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Einen nach dem anderen streckten unsere Klingen zwischen uns und der mit Schnitzereien versehenen Bank aus Sorapusholz zu Boden. Sogleich schwärmten andere herbei, um die Lücke erneut zu füllen, doch Zoll für Zoll, Fuß für Fuß kamen wir unserem Ziel näher.

Bald wurde aus einem nahegelegenen Teil der Zuschauerreihen ein Ruf laut. »Erhebt euch, Sklaven! Erhebt euch, Sklaven!« Er schwoll an und verebbte wieder, schwoll immer weiter an und schallte schließlich in großen Wogen durch das ganze Amphitheater.

Einen Augenblick lang hielten wir inne, als hätten wir uns abgesprochen, um festzustellen, was dieses neue Element im Kampf bedeutete. Sofort war uns klar, was geschehen war. In allen Teilen des Bauwerkes nahmen die Sklavinnen, was ihnen zuerst in die Hände geriet, und fielen über ihre Herren her. Hier schnappte sich eine hübsche Sklavin den Dolch aus der Ausrüstung ihrer Herrin, fuhr damit nach oben – seine einst schimmernde Klinge rot von dem Blut der frühreren Besitzerin. Schwerter ragten aus den umherliegenden Leichen, sowie schwerer Schmuck, der als Waffe genutzt worden war – mit derartigen Gerätschaften übten diese hübschen Frauen nun die langersehnte Vergeltung, die sie allenfalls nur teilweise für die unaussprechlichen Grausamkeiten und Erniedrigungen entschädigen konnte, mit denen ihre schwarzen Herren sie überhäuft hatten. Und jene, die keine anderen Waffen fanden, kämpften mit ihren starken Fingern und glänzenden Zähnen.

Der Anblick bereitete einem gleichzeitig Schauder und Freude. Doch binnen einer Sekunde hatten wir wieder mit uns selbst zu tun, und nur der unaufhörliche Schlachtruf der Frauen: »Erhebt euch, Sklaven! Erhebt euch, Sklaven!« erinnerte daran, daß sie noch immer kämpften.

Nur eine einzige, dünne Reihe trennte uns nun noch von Issus. Deren Gesicht war blau vor Angst. Schaum bedeckte ihre Lippen. Die Angst schien sie förmlich zu lähmen. Nur der Junge und ich kämpften noch. Alle anderen waren gefallen, und auch mich hätte beinah der gemeine Stoß eines langen Schwertes zu Boden gestreckt, wenn nicht eine Hand über die Schulter meines Gegners gelangt und ihn am Ellenbogen gepackt hätte, als die Klinge über mir herabging. Sofort sprang der Junge neben mich und rammte meinem Widersacher das Schwert in den Leib, bevor er noch einmal zustoßen konnte.

Auch dann war ich noch nicht gerettet, da mein Schwert im Brustknochen eines Dators der Erstgeborenen feststeckte. Als der Mann darniedersank, griff ich nach seinem Schwert und blickte über den Liegenden direkt in die Augen desjenigen, dessen schnelle Hand mich vor dem ersten Schwertstoß gerettet hatte – es war Phaidor, die Tochter von Matai Shang.

»Flieh, mein Prinz!« rief sie. »Es ist sinnlos, länger gegen sie zu kämpfen. Alle in der Arena sind tot. Von jenen, die den Thron angegriffen haben, lebt außer dir und dem Jungen keiner mehr. Nur bei den Zuschauerreihen sind einige deiner Kämpfer noch am Leben, doch auch sie und die Sklavinnen werden zusehends überwältigt. Hör doch! Der Kampfesruf der Sklavinnen ist kaum noch zu vernehmen, denn fast alle sind tot. Jedem von euch stehen im Lande der Erstgeborenen zehntausend Schwarze gegenüber. Versucht, ins freie Land und nach Korus durchzubrechen. Mit deinem mächtigen Schwert könnte es dir gelingen, zu den Goldenen Felsen und den Tempelgärten der Heiligen Therns vorzudringen. Berichte dort deine Geschichte meinem Vater, Matai Shang. Er wird dich schützen. Gemeinsam findet ihr bestimmt einen Weg, mich zu befreien. Flieh, solange es überhaupt noch möglich ist!«

Doch darin bestand nicht mein Auftrag, ferner sah ich nicht, welche Vorteile die grausame Gastfreundschaft der Heiligen Therns gegenüber jener der Erstgeborenen haben sollte.

»Nieder mit Issus!« rief ich, und erneut machten der Junge und ich uns an die Arbeit. Zwei Schwarze sanken von unseren Schwertern durchbohrt zu Boden, und wir standen Angesicht zu Angesicht Issus gegenüber. Als mein Schwert nach oben ging, um ihrer entsetzlichen Laufbahn ein Ende zu bereiten, verlor sie ihre Lähmung. Mit einem durchdringenden Schrei fuhr sie herum und wollte fliehen. Direkt hinter ihr gähnte mit einemmal ein schwarzes Loch im Boden des Podiums. Sie sprang darauf zu, dicht gefolgt von mir und dem Jungen. Der Schrei alarmierte ihre Wache, die nun aus allen Richtungen auf uns zustürmte. Ein Schlag traf den Jungen am Kopf. Er stolperte und wäre gestürzt, wenn ich ihn nicht mit dem linken Arm aufgefangen hätte. Als ich mich wieder umwandte, sah ich mich einer wütenden Menge religiöser Fanatiker gegenüber, die angesichts des Angriffes auf ihre Göttin außer sich geraten waren, just in dem Moment, als Issus in den schwarzen Tiefen unter mir verschwand.

12. Zum Tode verurteilt

Einen Augenblick blieb ich stehen, bevor sie über mich herfielen, doch dann ließ mich ihr Ansturm ein, zwei Schritte zurückweichen. Mein Fuß tastete nach dem Boden, trat jedoch ins Leere. Ich befand mich an der Öffnung, in der Issus verschwunden war. Eine Sekunde lang hielt ich die Balance, dann zog es mich mit dem Jungen in den Armen rückwärts in den schwarzen Abgrund.

Wir landeten auf einer glatten Rinne und schossen nach unten. Die Klappe über uns schloß sich ebenso magisch, wie sie sich geöffnet hatte. Unversehrt gelangten wir in einem schwach beleuchteten Gemach tief unter der Arena an.

Das erste, was ich sah, als ich mich erhob, war die boshafte Miene von Issus, die mich durch die schweren Eisenstangen einer Gittertür auf der anderen Seite des Raumes anstarrte.

»Tollkühner Sterblicher!« kreischte sie. »Du sollst in dieser geheimen Zelle aufs schrecklichste für deine Gotteslästerungen bestraft werden. Hier sollst du allein dein Dasein neben dem verwesenden Leichnam deines Gefährten in der Dunkelheit fristen, bis du, durch Einsamkeit und Hunger wahnsinnig, dich von den Maden ernährst, die aus dem gekrochen kommen, was einst ein Mensch gewesen ist.«

Das war alles. Im nächsten Augenblick war sie verschwunden, und das Halbdunkel des Raumes wich einer pechschwarzen Finsternis.

»Nette alte Dame«, vernahm ich eine Stimme neben mir. »Wer spricht da?« fragte ich.

»Ich, dein Gefährte, der an diesem Tag die Ehre hatte, Seite an Seite mit dem größten Krieger zu kämpfen, der mit seinem Metall je auf Barsoom gekämpft hat.«

»Gott sei Dank, daß du nicht tot bist. Ich habe wegen dem schrecklichen Schlag, den man dir versetzt hat, schon das Schlimmste befürchtet«, entgegnete ich.

»Er hat mich nur ohnmächtig gemacht«, erwiderte er. »Es ist lediglich ein Kratzer.«

»Vielleicht wäre der andere Fall besser gewesen«, sagte ich. »Wir sitzen ganz schön in der Klemme und scheinen beste Aussichten zu haben, an Hunger und Durst zugrunde zu gehen.«

»Wo sind wir?«

»Unter der Arena«, entgegnete ich. »Wir sind in den Schacht gestürzt, in den sich Issus rettete, als wir sie schon beinahe hatten.«

Er lachte leise vor Freude und Erleichterung, tastete dann durch die pechschwarze Finsternis nach meiner Schulter und zog mich zu sich.

»Besser könnte es gar nicht sein«, flüsterte er mir ins Ohr. »Auch die Geheimnisse von Issus haben Geheimnisse, von denen Issus nicht einmal träumt.«

»Was meinst du?«

»Vor einem Jahr habe ich mit den anderen Sklaven hier am Ausbau dieser unterirdischen Gänge gearbeitet. Dabei stießen wir weiter unten auf ein uraltes System von Gängen und Gemächern, das seit Jahrhunderten fest verschlossen war. Die Schwarzen, die mit der Angelegenheit betraut worden waren, erforschten sie und nahmen einige von uns für eventuell anfallende Arbeiten mit. Ich kenne mich hier aus. Über Meilen hinweg führen Gänge unter den Gärten und sogar dem Tempel selbst entlang. Es gibt einen Weg nach unten, durch den man zu dem unterirdischen Wasserweg in Richtung Omean gelangt. Gelingt es uns, unentdeckt zum U-Boot zu kommen, könnten wir zum Meer fliehen, wo es viele Inseln gibt, die die Schwarzen niemals aufsuchen. Dort könnten wir eine Zeitlang leben, und wer weiß, vielleicht findet sich dort etwas, das uns auf der Flucht von Nutzen ist?«