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Adie trat zwischen den anderen hindurch und ergriff Richards Hände. »Wie geht es Zedd?«

Richard blieben die Worte in der Kehle stecken. Er schloß gequält die Augen. »Tut mir leid, Adie, aber ich bin meinem Großvater nicht begegnet. Ich fürchte, er könnte in der Burg getötet worden sein.«

Adie wischte sich über die Wange und räusperte sich. »Das tut mir leid, Richard«, sagte sie mit leise schnarrender Stimme. »Dein Großvater ist ein guter Mensch. Aber er riskiert zuviel in hoffnungslosen Situationen. Ich habe ihn gewarnt.«

Richard umarmte die alte Magierin, die leise an seiner Brust weinte.

Vom Tor stürzte Kevin herbei, das Schwert in der Hand. »Entweder brechen wir jetzt auf, oder wir müssen kämpfen.«

»Geht«, meinte Richard. »Wenn ihr in dieser Schlacht umkommt, werden wir diesen Krieg nicht gewinnen. Wir müssen nach unseren Regeln kämpfen, nicht nach Jagangs. Er wird auch Menschen mit der Gabe bei sich haben, nicht bloß Soldaten.«

Verna drehte sich zu den versammelten Schwestern, Novizinnen und jungen Zauberern um. Sie ergriff die Hände zweier junger Frauen, die Rückhalt offensichtlich gebrauchen konnten. »Hört zu, ihr alle. Jagang ist ein Traumwandler. Der einzige Schutz sind die Bande, die uns Richard gegenüber in die Pflicht nehmen. Richard wurde mit der Gabe geboren, und mit einer Magie, die von seinen Vorfahren auf ihn überging und die vor Traumwandlern schützt. Leoma hat versucht, diese Bande zu zerstören, so daß Jagang in meinen Verstand vordringen und von mir Besitz ergreifen konnte. Bevor wir aufbrechen, verneigt euch alle und schwört Richard die Treue, damit ihr sicher sein könnt, daß wir alle vor unserem Feind geschützt sind.«

»Wenn dies euer Wunsch ist«, sagte Richard, »dann tut es so, wie von Alric Rahl, dem Mann, der die Bande schuf, schriftlich festgehalten. Wenn dies euer Wunsch ist, dann bitte ich euch, das andächtige Gebet so vorzutragen, wie es überliefert wurde und wie es gedacht war.«

Richard sagte ihnen die Worte, so wie er sie selbst auch gesprochen hatte. Dann stand er schweigend da, das Gewicht der Verantwortung spürend, nicht nur den Versammelten gegenüber, sondern auch den Tausenden in Aydindril, die ihn brauchten, während die Schwestern des Lichts und ihre Schutzbefohlenen auf die Knie fielen und wie aus einem Munde ihre Treue verkündeten, daß es hinausschallte in die Nacht und den Schlachtlärm übertönte.

»Herrscher Rahl, führe uns. Herrscher Rahl, lehre uns. Herrscher Rahl, beschütze uns. In deinem Licht gedeihen wir. In deiner Gnade finden wir Schutz. Deine Wahrheit erfüllt uns mit Demut. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört Dir.«

51

Richard drückte Kahlan in dem modrigen, dunklen Steinkorridor an eine Wand und wartete, bis der Trupp Soldaten in karminroten Capes die Kreuzung passiert hatte. Als das Echo ihrer Stiefel in der Ferne verhallte, stellte Kahlan sich auf die Zehenspitzen und flüsterte: »Hier unten gefällt es mir nicht. Werden wir hier jemals wieder lebend rauskommen?«

Er drückte ihr rasch einen Kuß auf die Sorgenfalten auf ihrer Stirn. »Natürlich werden wir hier lebend wieder rauskommen. Versprochen.« Er ergriff ihre Hand und duckte sich unter einem niedrigen Balken hinweg. »Komm weiter, die Gewölbekeller sind gleich vor uns.«

Das Mauerwerk des zugigen Durchgangs war übersät von blaßgelben Flecken, wo das Wasser aus den Fugen über die Steinquader sickerte. An verschiedenen Stellen hingen Wassertropfen von eidotterfarbenen Stalaktiten unter der Decke herab, um gelegentlich auf geriffelte, steinerne Erhebungen auf dem Boden hinunterzufallen. Hinter zwei Fackeln wurde der Durchgang breiter, und die Decke wurde höher, um die gewaltige runde Tür zu den Gewölbekellern aufzunehmen. Als sie in Sichtweite der sechs Fuß dicken Steintür kamen, wußte Richard, daß etwas nicht stimmte. Nicht nur, daß er hinter der Tür ein unheimliches Licht erkennen konnte, sondern die Härchen in seinem Nacken sträubten sich, und er spürte die leise Berührung der Magie auf seinen Armen, wie Spinnenweben, die die Haare streiften.

Er rieb sich die kribbelnden Arme und beugte sich näher. »Spürst du etwas Eigenartiges?«

Sie schüttelte den Kopf. »Aber mit dem Licht stimmt etwas nicht.«

Kahlan zögerte. Richard erblickte die Leiche im selben Augenblick, als sie sich der runden Öffnung näherten, die in die Gewölbekeller führte. Weiter vorne lag eine Frau zusammengerollt auf dem Boden, als schliefe sie. Aber Richard wußte, daß sie nicht schlief. Sie war so regungslos wie Stein.

Als sie näher herangingen, konnten sie hinter der Mauer zur Rechten nahezu ein Dutzend Soldaten des Lebensborns verstreut auf dem Boden liegen sehen. Richard zuckte zusammen, als er das sah, und Übelkeit erfaßte ihn. Jeder einzelne war säuberlich mitsamt Rüstung, Cape und allem anderen in der Mitte der Brust durchtrennt worden. Der Fußboden war ein See aus Blut.

Seine Anspannung wuchs mit jedem zögerlichen Schritt, mit dem er auf die runde Öffnung im Felsgestein zutrat.

»Hör zu, ich muß zuerst etwas besorgen. Es dauert nur ein paar Minuten.«

Kahlan zerrte ihn am Ärmel zurück. »Du kennst doch die Regel.«

»Welche Regel?«

»Du darfst dich für den Rest deines Lebens nicht weiter als zehn Fuß von mir entfernen, sonst werde ich böse.«

Richard sah ihr in ihre grünen Augen. »Böse bist du mir lieber als tot.«

Sie zog die Brauen herab und setzte eine finstere Miene auf. »Das denkst du jetzt nur. Ich habe zu lange darauf gewartet, bei dir zu sein, um dich jetzt alleine losziehen zu lassen. Was ist so wichtig, daß du dort hineingehen willst? Wir können versuchen, etwas von hier draußen zu machen — Fackeln hineinwerfen, das Ganze in Brand stecken, irgendwas. All das Papier müßte brennen wie Zunder. Wir müssen dort nicht hinein.«

Richard lächelte. »Habe ich dir je gesagt, wie sehr ich dich liebe?«

Sie gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Red schon. Wozu riskieren wir unser Leben?«

Richard gab seufzend nach. »Ganz hinten gibt es ein Buch der Prophezeiungen, das über dreitausend Jahre alt ist. Darin stehen Prophezeiungen, die mich betreffen. Es hat mir schon einmal geholfen. Wenn wir all diese Bücher zerstören, möchte ich wenigstens dieses eine mitnehmen. Vielleicht hilft es uns noch einmal.«

»Was steht dort über dich?«

»Ich werde dort fuer grissa ost drauka genannt.«

»Was bedeutet das?«

Richard drehte sich zum Gewölbekeller um. »Der Bringer des Todes.«

Sie schwieg einen Augenblick lang. »Und wie kommen wir bis nach hinten?«

Richard ließ den Blick über die toten Soldaten wandern. »Aufrecht gehen dürfen wir ganz sicher nicht.« Er hielt seine Hand in Brusthöhe. »Irgend etwas hat sie etwa in dieser Höhe durchtrennt. Was immer wir tun, wir dürfen uns nicht aufrichten.«

Ungefähr in der angegebenen Höhe hing eine hauchdünne Schicht wie ein zarter Rauchschleier im Raum mit den Gewölben. Er schien zu glühen, so als würde er hell angestrahlt. Richard konnte aber nicht erkennen, was das war.

Auf Händen und Knien krochen sie in den Gewölbekeller hinein, unter den eigenartigen, feinen Hauch aus Licht. Bis sie die Regale erreichten, hielten sie sich in der Nähe der Wand, damit sie nicht durch die Blutlachen hindurchkriechen mußten. Von unten wirkte der leuchtende Nebel noch eigenartiger. Ganz offensichtlich war er anders als jeder Nebel oder Rauch, den Richard bislang gesehen hatte. Er schien aus Licht zu bestehen.

Ein knirschendes Geräusch ließ sie erstarren. Richard blickte über die Schulter und sah, wie die sechs Fuß dicke Tür langsam nach innen schwang. Seiner Einschätzung nach konnten sie sich so sehr beeilen, wie sie wollten, sie würden es nicht mehr zurückschaffen, bevor die Tür ganz geschlossen war.

Kahlan wandte sich von der Tür ab. »Sind wir hier drinnen eingesperrt? Wie sollen wir wieder hinauskommen? Gibt es noch einen anderen Ausgang?«