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Die Lebensdauer hängt von der Wahrnehmung ab. Wenn eine Maus mit einer Lebensdauer von nur wenigen Jahren die Magie besäße, mein Leben ebenso kurz zu machen wie ihres, käme dies in meiner Wahrnehmung meiner Ermordung gleich, auch wenn die Maus den Eindruck hätte, sie ließe mir nicht weniger als die sonst übliche Lebensdauer. Das war es, was Nathan meinte, als er sagte, du würdest ihn umbringen.

Es würde bedeuten, das Leben der Schwestern auf dieselbe Dauer wie das der anderen Menschen zu verkürzen. In Anbetracht ihrer Erwartungen und des Eides, den sie geleistet haben, wäre dies das gleiche, als würde man sie töten, bevor sie Gelegenheit hatten zu leben. Ich werde es nicht tun.«

»Wenn ich muß, Zauberer Zorander, werde ich den Halsring benutzen, um dir Schmerzen zuzufügen, bis du einwilligst.«

Er grinste geziert. »Du hast keine Vorstellung von den Schmerzensprüfungen, die ich bestanden habe, um Zauberer Erster Ordnung zu werden. Bitte, versuch dich nur an mir.«

Ann preßte verzweifelt die Lippen zusammen. »Aber du mußt! Ich habe dir einen Ring um den Hals gelegt! Ich habe schreckliche Dinge getan, nur um dich so wütend zu machen, daß du es tust! In der Prophezeiung heißt es, der Zorn eines Zauberers sei nötig, um unser Zuhause zu zerstören!«

»Du behandelst mich wie einen Tanzfrosch.« Er brachte sein Gesicht dichter an ihres heran. »Ich tanze nur, wenn ich die Melodie kenne.«

Ann sackte verzweifelt in sich zusammen. »Die Wahrheit ist, daß Kaiser Jagang den Palast der Propheten für seine eigenen Zwecke übernehmen will. Er ist ein Traumwandler und hat die Macht über die Gedanken der Schwestern der Finsternis. Er will die Prophezeiungen dazu benutzen, die Gabelungen zu finden, die er braucht, um den Krieg zu gewinnen. Dann wird er Hunderte von Jahren unter dem Schutz des Banns leben und die Welt und alle darin beherrschen, als wären sie sein Eigentum.«

Zedd musterte sie mit finsterer Miene. »Also, das bringt mein Blut zum Kochen. Das ist nun wirklich ein Grund, für den es sich lohnt, den Palast zu zerstören. Verdammt, Frau, warum hast du mir nicht von Anfang an die Wahrheit gesagt?«

»Nathan und ich haben Hunderte von Jahren an dieser Gabelung in den Prophezeiungen gearbeitet. Die Prophezeiung besagt, daß ein Zauberer den Palast in einem Wutanfall dem Erdboden gleichmachen wird. Ein Scheitern wäre eine zu düstere Aussicht. Daher tat ich das, was meiner Vermutung nach funktionieren würde. Ich versuchte, dich so wütend zu machen, daß du den Palast der Propheten zerstörst.« Ann rieb sich die müden Augen. »Es war eine Verzweiflungstat, die aus einer verzweifelten Notlage heraus erfolgte.«

Zedd grinste. »Eine Verzweiflungstat. Das gefällt mir. Ich mag Frauen, die das gelegentliche Bedürfnis nach einer Verzweiflungstat zu würdigen wissen. Das beweist Charakter.«

Ann riß an seinem Ärmel. »Dann wirst du es also tun? Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Trommeln haben aufgehört. Jagang kann jeden Augenblick hier sein.«

»Ich werde es tun. Wir sollten aber besser zurück in die Nähe des Eingangs gehen.«

Als sie wieder in der Nähe der riesigen runden Tür zu den Gewölbekellern waren, griff Zedd in eine Tasche und zog etwas hervor, das wie ein Stein aussah. Er warf ihn auf den Boden.

»Was ist das?«

Zedd sah über seine Schulter. »Nun, ich vermute, du hast Nathan gesagt, er soll ein Lichtnetz auswerfen.«

»Ja. Außer Nathan, einigen Schwestern und mir selbst weiß niemand, wie man ein Lichtnetz spinnt. Ich glaube, Nathan verfügt über genügend Kraft, den äußeren Knotenpunkt zu durchbrechen, sobald der innere angegriffen wurde, aber ich weiß, daß keiner von uns die Kraft hat, die hier erforderlich ist. Deswegen mußte ich dich an diesen Ort bringen. Ich fürchte, nur ein Zauberer der Ersten Ordnung besitzt die Kraft, die dazu nötig ist.«

»Tja, ich werde mein Bestes geben«, brummte Zedd, »aber ich muß dir sagen, Ann, so anfällig ein Knotenpunkt sein mag, es handelt sich immer noch um einen Bann, den Zauberer eingerichtet haben, deren unermeßliche Kraft ich nur ahnen kann.«

Er machte eine kreisende Bewegung mit dem Finger, und der Stein vor ihm auf dem Boden wuchs knackend und knisternd zu einem breiten, flachen Fels heran. Auf diesen stieg er.

»Verschwinde. Geh und warte draußen. Sieh nach, ob Holly in Sicherheit ist, während ich hier beschäftigt bin. Wenn irgend etwas schiefgeht und ich die Lichtkaskade nicht kontrollieren kann, hast du keine Zeit mehr, von hier zu verschwinden.«

»Eine Verzweiflungstat, Zedd?«

Er antwortete mit einem Brummen, drehte sich wieder zum Raum um und hob seine Arme. Schon stiegen funkelnde Farben aus dem Fels empor und hüllten ihn in kreisende Balken summenden Lichts.

Ann hatte von Zaubererfelsen gehört, nie jedoch einen gesehen und wußte nicht, wie sie funktionierten. Sie konnte die Kraft spüren, die von dem alten Zauberer auszuströmen begann, nachdem er auf das Ding geklettert war.

Eilig verließ sie den Gewölbekeller, wie er es gewünscht hatte. Sie wußte nicht genau, ob sie den Raum zu ihrer eigenen Sicherheit verlassen sollte oder nur, damit sie nicht sah, wie er so etwas machte. Zauberer neigten gelegentlich dazu, ihre Geheimnisse zu hüten.

Holly schlang Ann ihre dünnen Arme um den Hals, als sich diese vor der dunklen Nische hinhockte.

»Ist jemand vorbeigekommen?«

»Nein, Ann«, flüsterte Holly

»Gut. Mach mir ein bißchen Platz, und dann warten wir, bis Zauberer Zorander mit seiner Arbeit fertig wird.«

»Er brüllt ziemlich viel und sagt viele schlimme Wörter, und er fuchtelt mit den Armen herum, als wollte er ein Unwetter heraufbeschwören, aber ich glaube, er ist nett.«

»Ich glaube, dich stechen immer noch die Schneeflöhe.« Ann mußte in der Dunkelheit des winzigen Verstecks im Fels schmunzeln. »Aber wahrscheinlich hast du sogar recht.«

»Meine Großmutter wurde manchmal böse, zum Beispiel, wenn Leute uns etwas antun wollten. Aber dann sah man sofort, daß es ihr wirklich ernst war. Zauberer Zorander hat es nicht wirklich ernst gemeint. Er tut nur so.«

»Du bist scharfsinniger, als ich es war, Kind. Du wirst eine prächtige Schwester des Lichts abgeben.«

Ann drückte Hollys Kopf an ihre Schulter, während sie in der Stille warteten. Hoffentlich beeilte sich der Zauberer. Wenn man sie in den Gewölbekellern erwischte, gab es kein Entrinnen, und ein Kampf mit den Schwestern der Finsternis würde trotz seiner Kraft sehr gefährlich werden.

Die Zeit zog sich quälend zäh dahin. An ihrem langsamen, gleichmäßigen Atem merkte Ann, daß Holly an ihrer Schulter eingeschlafen war. Das arme Ding hatte lange Zeit nicht genug Schlaf bekommen — wie keiner von ihnen, während sie sich tagsüber und auch den größten Teil der Nacht abgehetzt hatten, um rechtzeitig Tanimura zu erreichen und vor Jagang im Palast zu sein. Sie waren alle erschöpft.

Ann schreckte hoch, als jemand an der Schulter ihres Kleides zupfte. »Verschwinden wir von hier«, flüsterte Zedd.

Holly hinter sich herziehend, zwängte sie sich wieder aus ihrem Versteck hervor. »Hat es geklappt?«

Zedd, der mehr als gereizt wirkte, warf einen Blick nach hinten durch die riesige runde Tür, die in die Gewölbekeller führte.

»Ich bekomme das verdammte Ding nicht in Gang. Es ist, als wollte man unter Wasser ein Feuer anzünden.«

Sie packte sein Gewand mit einer Faust. »Zedd, wir müssen es tun.«

Er blickte sie beunruhigt an. »Ich weiß. Aber die, die dieses Netz gesponnen haben, hatten Subtraktive Magie. Ich habe nur Additive. Ich habe alles versucht, was ich kann. Das Netz rings um diesen Palast ist so fest, daß es mir nicht gelingt, eine Bresche hineinzuschlagen. Es ist unmöglich. Tut mir leid.«

»Ich habe ein Lichtnetz im Palast gewoben. Es ist möglich.«

»Ich habe nicht gesagt, ich hätte keines gewebt, ich kann es nicht entzünden. Jedenfalls nicht hier unten am Knotenpunkt.«

»Du hast versucht, es zu entzünden? Bist du verrückt?«

Er zuckte mit den Achseln. »Eine Verzweiflungstat, erinnerst du dich? Ich hatte den Verdacht, daß es nicht funktionieren würde, also mußte ich es ausprobieren. Das war auch gut so, sonst hätten wir geglaubt, es werde funktionieren. Das ist nicht der Fall. Es läßt sich nur mit einem Leben entzünden. Es will sich nicht entfalten und den Bann zerstören.«