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Der Entsagende. — Was thut der Entsagende? Er strebt nach einer höheren Welt, er will weiter und ferner und höher fliegen, als alle Menschen der Bejahung, — er wirft Vieles weg, was seinen Flug beschweren würde, und Manches darunter, was ihm nicht unwerth, nicht unliebsam ist: er opfert es seiner Begierde zur Höhe. Dieses Opfern, dieses Wegwerfen ist nun gerade Das, was allein sichtbar an ihm wird: darnach giebt man ihm den Namen des Entsagenden, und als dieser steht er vor uns, eingehüllt in seine Kapuze und wie die Seele eines härenen Hemdes. Mit diesem Effecte, den er auf uns macht, ist er aber wohl zufrieden: er will vor uns seine Begierde, seinen Stolz, seine Absicht, über uns hinauszufliegen, verborgen halten. — ja! Er ist klüger, als wir dachten, und so höflich gegen uns — dieser Bejahende! Denn das ist er gleich uns, auch indem er entsagt.

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Mit seinem Besten schaden. — Unsere Stärken treiben uns mitunter so weit vor, dass wir unsere Schwächen nicht mehr aushalten können und an ihnen zu Grunde gehen: wir sehen auch wohl diesen Ausgang voraus und wollen es trotzdem nicht anders. Da werden wir hart gegen Das an uns, was geschont sein will, und unsere Grösse ist auch unsere Unbarmherzigkeit. — Ein solches Erlebniss, das wir zuletzt mit dem Leben bezahlen müssen, ist ein Gleichniss für das gesammte Wirken grosser Menschen auf Andere und auf ihre Zeit: — gerade mit ihrem Besten, mit dem, was nur sie können, richten sie viele Schwache, Unsichere, Werdende, Wollende zu Grunde, und sind hierdurch schädlich. Ja es kann der Fall vorkommen, dass sie, im Ganzen gerechnet, nur schaden, weil ihr Bestes allein von Solchen angenommen und gleichsam aufgetrunken wird, welche an ihm, wie an einem zu starken Getränke, ihren Verstand und ihre Selbstsucht verlieren: sie werden so berauscht, dass sie ihre Glieder auf allen den Irrwegen brechen müssen, wohin sie der Rausch treibt.

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Die Hinzu-Lügner. — Als man in Frankreich die Einheiten des Aristoteles zu bekämpfen und folglich auch zu vertheidigen anfieng, da war es wieder einmal zu sehen, was so oft zu sehen ist, aber so ungern gesehen wird: — man log sich Gründe vor, um derenthalben jene Gesetze bestehen sollten, blos um sich nicht einzugestehen, dass man sich an die Herrschaft dieser Gesetze gewöhnt habe und es nicht mehr anders haben wolle. Und so macht man es innerhalb jeder herrschenden Moral und Religion und hat es von jeher gemacht: die Gründe und die Absichten hinter der Gewohnheit werden immer zu ihr erst hinzugelogen, wenn Einige anfangen, die Gewohnheit zu bestreiten und nach Gründen und Absichten zu fragen. Hier steckt die grosse Unehrlichkeit der Conservativen aller Zeiten: — es sind die Hinzu-Lügner.

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Komödienspiel der Berühmten. — Berühmte Männer, welche ihren Ruhm nöthig haben, wie zum Beispiel alle Politiker, wählen ihre Verbündeten und Freunde nie mehr ohne Hintergedanken: von diesem wollen sie ein Stück Glanz und Abglanz seiner Tugend, von jenem das Furchteinflössende gewisser bedenklicher Eigenschaften, die Jedermann an ihm kennt, einem andern stehlen sie den Ruf seines Müssigganges, seines In-der-Sonne-liegens, weil es ihren eigenen Zwecken frommt, zeitweilig für unachtsam und träge zu gelten: — es verdeckt, dass sie auf der Lauer liegen; bald brauchen sie den Phantasten, bald den Kenner, bald den Grübler, bald den Pedanten in ihrer Nähe und gleichsam als ihr gegenwärtiges Selbst, aber eben so bald brauchen sie dieselben nicht mehr! Und so sterben fortwährend ihre Umgebungen und Aussenseiten ab, während Alles sich in diese Umgebung zu drängen scheint und zu ihrem» Charakter «werden wilclass="underline" darin gleichen sie den grossen Städten. Ihr Ruf ist fortwährend im Wandel wie ihr Charakter, denn ihre wechselnden Mittel verlangen diesen Wechsel, und schieben bald diese, bald jene wirkliche oder erdichtete Eigenschaft hervor und auf die Bühne hinaus: ihre Freunde und Verbündeten gehören, wie gesagt, zu diesen Bühnen-Eigenschaften. Dagegen muss Das, was sie wollen, um so mehr fest und ehern und weithin glänzend stehen bleiben, — und auch diess hat bisweilen seine Komödie und sein Bühnenspiel nöthig.

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Handel und Adel. — Kaufen und verkaufen gilt jetzt als gemein, wie die Kunst des Lesens und Schreibens; Jeder ist jetzt darin eingeübt, selbst wenn er kein Handelsmann ist, und übt sich noch an jedem Tage in dieser Technik: ganz wie ehemals, im Zeitalter der wilderen Menschheit, Jedermann Jäger war und sich Tag für Tag in der Technik der Jagd übte. Damals war die Jagd gemein: aber wie diese endlich ein Privilegium der Mächtigen und Vornehmen wurde und damit den Charakter der Alltäglichkeit und Gemeinheit verlor — dadurch, dass sie aufhörte nothwendig zu sein und eine Sache der Laune und des Luxus wurde: — so könnte es irgendwann einmal mit dem Kaufen und Verkaufen werden. Es sind Zustände der Gesellschaft denkbar, wo nicht verkauft und gekauft wird und wo die Nothwendigkeit dieser Technik allmählich ganz verloren geht: vielleicht, dass dann Einzelne, welche dem Gesetze des allgemeinen Zustandes weniger unterworfen sind, sich dann das Kaufen und Verkaufen wie einen Luxus der Empfindung erlauben. Dann erst bekäme der Handel Vornehmheit, und die Adeligen würden sich dann vielleicht ebenso gern mit dem Handel abgeben, wie bisher mit dem Kriege und der Politik: während umgekehrt die Schätzung der Politik sich dann völlig geändert haben könnte. Schon jetzt hört sie auf, das Handwerk des Edelmannes zu sein: und es wäre möglich, dass man sie eines Tages so gemein fände, um sie, gleich aller Partei- und Tageslitteratur, unter die Rubrik» Prostitution des Geistes «zu bringen.

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Unerwünschte Jünger. — Was soll ich mit diesen beiden Jünglingen machen! rief mit Unmuth ein Philosoph, welcher die Jugend» verdarb«, wie Sokrates sie einst verdorben hat, — es sind mir unwillkommene Schüler. Der da kann nicht Nein sagen und jener sagt zu Allem:»Halb und halb. «Gesetzt, sie ergriffen meine Lehre, so würde der Erstere zu viel leiden, denn meine Denkweise erfordert eine kriegerische Seele, ein Wehethun-Wollen, eine Lust am Neinsagen, eine harte Haut, — er würde an offenen und inneren Wunden dahin siechen. Und der Andere wird sich aus jeder Sache, die er vertritt, eine Mittelmässigkeit zurecht machen und sie dergestalt zur Mittelmässigkeit machen, — einen solchen Jünger wünsche ich meinem Feinde.

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Ausserhalb des Hörsaales. — »Um Ihnen zu beweisen, dass der Mensch im Grunde zu den gutartigen Thieren gehört, würde ich Sie daran erinnern, wie leichtgläubig er so lange gewesen ist. Jetzt erst ist er, ganz spät und nach ungeheurer Selbstüberwindung, ein misstrauisches Thier geworden, — ja! der Mensch ist jetzt böser als je.«— Ich verstehe diess nicht: warum sollte der Mensch jetzt misstrauischer und böser sein? — »Weil er jetzt eine Wissenschaft hat, — nöthig hat!»—

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Historia abscondita. — Jeder grosse Mensch hat eine rückwirkende Kraft: alle Geschichte wird um seinetwillen wieder auf die Wage gestellt, und tausend Geheimnisse der Vergangenheit kriechen aus ihren Schlupfwinkeln — hinein in seine Sonne. Es ist gar nicht abzusehen, was Alles einmal noch Geschichte sein wird. Die Vergangenheit ist vielleicht immer noch wesentlich unentdeckt! Es bedarf noch so vieler rückwirkender Kräfte!

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Ketzerei und Hexerei. — Anders denken, als Sitte ist — das ist lange nicht so sehr die Wirkung eines besseren Intellectes, als die Wirkung starker, böser Neigungen, loslösender, isolirender, trotziger, schadenfroher, hämischer Neigungen. Die Ketzerei ist das Seitenstück zur Hexerei und gewiss ebensowenig, als diese, etwas Harmloses oder gar an sich selber Verehrungswürdiges. Die Ketzer und die Hexen sind zwei Gattungen böser Menschen: gemeinsam ist ihnen, dass sie sich auch als böse fühlen, dass aber ihre unbezwingliche Lust ist, an dem, was herrscht (Menschen oder Meinungen), sich schädigend auszulassen. Die Reformation, eine Art Verdoppelung des mittelalterlichen Geistes, zu einer Zeit, als er bereits das gute Gewissen nicht mehr bei sich hatte, brachte sie beide in grösster Fülle hervor.