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»Du weißt folglich sehr gut, mein Freund, daß Zat Arrras guten Grund hat, mich zu hassen«, sagte ich lächelnd. »Nichts würde ihn mehr erfreuen, als mich zu erniedrigen und dann zu töten. Da er nun eine so ausgezeichnete Entschuldigung hat, laßt uns gehen und sehen, ob er den Mut hat, sie auszunutzen.«

Wir riefen Carthoris, Tars Tarkas und Xodar herbei, begaben uns mit Kantos Kan und Zat Arrras’ Offizier auf den kleinen Flieger und traten einen Augenblick später an Deck von Zat Arrras’ Flaggschiff.

Als wir uns dem Jed von Zodanga näherten, ging nicht ein Zeichen des Grußes oder des Erkennens über sein Gesicht, nicht einmal Carthoris würdigte er eines freundlichen Wortes. Seine Haltung war kalt, hochmütig und abweisend.

»Kaor, Zat Arrras«, grüßte ich, erhielt jedoch keine Antwort.

»Warum wurden diese Gefangenen nicht entwaffnet?« wandte er sich an Kantos Kan.

»Sie sind keine Gefangenen, Zat Arrras«, entgegnete der Offizier. »Zwei von ihnen sind Angehörige der vornehmsten Familie von Helium. Tars Tarkas, Jeddak von Thark, ist der beste Verbündete und Freund von Tardos Mors. Der andere ist ein Freund und Begleiter des Prinzen von Helium – mehr brauche ich nicht zu wissen.«

»Aber ich«, erwiderte Zat Arrras scharf. »Von denjenigen, die die Pilgerfahrt auf sich genommen haben, möchte ich schon mehr hören als ihre Namen. Wo bist du gewesen, John Carter?«

»Ich komme geradewegs aus dem Tal Dor und aus dem Land der Erstgeborenen, Zat Arrras«, entgegnete ich.

»Ah!« rief er in offenkundigem Triumph aus. »Du leugnest es demzufolge nicht einmal. Du hast dich der Umarmung von Iss entzogen?«

»Ich komme aus einem Land der falschen Hoffnungen, aus dem Tal der Qualen und des Todes. Gemeinsam mit meinen Gefährten bin ich den fürchterlichen Klauen verlogener Fanatiker entkommen. Ich bin nach Barsoom zurückgekehrt, dem ich ein stilles Dahingehen erspart habe, um es erneut zu retten, doch diesmal vor dem Tod in seiner schrecklichsten Form.«

»Schweig, Gotteslästerer!« schrie Zat Arrras. »Du brauchst nicht zu hoffen, deinen feigen Kadaver durch scheußliche Lügen zu retten – «

Doch er kam nicht weiter. Man nennt John Carter nicht so einfach ›Feigling‹ und ›Lügner‹, und das hätte Zat Arrras auch wissen müssen. Bevor mich jemand zurückhalten konnte, war ich bei ihm und hatte ihn an der Kehle gepackt.

»Ob ich nun aus dem Himmel oder aus der Hölle komme, Zat Arrras, du wirst feststellen, daß ich noch immer derselbe John Carter bin wie früher. Niemand hat je solche Dinge zu mir gesagt und ist am Leben geblieben – ohne sich zu entschuldigen.« Damit begann ich ihn rückwärts über mein Knie zu beugen und meinen Würgegriff zu verstärken.

»Packt ihn!« schrie Zat Arrras, und ein Dutzend Offiziere sprangen nach vorn, um ihm zu Hilfe zu kommen.

Kantos Kan trat zu mir und flüsterte mir zu: »Gib nach, ich bitte dich. Es wird nur uns alle hineinziehen, denn ich kann nicht tatenlos mitansehen, wie diese Männer die Hände an dich legen. Meine Offiziere und Mannschaften werden sich hinter mich stellen, und dann kommt es zur Meuterei, die zu einer Revolution führen kann. Um Tardos Mors und Helium willen, gib nach!«

Bei seinen Worten ließ ich Zat Arrras los, wandte ihm den Rücken zu und schritt zur Reling des Schiffes.

»Komm, Kantos Kan«, sagte ich. »Der Prinz von Helium möchte auf die Xavarian zurückkehren.«

Niemand widersprach. Zat Arrras stand kreidebleich und zitternd inmitten seiner Offiziere. Einige von ihnen blickten ihn verachtungsvoll an und wandten sich mir zu, während ein Mann, der lange in den Diensten von Tardos Mors gestanden und sein Vertrauen besessen hatte, als ich an ihm vorbeiging, leise zu mir sagte: »Du kannst mein Metall zu dem deiner Krieger zählen, John Carter.«

Ich dankte ihm und schritt weiter. Schweigend begaben wir uns an Bord des kleinen Fliegers und befanden uns kurz darauf wieder an Deck der Xavarian. Fünf Minuten später kam vom Flaggschiff der Befehl, nach Helium weiterzusegeln.

Unsere Reise dorthin verlief ereignislos. Carthoris und ich hingen düstersten Gedanken nach. Auch Kantos Kan war schwermütig, offenbar angesichts des kommenden Unglücks, das über Helium hereinbrechen würde, falls Zat Arrras versuchte, der jahrhundertealten Vorschrift zu folgen, nach der Flüchtige aus dem Tal Dor auf schrecklichste Weise zu Tode gebracht wurden. Tars Tarkas machte sich Sorgen um seine Tochter. Xodar allein war aller Sorgen ledig – einem Flüchtling und Verbrecher konnte es in Helium nicht schlechter ergehen als anderswo.

»Hoffen wir, daß wir zumindest mit bluttriefenden Klingen darniedergehen«, sagte er. Es war ein einfacher Wunsch, und höchstwahrscheinlich auch einer, der berücksichtigt werden würde.

Ich glaubte festzustellen, daß sich die Offiziere der Xavarian in zwei Lager teilten. Da waren jene, die sich um Carthoris und mich scharten, wann immer sich Gelegenheit dazu ergab, während sich genauso viele von uns fernhielten. Zwar behandelten sie uns mit ausgesuchter Höflichkeit, doch offensichtlich hingen sie voller Aberglauben an der Lehre von Dor, Iss und Korus. Ich konnte es ihnen nicht verübeln, denn ich wußte, welch tiefen Halt eine Weltanschauung, wie lächerlich sie auch sein mochte, bei sonst sehr intelligenten Menschen finden kann.

Mit unserer Rückkehr aus Dor begingen wir Gotteslästerung. Indem wir unsere Abenteuer berichteten und die Fakten so darstellten, wie sie waren, mißachteten wir die Religion ihrer Vorväter. Wir waren Gotteslästerer – Ketzer und Lügner. Sogar jene, die noch aus persönlicher Liebe und Treue zu uns hielten, zweifelten an unserer Aufrichtigkeit. Es fällt den Menschen bereits schwer, eine neue Religion anstelle einer alten zu akzeptieren, unabhängig davon, wie verlockend die Versprechungen der neuen auch sein mögen. Doch sich von seiner Religion zu trennen, weil sie ein Lügenmärchen ist, ohne dafür einen Ersatz zu bekommen, kann man in der Tat kaum von einem Menschen verlangen.

Kantos Kan wollte nichts von unseren Erlebnissen bei den Therns und den Erstgeborenen wissen.

»Es reicht, daß ich mein Leben jetzt und später aufs Spiel setze, indem ich euch überhaupt unterstütze. Verlangt nicht, daß ich noch größere Sünden begehe, indem ich mir Dinge anhöre, die man mir gegenüber immer als übelste Ketzerei bezeichnet hat.«

Ich wußte, daß früher oder später die Zeit kommen mußte, da sich unsere Freunde und Feinde öffentlich würden erklären müssen. In Helium würde es dann eine Anhörung geben, und falls bis dahin Tardos Mors nicht zurückgekehrt war, würde uns der Haß von Zat Arrras sehr schaden, fürchte ich, denn er repräsentierte die Regierung von Helium. Für einen seiner Gegner Partei zu ergreifen, kam dem Hochverrat gleich. Die Mehrheit der Truppen würde zweifellos der Führung ihrer Offiziere folgen. Ich wußte, daß die höchsten und mächtigsten Männer der Land- und Lufttruppen im Angesicht von Gott, Mensch oder Teufel zu John Carter halten würden.

Andererseits würde die Mehrheit des gemeinen Volkes zweifellos fordern, uns für die Gotteslästerung zu bestrafen. Von welchem Gesichtspunkt ich die Angelegenheit auch betrachtete, schienen unsere Aussichten betrüblich zu sein, doch mir wird jetzt bewußt, daß mich offenbar damals der Schmerz über Dejah Thoris’ Verschwinden derart zermürbte, daß ich der schrecklichen Misere Heliums nur wenige Gedanken schenkte.

Tag und Nacht hatte ich ständig jene schrecklichen, alptraumhaften Szenen vor Augen, die meine Prinzessin gerade im jetzigen Augenblick erleben konnte – die fürchterlichen Pflanzenmenschen, die wilden weißen Affen. Zeitweise bedeckte ich das Gesicht mit den Händen, im sinnlosen Versuch, diese entsetzlichen Vorstellungen zu verdrängen.

Am Vormittag erreichten wir den meilenhohen, scharlachfarbenen Turm, durch den sich Großhelium von seiner Zwillingsstadt unterscheidet. Als wir in großen Kreisen auf die Docks der Kriegsmarine zusteuerten, sahen wir unten unzählige Menschen durch die Straßen strömen. Man hatte Helium durch einen Funkspruch von unserem Eintreffen informiert.

Man brachte uns vier, Carthoris, Tars Tarkas, Xodar und mich vom Deck der Xavarian mit einem kleineren Flugzeug in die Unterkünfte im Tempel der Vergeltung. Hier widerfährt sowohl dem Wohltäter als auch dem Übeltäter Gerechtigkeit nach Marsrecht. Hier wird der Held ausgezeichnet und der Verbrecher verurteilt. Man holte uns direkt von der Landeplattform auf dem Dach ins Tempelinnere, so daß wir an keinem Menschen vorbei mußten, wie es sonst üblich war. Immer hatte ich angesehene Gefangene oder zurückkehrende Wanderer von Rang zu Gesicht bekommen, die auf der breiten Promenade der Vorfahren vom Tor der Jeddaks zum Tempel der Vergeltung durch dichte Massen spottender oder aufmunternder Bürger geführt wurden.