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Adie stieß ein unangenehmes Grinsen aus. »Sie wird sich nicht gegen ihren Bruder stellen.« Adie legte nachdenklich verwirrt die Stirn in Falten. »Eine merkwürdige Person. Irgend etwas an ihr ist seltsam.«

»Seltsam? Was denn?«

Adie schüttelte den Kopf. »Sie berührt die ganze Zeit ihre Kraft.«

»Die ganze Zeit?«

»Ja. Eine Magierin, oder von mir aus ein Zauberer, setzt seine Kraft nur ein, wenn er sie braucht. Sie ist anders. Sie berührt ihre Kraft ständig. Ich habe nie gesehen, daß sie sich nicht in ihre Kraft gehüllt hätte wie in ihre bunten Lumpen. Sehr seltsam.«

Die beiden verstummten, als Lunetta ächzend vor Anstrengung in die Kutsche geklettert kam. Sie ließ sich auf den Sitz gegenüber fallen und lächelte die beiden freundlich an. Offenbar war sie bei guter Laune. Kahlan und Adie erwiderten das Lächeln. Als die Kutsche mit einem Ruck anfuhr, setzte sich Kahlan zurecht und benutzte die Gelegenheit, einen prüfenden Blick aus dem Fenster zu werfen. Mriswiths sah sie keine, aber das mußte nicht immer etwas heißen.

»Sie sind fort«, sagte Lunetta.

»Bitte?« fragte Kahlan vorsichtig nach.

»Die Mriswiths sind fort.« Alle schnappten nach den Haltegriffen in der Kutsche, als diese über Furchen holperte. »Sie haben uns gesagt, wir sollen alleine Weiterreisen.«

»Wohin?« fragte Kahlan in der Hoffnung, die Frau in ein Gespräch zu verwickeln.

Lunettas Augen leuchteten unter ihren buschigen Brauen auf. »Zum Palast der Propheten.«

Adie machte ein finsteres Gesicht.

»Wir sind keine Hexen.«

Lunetta sah sie erstaunt an.

»Tobias sagt, wir sind streganiche. Tobias ist der Lord General. Tobias ist ein großer Mann.«

»Wir sind keine Hexen«, wiederholte Adie. »Wir sind Frauen, die die Gabe besitzen, die uns geschenkt wurde vom Schöpfer aller Dinge. Der Schöpfer würde uns doch nichts schenken, das von Übel ist, oder?«

Lunetta zögerte keinen Augenblick. »Tobias sagt, der Hüter hätte uns diese schändliche Magie geschenkt. Tobias irrt sich nie.«

Adie lächelte, als sie den zunehmend erbosten Ausdruck auf Lunettas Gesicht bemerkte. »Natürlich nicht, Lunetta. Dein Bruder scheint ein großer, mächtiger Mann zu sein, ganz wie du sagst.« Adie schlug ein Bein übers andere und ordnete ihre Gewänder. »Hast du das Gefühl, böse zu sein, Lunetta?«

Lunetta legte einen Augenblick lang nachdenklich die Stirn in Falten. »Tobias sagt, ich bin böse. Er versucht, mir zu helfen, Gutes zu tun, um den Makel des Hüters auszugleichen. Ich helfe ihm, das Böse auszurotten, damit er das Werk des Schöpfers tun kann.«

Kahlan merkte, daß Adie keinen Schritt weiterkam, außer vielleicht insoweit, als sie Lunetta erzürnte, daher wechselte sie das Thema, bevor die Dinge eskalierten. Schließlich hatte Lunetta die Macht über ihre Halsringe.

»Warst du schon oft im Palast der Propheten?«

»Oh, nein«, meinte Lunetta. »Dies ist das erste Mal. Tobias sagt, der Palast ist ein Haus des Bösen.«

»Warum bringt er uns dann dorthin?« fragte Kahlan beiläufig.

Lunetta zuckte die Achseln. »Die Boten haben gesagt, wir sollen dorthin gehen.«

»Die Boten?«

Lunetta nickte. »Die Mriswiths. Sie sind Boten des Schöpfers. Sie sagen uns, was wir tun sollen.«

Kahlan und Adie verschlug es die Sprache. Schließlich fand Kahlan ihre Stimme wieder. »Wenn es ein Haus des Bösen ist, dann mutet es doch seltsam an, daß der Schöpfer will, daß wir dorthin gehen. Dein Bruder scheint den Boten des Schöpfers nicht zu trauen.« Kahlan hatte gesehen, wie Brogan ihnen finstere Blicke nachgeworfen hatte, als sie im Wald verschwunden waren.

Lunettas kleine, runde Augen huschten zwischen den beiden hin und her. »Tobias sagt, ich soll nicht darüber sprechen.«

Kahlan faltete die Hände über dem Knie. »Du glaubst nicht, daß die Boten deinem Bruder etwas antun würden, nicht wahr? Ich meine, wenn der Palast ein Ort des Bösen ist, wie dein Bruder sagt…«

Die untersetzte Frau beugte sich nach vorn. »Das würde ich nicht zulassen. Mama hat gesagt, ich soll Tobias immer beschützen, weil er wichtiger ist als ich. Tobias ist der Auserwählte.«

»Warum hat deine Mama —«

»Ich glaube, wir sollten jetzt nicht mehr reden«, meinte Lunetta mit drohendem Unterton.

Kahlan ließ sich wieder in ihren Sitz zurücksinken und sah aus dem Fenster. Offenbar gehörte nicht viel dazu, Lunettas Zorn zu erregen. Kahlan entschied, es sei das beste, sie jetzt nicht weiter zu bedrängen. Auf Brogans Drängen hin hatte Lunetta bereits mit der Macht experimentiert, die der Halsring ihr verlieh.

Kahlan sah zu, wie die Gebäude am Fenster vorüberzogen, und versuchte sich vorzustellen, daß Richard hier gewesen war und dieselben Bilder gesehen hatte. Dadurch fühlte sie sich ihm näher, und es nahm ihr ein wenig von der fürchterlichen Sehnsucht in ihrem Herzen.

Richard, mein Liebster, bitte lauf nicht in diese Falle, um mich zu retten. Laß mich sterben. Rette statt dessen die Midlands.

Kahlan hatte eine Vielzahl von Städten gesehen, jede einzelne in den Midlands, und diese hier war wie fast alle anderen. Am Stadtrand gab es baufällige Hütten, viele nicht mehr als Schuppen, die man an einige der älteren Gebäude oder Lagerhäuser angebaut hatte. Auf dem weiteren Weg in die Stadt wurden die Gebäude prunkvoller, und es gab Geschäfte jeder Art. Sie passierten verschiedene große Märkte voller Menschen, die Kleider in leuchtenden Farben trugen.

Über der gesamten Stadt lag das unablässige Schlagen von Trommeln. Es war ein langsamer Rhythmus, der an den Nerven zerrte. Als Lunetta sich umsah, mit den Augen nach den Männern an den Trommeln suchte, erkannte Kahlan, daß ihr dieser Lärm ebenfalls nicht behagte. Brogan ritt jetzt ganz dicht neben der Kutsche, und die Trommeln machten auch ihn offensichtlich nervös.

Wieder schnappten sie alle drei nach den Haltegriffen, als die Kutsche auf eine steinerne Brücke holperte. Beim Fahren über das Pflaster knirschten die Räder laut. Das Geräusch ging an die Nerven. Durch das Fenster sah Kahlan beim Überqueren des Flusses den hochaufragenden Palast.

Die Kutsche hielt in einem weitläufigen Innenhof mit grünen, von Bäumen umsäumten Rasenflächen. Die Männer in den karminroten Capes ringsum saßen aufrecht in ihren Sätteln und machten keinerlei Anstalten abzusteigen.

Plötzlich erschien Brogans säuerliches Gesicht im Fenster. »Aussteigen«, knurrte er. Kahlan wollte aufstehen. »Ihr nicht. Ich meine Lunetta. Ihr könnt bleiben, wo Ihr seid, bis man Euch sagt, daß Ihr Euch rühren sollt.« Er strich sich mit den Knöcheln über seinen Schnäuzer. »Über kurz oder lang werdet Ihr mir gehören. Dann werdet Ihr für Eure schmutzigen Verbrechen bezahlen.«

»Die Mriswiths werden nicht zulassen, daß ihr kleines Schoßhündchen mich bekommt«, sagte Kahlan. »Der Schöpfer wird nicht zulassen, daß so einer wie Ihr mich mit seinen dreckigen Händen anfaßt. Ihr seid nicht mehr wert als der Dreck unter den Fingernägeln des Hüters, und das weiß der Schöpfer. Er kann Euch nicht ausstehen.«

Kahlan spürte einen brennenden Schmerz in den Beinen, der vom Halsring ausging und sie bewegungsunfähig machte, und dazu ein Stechen in der Kehle, das ihr die Stimme nahm. Lunettas Augen funkelten. Aber Kahlan hatte gesagt, was ihr auf der Seele lag.

Wenn Brogan sie tötete, würde Richard nicht kommen, sie zu retten.

Brogans Augen traten vor, und sein Gesicht wurde so rot wie sein Cape. Er biß die Zähne aufeinander. Plötzlich griff er in die Kutsche, wollte sie packen. Lunetta ergriff seine Hand, als hätte er sie ihr gereicht.

»Helft Ihr mir herunter, mein Lord General? Meine Hüfte schmerzt von der holprigen Fahrt. Der Schöpfer war so gütig, Euch soviel Kraft zu schenken, mein Bruder. Hört auf das, was er sagt.«

Kahlan versuchte zu schreien, ihn zu verspotten, aber ihre Stimme ließ sie im Stich. Lunetta hinderte sie daran, auch nur ein einziges Wort herauszubringen.