Janacek an seiner Seite hingegen wirkte wach und lebhaft.

Vikary war in einen gefleckten Anzug aus Chamäleonstoff gekleidet, der alle Schwarztönungen aufwies, als er den Kreis seiner Feinde betrat. Die Hunde verstummten. Jetzt gaukelte der Stoff des Anzugs ein schmutziges Grau vor. Die Ärmel seines Hemdes endeten über den Ellbogen, Eisen-und-Glühstein umschlossen seinen rechten Unterarm, Jade-und-Silber seinen linken.

Einen endlosen Augenblick lang überragte er alle.

Chell und Lorimaar waren beide einen Kopf größer, aber irgendwie schien Vikary zu dominieren. Er glitt an ihnen vorbei und wirkte wie ein schreitender Geist, der sich zwischen den Braiths bewegte, als würde er sie überhaupt nicht wahrnehmen.

Neben Gwen und Dirk hielt er an.

Dann war die Illusion verblaßt. Die Braiths begannen zu sprechen, und Jaan Vikary war wieder nur ein Mann unter vielen, größer als die meisten, aber kleiner als einige.

»Ihr geht zu weit, Eisenjades«, sagte Lorimaar in hartem, verärgertem Tonfall. »Ihr wurdet nicht zu diesem Ort gerufen. Ihr habt kein Recht, hier zu sein.«

»Spottmenschen«, spuckte Chell. »Falsche Kavalaren.«

Bretan Braith Lantry machte sein eigentümliches Geräusch. »Eure betheyn gewähre ich Euch, Jaantony Hoch-Eisenjade«, sagte Pyr mit fester Stimme, obwohl er mit seinem Stock einen nervösen Rhythmus klopfte.

»Bestraft sie nach Eurem Willen, wie Ihr es müßt. Der Spottmensch jedoch ist für meine Jagd bestimmt.« Garse Janacek war einige Meter entfernt stehengeblieben. Seine Augen wanderten von einem Sprecher zum anderen, und zweimal schien er antworten zu wollen. Aber Jaan Vikary ignorierte sie alle. »Nehmt ihnen die Dinger aus dem Mund«, sagte er und deutete auf die Gefangenen.

Pyrs langbeiniger teyn stand über Dirk und Gwen gebeugt und sah dem Hochleibeigenen von Eisenjade ins Gesicht. Er zögerte einen langen Moment, dann bückte er sich tiefer und entfernte die Knebel. »Danke«, sagte Dirk.

Gwen schüttelte den Kopf, um einige Haarsträhnen aus den Augen zu bekommen. Unsicher rappelte sie sich auf.

Die Arme waren ihr noch immer auf dem Rücken zusammengebunden. »Jaan«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Hast du es gehört?«

»Ich habe es gehört«, sagte Vikary. Dann wandte er sich an die Braiths: »Bindet sie los.«

»Ihr nehmt Euch viel heraus, Eisenjade«, sagte Lorimaar. Pyr jedoch wirkte unsicher. Er lehnte sich auf seinen Stock und sagte schließlich: »Zerschneidet ihre Fesseln.«

Sein teyn riß Gwen herum und befreite sie mit seinem Messer. »Zeig mir deine Arme«, sagte Vikary zu Gwen.

Sie zögerte. Dann nahm sie langsam die Hände nach vorn und streckte . sie mit den Flächen nach unten aus. An ihrem linken Arm blitzte Jade-und-Silber. Sie hatte es nicht abgenommen.

Gebunden und hilflos sah Dirk zu. Ihm war kalt. Sie hatte es nicht abgenommen …

Vikary schaute auf Myrik herab, der noch immer mit überkreuzten Beinen vor Gwen saß und diese mit verengten Augen anstarrte. »Steh auf!«

Der Mann erhob sich und wandte sich dem Eisenjade zu. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft war sein Blick nicht auf Gwen gerichtet. Vikary wollte gerade etwas sagen, da kam ihm Gwen zuvor. »Nein«, rief sie.

Während der ganzen Zeit hatte sie sich die Handgelenke gerieben. Jetzt hörte sie auf und legte die rechte Hand auf das Schmuckstück. Ihre Stimme klang sehr gefaßt. »Verstehst du nicht, Jaan? Es geht nicht.

Wenn du ihn forderst, wenn du ihn tötest — dann nehme ich es ab. Ganz bestimmt.«

Erstmals spielte eine Gefühlsregung auf Jaans Gesicht, man konnte sie nur als Ärger interpretieren. »Du bist meine betheyn«, sagte er. »Wenn ich ihn nicht … Gwen …«

»Nein.«

Einer der Braiths begann zu lachen, woraufhin sich Garses Gesicht vor Wut verzerrte und gleichzeitig ein wildes Aufleuchten in die Augen des Mannes trat, den die anderen Myrik nannten.

Falls Gwen es bemerkt hatte, so ließ sie sich jedenfalls nichts anmerken. Sie wandte sich Myrik zu. »Ich habe Euren teyn getötet«, begann sie. »Ich, nicht Jaan und nicht der arme Dirk. Ich habe ihn getötet, und ich gebe es zu. Er hat uns gejagt, genau wie Ihr. Und er hat Emereli umgebracht.«

Myrik erwiderte nichts. Alles schwieg.

»Wenn Ihr Euch schon duellieren müßt, wenn Ihr mich wirklich tot sehen wollt, dann duelliert Euch mit mir!« fuhr Gwen fort. »Ich habe es getan. Kämpft gegen mich, wenn Euch Eure Rache so wichtig ist.« Pyr lachte laut auf. Einen Augenblick später fielen sein teyn und Roseph mit ein, dann folgten mehrere der anderen — der fette Mann, Rosephs bulliger, strenggesichtiger Begleiter, der klauenbewehrte Alte. Alle lachten.

Myriks Gesicht lief erst blutrot an, dann weiß. Dann wurde es wieder dunkelrot. »Betheyn- Schlampe«, fauchte er. Ein krampfartiges Zucken lief über sein Gesicht, und seine Augen leuchteten ein weiteres Mal auf.

Jetzt sah es jeder. »Du machst dich über mich lustig.

Ein Duell… mein teyn … und du bist eine Frau!«

Er beendete den Satz mit einem Schrei, der den Männern durch Mark und Bein fuhr und die Hunde in Geheul ausbrechen ließ. Dann verlor er die Kontrolle über sich.

Er hob die Hände, die sich spastisch zu Fäusten ballten und wieder öffneten, schlug sie vor das eigene Gesicht, als sie von seiner Wut erschreckt zurückwich — und war plötzlich über ihr. Sein Schwung brachte sie beide zu Fall. Sich überschlagend rangen sie miteinander. Seine dürren Finger hatten sich um ihren Hals gelegt. Dann krachten sie hart gegen einen der Gleiter. Myrik war oben und befand sich Gwen gegenüber in günstiger Position. Seine Finger krallten sich tief in das weiche Fleisch ihres Halses. Verzweifelt schlug sie um sich und traf ihn hart am Kinn. Aber in seiner blinden Wut schien er es kaum zu spüren. Er begann damit, ihren Kopf gegen den Gleiter zu schlagen, immer wieder, immer wieder, und schrie dabei unablässig auf altkavalarisch. Mit Mühe gelang es Dirk, auf die Beine zu kommen, nur um dann mit gefesselten Händen tatenlos herumstehen zu müssen.