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Wie lange ich schlief, weiß ich nicht. Unerwartet fand ich ein halbes Dutzend starke Männer über mir, ein Knebel steckte mir bereits im Mund. Einen Augenblick später hatten sie meine Arme und Beine gefesselt. Sie gingen so schnell und geschickt zu Werke, daß ich absolut nicht in der Lage war, mich zu befreien, als ich wieder bei vollem Bewußtsein war.

Nicht ein Wort fiel zwischen ihnen, und der Knebel hielt mich sehr wirkungsvoll vom Sprechen ab. Schweigend hoben sie mich auf und trugen mich hinaus. Als sie an dem Fenster vorbeikamen, durch das die hellen Strahlen des zweiten Mondes fielen, sah ich, daß jeder von ihnen das Gesicht mit Seidentüchern verhüllt hatte – ich erkannte nicht einen von ihnen.

Auf dem Korridor wandten sie sich dann in Richtung einer Geheimtür in der Wandtäfelung, von wo ein Gang zu den Gewölben unter dem Palast führte. Ich hatte meine Zweifel daran, daß irgendein Außenstehender von diesem Geheimgang wußte. Doch der Anführer der Gruppe zögerte nicht eine Sekunde. Er trat direkt auf die Täfelung zu, berührte den verborgenen Knopf, und als die Tür aufschwang, blieb er stehen und ließ erst seine Leute mit mir hineingehen. Dann folgte er uns, nachdem er die Geheimtür wieder hinter sich geschlossen hatte.

Es ging in Richtung der Gewölbe, durch sich windende Gänge, die ich selbst nie zuvor erforscht hatte, immer weiter, bis wir nach meiner Überzeugung das Palastgelände schon weit hinter uns gelassen haben mußten. Dann stieg der Weg wieder an.

Schließlich blieb die Gruppe vor einer weißen Wand stehen. Der Anführer klopfte mit dem Griff seines Schwertes dagegen –er tat drei kurze und deutliche Schläge, hielt dann inne, tat noch einmal drei weitere, wartete wieder und klopfte dann zweimal. Eine Sekunde später glitt die Wand nach innen, und ich wurde in ein hell erleuchtetes Gemach gestoßen, in dem drei reich geschmückte Männer saßen.

Einer von ihnen wandte sich um, ein böses Lächeln auf den dünnen, unbarmherzigen Lippen – es war Zat Arrras.

19. Bittere Verzweiflung

»Oh, welch günstigen Umständen verdanke ich das Vergnügen dieses unerwarteten Besuchs durch den Prinzen von Helium?« fragte Zat Arrras.

Noch während er dies sagte, entfernte eine meiner Wachen den Knebel aus meinem Mund, doch ich gab keine Antwort, sondern stand wortlos da und blickte den Jed von Zodanga ruhig an. Ich zweifle nicht, daß meine Miene die Verachtung widerspiegelte, die ich für diesen Mann empfand.

Die Augen der im Gemach Anwesenden hafteten zuerst auf mir und dann auf Zat Arrras, bis sich sein Gesicht schließlich vor Zorn langsam rötete.

»Ihr könnt gehen«, sagte er zu denjenigen, die mich hergebracht hatten, und als nur noch seine zwei Kumpane und wir im Raum waren, redete er wieder mit mir. Seine Stimme klang eisig, er sprach sehr langsam und bedächtig und machte viele Pausen, als wähle er seine Worte sorgfältig.

»John Carter, nach dem Gewohnheitsrecht, nach dem Gesetz unserer Religion und gemäß dem Urteilsspruch eines unparteiischen Gerichtshofes bist du zum Tode verurteilt. Das Volk kann dich nicht retten – das steht allein mir zu. Du bist völlig in meiner Macht, und ich kann mit dir nach Gutdünken verfahren. Ich kann dich töten lassen oder freisprechen, und sollte ich es für gut befinden, dich zu töten, wäre auch niemand klüger.

Solltest du entsprechend den Bedingungen der Begnadigung ein Jahr lang frei in Helium umherspazieren, steht kaum zu befürchten, daß das Volk auf der Vollstreckung des gegen dich ausgesprochenen Urteils bestehen würde.

Binnen zwei Minuten kannst du ungehindert gehen, unter einer Bedingung. Tardos Mors wird nie nach Helium zurückkehren, ebensowenig Mors Kaja oder Dejah Thoris. Helium muß binnen eines Jahres einen neuen Jeddak wählen. Dann wäre Zat Arrras Jeddak von Helium. Sage mir, daß du meine Sache vertreten wirst. Das ist der Preis für deine Freiheit. Ich bin fertig.«

Ich wußte, daß der grausame Zat Arrras durchaus fähig war, mich zu vernichten. War ich erst einmal tot, bestand wenig Anlaß zu zweifeln, daß er sehr leicht Jeddak von Helium werden würde. War ich auf freiem Fuß, konnte ich die Suche nach Dejah Thoris fortsetzen. Bei meinem Tod wären meine tapferen Gefährten nicht in der Lage, unsere Pläne auszuführen. Würde ich mich also weigern, seiner Forderung nachzukommen, stand zu erwarten, daß ich ihn nicht nur hinderte, Jeddak von Helium zu werden, sondern auch das Schicksal von Dejah Thoris besiegelte – indem ich sie durch meine Weigerung den Greueln der Arena von Issus überlieferte.

Ich zögerte einen Augenblick lang, aber nur einen Augenblick. Die stolze Tochter von eintausend Jeddaks würde den Tod einer so schimpflichen Allianz wie dieser hier vorziehen. Wie könnte John Carter da weniger für Helium tun, als seine Prinzessin tun würde?

Also sagte ich zu Zat Arrras: »Es kann zwischen einem Verräter an Helium und einem Prinzen des Hauses von Tardos Mors keinen Pakt geben. Ich glaube nicht, Zat Arrras, daß der große Jeddak tot ist.«

Er zuckte die Schultern.

»Nicht mehr lange werden deine Ansichten selbst für dich von Interesse sein, John Carter, also mache das Beste daraus, solange du kannst. Zat Arrras wird dir gestatten, eine gebührende Zeit weiter über das großmütige Angebot nachzudenken, das er dir gemacht hat. Zu diesem Zweck wirst du heute nacht in die Stille und Finsternis der Gruben eintreten, wohl wissend, dieser Finsternis und dem Schweigen niemals zu entrinnen, sollte es dir nicht gelingen, innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne in die Alternative einzuwilligen, die man dir bietet. Auch sollst du nicht erfahren, in welcher Minute die Hand mit dem scharfen Dolch durch die Finsternis und die Stille reichen wird, um dich der letzten Möglichkeit zu berauben, erneut die Wärme, Freiheit und Fröhlichkeit der Außenwelt zu erlangen.«

Noch während dieser Worte klatschte Zat Arrras in die Hände. Die Wachen kehrten zurück.

Er wies mit einer Handbewegung auf mich.

»In die Gruben«, sagte er. Das war alles. Vier Männer begleiteten mich aus dem Gemach und eskortierten mich beim Schein einer Radium-Handlampe, die ihnen den Weg beleuchtete, durch scheinbar endlose Tunnel hinab, immer weiter hinab unter die Stadt Helium.

Schließlich blieben sie in einer recht geräumigen Kammer stehen. In die Felsenwände ringsum waren Ringe eingelassen. Daran waren Ketten befestigt. An vielen davon hingen menschliche Skelette. Sie stießen eines davon beiseite, schlossen das riesige Vorhängeschloß auf, das die Kette um das festhielt, was einst ein Fußknöchel war, und ließen das Eisenband um mein Bein zuschnappen. Dann verließen sie mich, wobei sie die Lampe mitnahmen.

Pechschwarze Finsternis hüllte mich ein. Einige Minuten lang konnte ich noch das Waffengeklirr hören, dann wurde auch dies immer schwächer, bis die Stille ebenso vollkommen wie die Finsternis war. Ich war allein mit meinen gräßlichen Gefährten – den Gebeinen von Toten, deren Schicksal mir nur das Bevorstehende vor Augen führte.

Wie lange ich stand und in die Finsternis lauschte, weiß ich nicht, doch das Schweigen dauerte an, und schließlich sank ich auf den harten Boden meines Kerkers, lehnte den Kopf gegen die Steinwand und schlief ein.

Ich muß wohl einige Stunden geschlafen haben, denn als ich erwachte, sah ich einen jungen Mann vor mir stehen. In der einen Hand hielt er eine Lampe, in der anderen ein Gefäß, das eine haferschleimähnliche Substanz enthielt – die übliche Gefängniskost von Barsoom.

»Zat Arrras sendet dir Grüße und hat mir aufgetragen, dich in Kenntnis zu setzen, daß er nicht geneigt ist, das Angebot zurückzuziehen, welches er dir gemacht hat, obwohl er voll und ganz über die Verschwörung im Bilde ist, dich zum Jeddak von Helium zu machen. Willst du die Freiheit gewinnen, brauchst du mich nur zu bitten, Zat Arrras mitzuteilen, daß du die Bedingungen seines Vorschlags annimmst.«

Ich schüttelte den Kopf. Der Jüngling sagte nichts mehr, und nachdem er das Essen neben mich auf den Boden gesetzt hatte, kehrte er auf den Korridor zurück und nahm die Lampe mit.