Выбрать главу

Bevor sie das Boot allerdings zu Wasser lassen konnten, gab es einige Schwierigkeiten mit Kazz. Er war jetzt in der Lage, einige Dinge in Englisch auszudrücken, und beherrschte auch schon mehrere Brocken Arabisch, Baluchi, Suaheli und Italienisch, das Burton ihm beigebracht hatte.

»Brauchen wir noch… Wie ihr nennen?… Wallah!… Wie heißen Wort?…

Jemand töten, bevor bringen Boot in Wasser… Du weißt… MERDE… Wie heißen Wort, Burton-naq… Mir sagen, Burton-naq… Wort… Wort… Mensch töten, daß Gott… KABBURQANAQRUEBEMSS… Wassergott… machen Boot nicht sinken… Gott nicht wütend… Wir nicht ertrinken… und Gott uns nicht fressen.«

»Ein Opfer?« fragte Burton.

»Viel blutiger Dankeschön, Burton-naq«, sagte Kazz. »Opfer! Kehle schneiden durch… Blut schmieren an Boot… auf Holz… Dann Wassergott uns verschonen…«

»Das werden wir nicht tun«, sagte Burton.

Kazz schien das zwar nicht ganz recht zu sein, aber schließlich willigte er dann doch ein, an Bord zu gehen. Er machte allerdings ein ziemlich beunruhigtes Gesicht und schien jeden Moment auf den Ausbruch des göttlichen Zorns zu warten, aber als Burton ihm erklärte, daß dies hier nicht die Erde sei — was er auch an den fremdartigen Himmelskörpern erkennen könne — und die irdischen Götter hier keinerlei Macht besäßen, hellte sich seine Miene nach und nach auf. Er lächelte sogar schüchtern, wandte aber dennoch seinen Blick nicht von der Wasseroberfläche ab. Irgendwie schien er immer noch darauf zu warten, daß die Fluten sich teilten und aus den Tiefen das grünbärtige Gesicht mit den Fischaugen des Wassergottes Kabburqanaqruebemss auftauchte, um sie zu verschlingen.

An diesem Morgen wimmelte es auf der Ebene in der Nähe des Bootes von Menschen. Offenbar hatte sich hier alles versammelt, was im Umkreis von mehreren Kilometern lebte, denn der Stapellauf eines Schiffes gehörte zweifellos zu den ungewöhnlichen Ereignissen des neuen Lebens und stellte somit für die Menschen eine willkommene Abwechslung im täglichen Einerlei dar. Man rief den Bootsbauern Boshaftigkeiten zu, riß Witze und lachte.

Obwohl einige der Kommentare reichlich bissig klangen, verlor niemand seinen guten Humor. Bevor das Boot auf den Rollen ins Wasser geschoben wurde, erklomm Burton die „Brücke“ und hob die Hand, um anzuzeigen, daß er Ruhe wünschte. Das Geschwätz der Menge verstummte, und er sagte auf Italienisch: »Freunde und Bewohner des Tals im Verheißenen Land! Wir werden euch in wenigen Minuten verlassen…«

»Wenn das Boot seinen Stapellauf übersteht«, murmelte Frigate leise.

»… um den Fluß hinaufzusegeln, gegen den Wind und die Strömung. Wir werden diesen schweren Weg auf uns nehmen, weil die kompliziertesten Routen stets die größte Belohnung für die Entdecker aufzuweisen hatten, wenn man den Worten der Moralisten auf Erden Glauben schenken kann. Und ihr wißt jetzt, wie viel man denen glauben konnte!«

Gelächter. Die fanatischen Gläubigen warfen Burton finstere Blicke zu.

»Wie einige von euch vielleicht wissen, führte ich auf der Erde einst eine Expedition ins finsterste Afrika, um die Quellen des Nil zu finden. Ich habe sie zwar nicht entdeckt, aber ich bin ihnen ziemlich nahe gekommen.

Ausgestochen hat mich damals ein Mann namens John Hanning Speke. Sollte ich ihm während meiner diesmaligen Reise flußaufwärts begegnen, werde ich wissen, wie ich mit ihm fertig werde…«

»Herrgott!« sagte Frigate. »Wollen Sie, daß er sich ein zweites Mal aus lauter Scham und Gewissensbissen das Leben nimmt?«

»… aber Tatsache ist«, fuhr Burton fort, »daß dieser Fluß hier viel, viel größer ist als der Nil, der, wie ihr wißt oder vielleicht auch nicht wißt, der längste Fluß der Erde war, auch wenn die Amerikaner nicht müde werden zu behaupten, daß ihr Mississippi-Missouri-Komplex noch mehr aufzuweisen hätte.

Einige von euch werden sich fragen, warum wir diese Fahrt unternehmen; warum wir uns auf eine Reise zu einem Ziel begeben, von dem wir nicht einmal wissen, ob es überhaupt existiert. Ich will euch sagen, daß wir unsere Segel deswegen setzen, weil wir wissen, daß das Unbekannte existiert, und es unser Bestreben ist, es zu Bekanntem zu machen. Das ist alles! Weil hier — im Gegensatz zu unseren frustrierenden Erfahrungen auf der Erde — das Geld nicht die Welt regiert und es keiner Finanzierung bedarf, eine solche Expedition auszurüsten. Ebenso wenig bedarf es zahlloser Eingaben, des Ausfüllens von Formularen, des Bettelns um Audienzen bei einflußreichen Persönlichkeiten oder des Katzbuckelns vor miesen kleinen Beamten oder irgendwelchen verknöcherten Bürokraten, um die Erlaubnis zu erhalten, diesen Fluß zu befahren. Es gibt keine nationalen Grenzen…«

»… jedenfalls jetzt noch nicht«, murmelte Frigate.

»… keine Paßformalitäten und keine Amtsärsche, die man bestechen muß.

Alles, was wir zu tun hatten, um eine Lizenz zu bekommen, war, dieses Boot zu bauen. Und so beginnen wir unsere Fahrt ohne irgendwelche Auflagen oder den Erlaubnisschein selbstgerechter Fürsten oder ihrer Vertreter. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit sind wir frei! Frei! Und deswegen entbieten wir euch allen unser Adieu, weil wir auf Wiedersehen nicht sagen wollen…«

»… was er sowieso niemals täte«, murmelte Frigate.

»… weil es nicht unmöglich ist, daß wir erst in tausend Jahren zu euch zurückkehren! So sage ich Adieu zu euch, ebenso wie meine Mannschaft. Wir danken euch für eure Hilfe, die ihr uns beim Bootsbau erwiesen habt. Hiermit übergebe ich meinen Posten als Konsul Ihrer Britischen Majestät in Triest demjenigen, der bereit ist, ihn an meiner Stelle anzunehmen, und erkläre mich selbst zum freien Bürger der Flußwelt! Ich werde niemandem einen Tribut zollen, niemandem etwas schuldig sein und meine Treue nur mir selbst erweisen!«

Frigate sang:

»Tu nur, was deine Männlichkeit gebietet, erwart’ von niemanden Applaus, im Leben nimm dir, was sich bietet, such dir das Dasein selber aus.«

Burton warf dem Amerikaner einen kurzen Blick zu, unterbrach jedoch seine Rede nicht. Was Frigate gesungen hatte, war ein Zitat aus seinem Buch Der Kasidah des Haji Al-Yazdi. Es war nicht das erste Mal, daß Frigate etwas aus Burtons Werk zitierte, und obwohl Burton das, was der Amerikaner von sich gab, manchmal recht irritierend fand, war er doch nicht in der Lage, sich über jemanden, der seine Bücher so gut kannte, allzu sehr aufzuregen.

Ein paar Minuten später, nachdem die Menge das Boot mit einem gewaltigen Hauruck in den Fluß befördert hatte und die Menschen jubelnd am Ufer standen, zitierte Frigate Burton erneut. Er schaute auf mindestens eintausend gutaussehende junge Leute mit bronzener Haut, die Büstenhalter, Turbane und Kilts trugen, die farbenprächtig im Wind flatterten, und sagte:

»Ah! Der Tag ist hell, die Sonne scheint, es glänzt die See, wir sind vereint. Wir liefen herum und spielten im Wind, am Ufer des Flusses; ich war noch ein Kind.«