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»Was meint Ihr?« Bruno blieb stehen. Wie aus weiter Ferne schaute der Altere ihn an. Seine dunklen Locken kräuselten sich bis auf die breiten Schultern und boten einen interessanten Kontrast zu dem tiefen Blau seiner Augen. Er war ein Stück größer als Faramund, so daß der junge Mann unweigerlich zu ihm aufblicken mußte, wenn er dem Blick des Schwertmeisters standhalten wollte.

»Was habt Ihr erlebt?«

»Was versteht Ihr von Liebe?« fragte Bruno zurück. »Wie könnte ich Euch mein Leben erzählen? Ihr seid doch nur begierig danach, Euer eigenes Leben kennenzulernen. Ihr sucht die Gefahr, um sie zu bestehen, nicht um aus ihr zu lernen. Ihr sucht den Kampf, um Eure Waffenkünste zu erproben, nicht um das Leben im Angesicht des Todes zu begreifen, und Ihr schwätzt von Liebe wie ein Eunuch von den Frauen.« Der Schwertmeister machte eine abfällige Geste. »Nein, junger Freund, Ihr werdet von mir keine Geschichte hören.«

Bruno von Falkenstein wandte sich ab. »Nur eines will ich Euch raten«, sagte er. »Hütet Euch davor, der wahren Liebe zu begegnen. Wenn es sich nicht verhindern läßt, dann seid in Gottes Namen kein Held, sondern flieht auf der Stelle vor diesem größten aller Unglücke, das einem Mann widerfahren kann. Die Liebe ist kein Abenteuer, welches man besteht, ebensowenig wie man dem Sturm auf dem Ozean Einhalt gebietet. Hat die Liebe einen Mann erst einmal ergriffen, ist es wie eine Krankheit, die einen nach und nach sterben läßt. Sie ist gefährlicher als jedes Raubtier, denn sie ist selbst in ihrer Wildheit noch sanft und schön. Ihr werdet ihren Verlockungen lauschen und in Eurer Verzweiflung den Mond anbeten, doch sie wird Euch gnadenlos foltern, weil sie alle Eure Schwächen erkennt. Die Liebe raubt Euch das Herz, und manch einem kühnen Helden hat sie noch ehe eine Nacht vorüber war, auch den Verstand genommen, aber die Liebe ist auch das einzige, wofür es sich wirklich zu leben lohnt.«

Faramund hielt den Atem an. Mit solch einem langen, düsteren Rede hatte er nicht gerechnet. Der Ritter hatte in diesem Augenblick mehr gesagt als in all den ganzen vergangenen Monaten, in denen sie zusammen unterwegs gewesen waren.

Bruno lächelte ihn an. »Schon gut, ich glaube, es war etwas viel auf einmal. Hört auf, Euch mit solchen Dingen den Kopf vollzuhängen, fragt mich nicht mehr nach meinem Leben, sondern macht, daß ihr weiterkommt, bevor Eure Füße zu Eis erstarrt sind. Die Nacht wird unseretwegen nicht später beginnen.«

2

Lursa sprang von dem Felsenvorsprung hinab und schritt langsam auf die beiden Pferde zu. Die Tiere standen gut im Futter und waren kräftig genug, einen ausgewachsenen Mann mit Rüstung zu tragen. Eine solch erlesene Beute war selten um diese Jahreszeit. Lursa lächelte. Pyros, ihr Adler, hatte gute Arbeit geleistet. Er hatte die Pferde in den Felsenhof getrieben und war an den steilen Wänden entlang hinauf bis zum Gipfel geflogen. Er wird seine Belohnung für die erfolgreiche Jagd später bekommen, dachte sie und versperrte den nervösen Tieren den einzigen Ausweg, der aus diesem steinernen Kessel führte.

Das Sattel- und Zaumzeug waren ihr fremd, die Reiter kamen also nicht von hier. Um so besser, überlegte Lursa, wegen ein paar verschollenen Reisenden würde keiner einen Aufstand machen. Langsam näherte sie sich dem Fuchs, der nervös wiehernd an der schwarzen Wand entlanglief.

»Ruhig, ganz ruhig.« Lursa hob die Hand und griff nach den Zügeln. Sie tätschelte dem Tier den Hals und wartete, bis der Wallach sich ein wenig beruhigt hatte. »Du bist ein hübscher Bursche«, flüsterte sie und streichelte über das rötlich schimmernde Fell. »Die Göttin wird erfreut sein über ein solch kostbares Geschenk.«

Lursa bückte sich kurz, schaute dem Tier unter den Bauch und zuckte dann enttäuscht mit den Schultern. »Schade, daß du kein Hengst mehr bist.«

Geschickt flocht sie die Zügel um einen Stein, der aus der Felswand herausragte, bis der Fuchs den Kopf kaum noch bewegen konnte. Mit fliegenden Fingern drehte sie dann aus ihrem Hüfttuch eine Fußfessel und band sie dem Wallach um die Hufe. Sie wollte nicht riskieren, daß das Tier sich aufbäumen konnte. Zufrieden betrachtete sie ihre Arbeit. Als alle Vorbereitungen getroffen waren, zog sie langsam ihren Dolch und hielt ihn mit der Klinge an den Hals des Tieres. Die Waffe wog nicht schwer in ihrer Hand, sie war schmal und sorgfältig gearbeitet. Der Fuchs neben ihr schnaubte nervös.

Lursa atmete tief ein und begann mit heiserer Stimme ein Lied in der alten Sprache zu singen. Eine schwerfällige Melodie erfüllte den ganzen Felsenkessel, und Lursas Stimme hallte schaurig von den schwarzen Wänden wider. Bei der letzten Strophe des Liedes blitzte der Dolch kurz über dem Hals des Pferdes auf. Der Wallach wieherte schmerzerfüllt. Verzweifelt versuchte er den Kopf frei zu bekommen, er riß und zerrte an den Zügeln, doch die ledernen Riemen hielten ihn wie mit einer eiserner Faust zurück.

Lursa ließ den Dolch fallen. Als das kämpfende Tier einen Augenblick lang innehielt, nutzte sie ihre Chance. Sie umklammerte den Hals des Pferdes, krallte ihre Finger in die Mähne und leckte mit der Zunge über den kleinen Schnitt. Das Pferdeblut rann ihr warm durch die Kehle. Gierig schlossen sich ihre Lippen nach dem ersten Schluck um die sprudelnde Quelle. Ihre Zunge leckte wie in einem nicht enden wollenden Kuß über die Wunde, bis die Wirklichkeit um sie herum verschwamm.

Lursa trank noch, als sie schon das Rauschen blutiger Wellen in ihrem Kopf hörte und schattenhafte Bilder sich in ihrem Kopf formten. Sie roch den Schweiß des kämpfenden Pferdes, hörte aus weiter Ferne sein verzweifeltes Wiehern und saugte immer noch fester, um die Quelle ihres Rausches bis zur Neige auszukosten.

Luovana bückte sich. Der Anblick des sich windenden Pferdes, das der Pein zu entkommen suchte, verursachte ihr Übelkeit. Sie wählte einen Stein, der nicht zu schwer war, holte aus und schleuderte ihn hinunter in den Felsenhof. Lursa wirbelte herum. Luovana sah das dunkle Blut, das über Lursas Kinn hinab auf ihr rotes Gewand tropfte. Sie schüttelte sich. Diese finsteren Rituale waren nicht ihre Sache.

»Was willst du hier?« Lursa rieb sich wütend den Schenkel, wo der Stein sie getroffen hatte. »Dies hier ist nicht der Ort, an dem Frauen wie du sein sollten.«

»Laß von den Pferden ab, Lursa, und geh.«

Ein hartes Lachen erklang durch den Felsenhof.

»Macht meine kleine Schwester sich Sorgen?« Lursa nahm ein Ende ihres Umhangs und wischte damit das Blut von ihren Lippen. »Komm doch herunter und versuche einen Schluck von diesem köstlichen roten Saft. Du wirst sehen, er wird dich berauschen.« Sie kniff die Augen zusammen. »Oder machst du dir vielleicht gar keine Sorgen um mich, sondern nur um die Pferde?«

»Du hast es erraten«, erwiderte Luovana. »Und um die beiden Reiter, die draußen über das Schneefeld irren.«

»Wenn du die Pferde haben willst, mußt du sie dir holen. Spring herunter in diesen Kessel.« Lursa lachte böse. »Die Göttin wird sich freuen, dich an ihrem heiligen Ort begrüßen zu dürfen.«

»Nein.« Luovana schüttelte den Kopf. »Ich werde diesen Boden niemals betreten, aber du wirst die Pferde gehen lassen.«

Lursa bückte sich nach ihrem Dolch. »Und wie willst du mich davon überzeugen?«

»Hiermit!« Luovana hob den gespannten Bogen und zielte. »Ich würde ungern meine eigene Schwester töten.«

»So weit würdest du nicht gehen. Nicht wegen zwei Pferden.« Lursas Stimme hatte einen drohenden Ton angenommen.

»Zwinge mich nicht dazu. Binde das Pferd los und treibe es mit dem anderen zusammen hinaus auf den Paß zu«, rief Luovana, während sie die Sehne noch ein Stück weiter spannte.