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Viele Tage lang kam er nun täglich zweimal mit Essen in meine Zelle, und jedesmal überbrachte er dieselben Grüße von Zat Arrras. Ich bemühte mich lange, ihn in ein Gespräch über andere Dinge zu verwickeln, aber er wollte nicht reden, und so gab ich schließlich jeden Versuch auf.

Vier Monate zerbrach ich mir den Kopf, um eine Möglichkeit zu finden, Carthoris meinen Aufenthalt mitzuteilen. Monatelang kratzte ich an einem einzelnen Glied der massiven Kette, die mich hielt, in der Hoffnung, sie schließlich durchzusägen, so daß ich dem Jüngling durch die gewundenen Tunnel zu einem Punkt folgen konnte, wo ein Ausbruch in die Freiheit möglich war.

Ich gierte förmlich nach Nachrichten über das Vorankommen der Expedition, die Dejah Thoris retten sollte. Mir war klar, daß Carthoris die Angelegenheit nicht fallen lassen würde, könnte er nach Belieben handeln, doch so weit ich wußte, war er vielleicht auch Gefangener in Zat Arrras’ Gruben.

Ich wußte, daß Zat Arrras’ Spion unser Gespräch über die Wahl eines neuen Jeddaks mitgehört hatte, und kaum ein halbes Dutzend Minuten vorher hatten wir die Einzelheiten des Plans zur Rettung von Dejah Thoris erörtert. So war durchaus damit zu rechnen, daß er auch darüber gut informiert war. Carthoris, Kantos Kan, Tars Tarkas, Hor Vastus und Xodar waren vielleicht schon Zat Arrras’ Mördern zum Opfer gefallen oder seine Gefangenen.

Ich beschloß, zumindest noch einen Versuch zu unternehmen, um etwas in Erfahrung zu bringen. Zu diesem Zweck wendete ich eine bestimmte Strategie an, als der Jüngling wieder in meine Zelle kam. Ich hatte bemerkt, daß er ein hübscher Bursche und etwa so groß und so alt wie Carthoris war. Außerdem war mir aufgefallen, daß seine schäbige Kleidung im Widerspruch zu seiner erhabenen und stolzen Haltung stand.

Auf diese Beobachtungen gestützt, eröffnete ich bei seinem folgenden Besuch die Verhandlungen.

»Du bist während meiner Einkerkerung hier stets sehr freundlich zu mir gewesen«, sagte ich zu ihm. »Da ich weiß, daß ich nur noch sehr kurze Zeit zu leben habe, wünsche ich, ehe es dazu zu spät ist, ein ausführliches Zeugnis meiner Wertschätzung für all das aufzusetzen, was du getan hast, um meine Gefangenschaft erträglich zu machen.

Du hast mir jeden Tag gewissenhaft mein Essen gebracht und darauf geachtet, daß es wohl zubereitet und ausreichend war. Nie hast du durch Wort oder Tat versucht, meine hilflose Lage auszunutzen, um mich zu beleidigen oder zu foltern. Du bist stets nur höflich und rücksichtsvoll gewesen. Dieses vor allem weckt bei mir ein Gefühl der Dankbarkeit und den Wunsch, dir zum Zeichen dafür ein geringes Geschenk zukommen zu lassen.

Im Wachraum meines Palastes sind viele schöne Ausrüstungsstücke. Geh hin und such dir einen Harnisch aus, der dir besonders gefällt – er soll dir gehören. Ich bitte nur, daß du ihn auch trägst, so daß ich weiß, daß meinem Wunsch Genüge getan wurde.«

Die Augen des Jungen leuchteten vor Freude auf, als ich dies sagte, und ich sah ihn von seiner rostigen Rüstung auf meine prächtige blicken. Er blieb einen Moment nachdenklich stehen, ehe er etwas sagte, und in diesem kurzen Augenblick stockte mir beinahe das Herz – so viel hing für mich von seiner Antwort ab.

»Und ginge ich zum Palast des Prinzen von Helium mit einer solchen Forderung, so würden sie über mich lachen, mich dazu noch höchstwahrscheinlich kopfüber auf die Straße befördern. Nein, es kann nicht sein, obwohl ich dir für das Angebot danke. Außerdem, sollte Zat Arrras auch nur eine Ahnung davon bekommen, ich hätte eine solche Sache in Erwägung gezogen, würde er mir auf der Stelle das Herz aus dem Leib schneiden lassen.«

»Dir muß daraus kein Schaden erwachsen, mein Junge«, drängte ich. »Du kannst doch nachts mit einer Nachricht an Carthoris, meinem Sohn, zu meinem Palast gehen. Du darfst die Nachricht lesen, ehe du sie abgibst, damit du weißt, daß sie nichts enthält, was Zat Arrras schaden könnte. Mein Sohn wird verschwiegen sein, und so werden nur wir drei davon wissen. Es ist sehr einfach und eine so harmlose Sache, daß niemand sie verurteilen könnte.«

Abermals stand er schweigend in tiefes Nachdenken versunken.

»Dann wäre da auch noch das juwelenbesetzte Kurzschwert, das ich einem toten Nordjeddak abgenommen habe. Wenn du die Rüstung abholst, dann achte darauf, daß Carthoris es dir ebenfalls gibt. Damit und mit dem Harnisch, den du dir dort aussuchst, wirst du der am schmucksten ausgerüstete Krieger in ganz Zodanga sein.

Bring mir Schreibmaterial mit, wenn du das nächste Mal in meine Zelle kommst, und binnen weniger Stunden werden wir dich in einer Weise gekleidet sehen, die deiner Geburt und Haltung entspricht.«

Noch immer in Gedanken und ohne zu antworten wandte er sich um und ging. Ich hatte keine Ahnung, wie er sich entscheiden würde, und saß deshalb stundenlang und grübelte über den Ausgang der Angelegenheit.

Erklärte er sich einverstanden, Carthoris eine Nachricht zukommen zu lassen, so bedeutete das für mich, daß Carthoris noch lebte und frei war. Kehrte er mit Rüstung und Schwert zurück, dann wußte ich, daß Carthoris meine Nachricht erhalten hatte und wußte, daß ich noch lebte. Daß der Überbringer der Nachricht ein Zodanganer war, genügte, um Carthoris klar zu machen, daß ich ein Gefangener von Zat Arrras war.

Mit einem Gefühl aufgeregte Erwartung, das ich kaum verbergen konnte, hörte ich, wie der Junge sich bei seinem nächsten routinemäßigen Besuch meiner Zelle näherte. Ich sagte außer meiner üblichen Begrüßung kein Wort weiter. Als er mein Essen neben mir auf den Fußboden setzte, legte er auch Schreibmaterial dazu.

Mein Herz hüpfte vor Freude. Ich hatte einen Punkt gewonnen. Einen Augenblick schaute ich in gespielter Überraschung auf das Material, tat aber sogleich so, als dämmere mir eine Erkenntnis, und nahm alles auf. Ich kritzelte eine kurze Notiz an Carthoris, er solle Parthak einen Harnisch seiner Wahl und das Kurzschwert aushändigen, welches ich beschrieb. Das war alles, und es bedeutete auch alles für mich und Carthoris.

Ich legte die Nachricht offen auf den Fußboden. Parthak hob sie auf und verließ mich wortlos.

Soweit ich es beurteilen konnte, war ich zu diesem Zeitpunkt dreihundert Tage in den Gruben. Sollte etwas geschehen, um Dejah Thoris zu retten, dann mußte es schnell getan werden, denn wenn sie nicht bereits tot war, stand ihr Ende gewiß bald bevor, denn diejenigen, die Issus erkor, lebten nur ein einziges Jahr.

Als ich das nächste Mal sich nähernde Schritte hörte, konnte ich es kaum erwarten, Parthak mit dem Harnisch und dem Schwert zu sehen, doch man stelle sich meinen Ingrimm und meine Enttäuschung vor, sofern man kann, als ich sah, daß der Überbringer meiner Nahrung nicht Parthak war.

»Was ist aus Parthak geworden?« fragte ich, doch der Bursche wollte nicht antworten, und kaum hatte er mein Essen abgesetzt, wandte er sich um und kehrte in die Welt dort oben zurück.

Tage kamen und gingen, und noch immer verrichtete mein neuer Kerkermeister seine Pflichten, ohne auch nur ein Wort mit mir zu reden, sei es als Antwort auf die einfachste Frage oder aus eigenem Antrieb.

Ich konnte über den Grund von Parthaks Entfernung nur Vermutungen anstellen, aber daß sie in irgendeiner Weise direkt mit der Nachricht in Verbindung stand, die ich ihm gegeben hatte, lag für mich auf der Hand. Nach all der Freude war ich nun nicht besser dran als zuvor, denn nun wußte ich nicht einmal, ob Carthoris lebte. Wollte Parthak in der Wertschätzung von Zat Arrras aufsteigen, hätte er mich genauso so handeln lassen, wie ich es tat, damit er meine Nachricht an seinen Herrn weiterleiten konnte zum Beweis seiner unbedingten Loyalität und Ergebenheit.

Dreißig Tage waren verstrichen, seit ich dem Jüngling die Nachricht übergeben hatte. Dreihundert und dreißig Tage waren seit meiner Einkerkerung vergangen. Wenn ich einigermaßen genau rechnete, blieben ganze dreißig Tage bis zu dem Zeitpunkt, da man Dejah Thoris für die Riten der Issus in die Arena beordern würde.

Als dieses entsetzliche Bild so lebhaft vor meinem geistigen Auge erstand, vergrub ich mein Gesicht in den Armen und konnte die Tränen nur mit größter Mühe unterdrücken, die mir trotzdem aus den Augen brachen. Sich vorzustellen, daß dieses schöne Geschöpf von den reißenden Fangzähnen der gräßlichen weißen Affen zerfleischt und zerrissen wurde! Es war undenkbar. Eine derartige Greueltat durfte nicht geschehen. Dennoch sagte mir mein Verstand, daß meine unvergleichliche Prinzessin binnen dreißig Tagen in der Arena der Erstgeborenen von diesen äußerst wilden Bestien zu Tode gebracht werden würde; daß ihr blutiger Leichnam durch den Schmutz und den Staub geschleift würde, bis schließlich ein Teil davon aufgehoben wurde, um den schwarzen Edlen an der Tafel als Nahrung zu dienen.