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Die Rache am Geist und andere Hintergründe der Moral. — Die Moral — wo glaubt ihr wohl, dass sie ihre gefährlichsten und tückischsten Anwälte hat?… Da ist ein missrathener Mensch, der nicht genug Geist besitzt, um sich dessen freuen zu können, und gerade Bildung genug, um das zu wissen; gelangweilt, überdrüssig, ein Selbstverächter; durch etwas ererbtes Vermögen leider noch um den letzten Trost betrogen, den» Segen der Arbeit«, die Selbstvergessenheit im» Tagewerk«; ein Solcher, der sich seines Daseins im Grunde schämt — vielleicht herbergt er dazu ein paar kleine Laster — und andrerseits nicht umhin kann, durch Bücher, auf die er kein Recht hat, oder geistigere Gesellschaft als er verdauen kann, sich immer schlimmer zu verwöhnen und eitel-reizbar zu machen: ein solcher durch und durch vergifteter Mensch — denn Geist wird Gift, Bildung wird Gift, Besitz wird Gift, Einsamkeit wird Gift bei dergestalt Missrathenen — geräth schliesslich in einen habituellen Zustand der Rache, des Willens zur Rache… was glaubt ihr wohl, dass er nöthig, unbedingt nöthig hat, um sich bei sich selbst den Anschein von Ueberlegenheit über geistigere Menschen, um sich die Lust der vollzogenen Rache, wenigstens für seine Einbildung, zu schaffen? Immer die Moralität, darauf darf man wetten, immer die grossen Moral-Worte, immer das Bumbum von Gerechtigkeit, Weisheit, Heiligkeit, Tugend, immer den Stoicismus der Gebärde (- wie gut versteckt der Stoicismus was Einer nicht hat!..), immer den Mantel des klugen Schweigens, der Leutseligkeit, der Milde, und wie alle die Idealisten-Mäntel heissen, unter denen die unheilbaren Selbstverächter, auch die unheilbar Eiteln, herum gehn. Man verstehe mich nicht falsch: aus solchen geborenen Feinden des Geistes entsteht mitunter jenes seltene Stück Menschthum, das vom Volke unter dem Namen des Heiligen, des Weisen verehrt wird; aus solchen Menschen kommen jene Unthiere der Moral her, welche Lärm machen, Geschichte machen, — der heilige Augustin gehört zu ihnen. Die Furcht vor dem Geist, die Rache am Geist — oh wie oft wurden diese triebkräftigen Laster schon zur Wurzel von Tugenden! ja zur Tugend! — Und, unter uns gefragt, selbst jener Philosophen-Anspruch auf Weisheit, der hier und da einmal auf Erden gemacht worden ist, der tollste und unbescheidenste aller Ansprüche, — war er nicht immer bisher, in Indien, wie in Griechenland, vor Allem ein Versteck? Mitunter vielleicht im Gesichtspunkte der Erziehung, der so viele Lügen heiligt, als zarte Rücksicht auf Werdende, Wachsende, auf Jünger, welche oft durch den Glauben an die Person (durch einen Irrthum) gegen sich selbst vertheidigt werden müssen… In den häufigeren Fällen aber ein Versteck des Philosophen, hinter welches er sich aus Ermüdung, Alter, Erkaltung, Verhärtung rettet, als Gefühl vom nahen Ende, als Klugheit jenes Instinkts, den die Thiere vor dem Tode haben, — sie gehen bei Seite, werden still, wählen die Einsamkeit, verkriechen sich in Höhlen, werden weise… Wie? Weisheit ein Versteck des Philosophen vor — dem Geiste? —
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Zwei Arten Ursache, die man verwechselt. — Das erscheint mir als einer meiner wesentlichsten Schritte und Fortschritte: ich lernte die Ursache des Handelns unterscheiden von der Ursache des So- und So-Handelns, des In-dieser Richtung-, Auf-dieses Ziel hin-Handelns. Die erste Art Ursache ist ein Quantum von aufgestauter Kraft, welches darauf wartet, irgend wie, irgend wozu verbraucht zu werden; die zweite Art ist dagegen etwas an dieser Kraft gemessen ganz Unbedeutendes, ein kleiner Zufall zumeist, gemäss dem jenes Quantum sich nunmehr auf Eine und bestimmte Weise» auslöst«: das Streichholz im Verhältniss zur Pulvertonne. Unter diese kleinen Zufälle und Streichhölzer rechne ich alle sogenannten» Zwecke«, ebenso die noch viel sogenannteren» Lebensberufe«: sie sind relativ beliebig, willkürlich, fast gleichgültig im Verhältniss zu dem ungeheuren Quantum Kraft, welches darnach drängt, wie gesagt, irgendwie aufgebraucht zu werden. Man sieht es gemeinhin anders an: man ist gewohnt, gerade in dem Ziele (Zwecke, Berufe u. s. w.) die treibende Kraft zu sehn, gemäss einem uralten Irrthume, — aber er ist nur die dirigirende Kraft, man hat dabei den Steuermann und den Dampf verwechselt. Und noch nicht einmal immer den Steuermann, die dirigirende Kraft… Ist das» Ziel«, der» Zweck «nicht oft genug nur ein beschönigender Vorwand, eine nachträgliche Selbstverblendung der Eitelkeit, die es nicht Wort haben will, dass das Schiff der Strömung folgt, in die es zufällig gerathen ist? Dass es dorthin» will«, weil es dorthin — muss? Dass es wohl eine Richtung hat, aber ganz und gar — keinen Steuermann? — Man bedarf noch einer Kritik des Begriffs» Zweck».
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Vom Probleme des Schauspielers. — Das Problem des Schauspielers hat mich am längsten beunruhigt; ich war im Ungewissen darüber (und bin es mitunter jetzt noch), ob man nicht erst von da aus dem gefährlichen Begriff» Künstler«— einem mit unverzeihlicher Gutmüthigkeit bisher behandelten Begriff — beikommen wird. Die Falschheit mit gutem Gewissen; die Lust an der Verstellung als Macht herausbrechend, den sogenannten» Charakter «bei Seite schiebend, überfluthend, mitunter auslöschend; das innere Verlangen in eine Rolle und Maske, in einen Schein hinein; ein Ueberschuss von Anpassungs-Fähigkeiten aller Art, welche sich nicht mehr im Dienste des nächsten engsten Nutzens zu befriedigen wissen: Alles das ist vielleicht nicht nur der Schauspieler an sich?.. Ein solcher Instinkt wird sich am leichtesten bei Familien des niederen Volkes ausgebildet haben, die unter wechselndem Druck und Zwang, in tiefer Abhängigkeit ihr Leben durchsetzen mussten, welche sich geschmeidig nach ihrer Decke zu strecken, auf neue Umstände immer neu einzurichten, immer wieder anders zu geben und zu stellen hatten, befähigt allmählich, den Mantel nach jedem Winde zu hängen und dadurch fast zum Mantel werdend, als Meister jener einverleibten und eingefleischten Kunst des ewigen Verstecken-Spielens, das man bei Thieren mimicry nennt: bis zum Schluss dieses ganze von Geschlecht zu Geschlecht aufgespeicherte Vermögen herrisch, unvernünftig, unbändig wird, als Instinkt andre Instinkte kommandiren lernt und den Schauspieler, den» Künstler «erzeugt (den Possenreisser, Lügenerzähler, Hanswurst, Narren, Clown zunächst, auch den classischen Bedienten, den Gil Blas: denn in solchen Typen hat man die Vorgeschichte des Künstlers und oft genug sogar des» Genies«). Auch in höheren gesellschaftlichen Bedingungen erwächst unter ähnlichem Drucke eine ähnliche Art Mensch: nur wird dann meistens der schauspielerische Instinkt durch einen andren Instinkt gerade noch im Zaume gehalten, zum Beispiel bei dem» Diplomaten«, — ich würde übrigens glauben, dass es einem guten Diplomaten jeder Zeit noch freistünde, auch einen guten Bühnen-Schauspieler abzugeben, gesetzt, dass es ihm eben» freistünde«. Was aber die Juden betrifft, jenes Volk der Anpassungskunst par excellence, so möchte man in ihnen, diesem Gedankengange nach, von vornherein gleichsam eine welthistorische Veranstaltung zur Züchtung von Schauspielern sehn, eine eigentliche Schauspieler-Brutstätte; und in der That ist die Frage reichlich an der Zeit: welcher gute Schauspieler ist heute nicht — Jude? Auch der Jude als geborener Litterat, als der thatsächliche Beherrscher der europäischen Presse übt diese seine Macht auf Grund seiner schauspielerischen Fähigkeit aus: denn der Litterat ist wesentlich Schauspieler, — er spielt nämlich den» Sachkundigen«, den» Fachmann«. — Endlich die Frauen: man denke über die ganze Geschichte der Frauen nach, — müssen sie nicht zu allererst und — oberst Schauspielerinnen sein? Man höre die Aerzte, welche Frauenzimmer hypnotisirt haben; zuletzt, man liebe sie, — man lasse sich von ihnen» hypnotisiren«! Was kommt immer dabei heraus? Dass sie» sich geben«, selbst noch, wenn sie — sich geben…. Das Weib ist so artistisch…