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Ich glaube, ich hätte den Verstand verloren, hätte ich meinen Kerkermeister nicht kommen hören. Er lenkte meine Aufmerksamkeit von den entsetzlichen Vorstellungen ab, die mich beschäftigten. Nun keimte in mir ein neuer und grimmiger Entschluß auf. Ich würde einen übermenschlichen Versuch machen, zu fliehen, meinen Kerkermeister durch eine List töten und dem Schicksal vertrauen, daß es mich sicher in die Außenwelt geleitete.

Mit dem Gedanken kam der Wille zum Handeln. Ich warf mich dicht an der Wand in einer angespannten und verkrampften Haltung auf den Fußboden, als sei ich nach einem Kampf oder irgendwelchen Anfällen gestorben. Wenn er sich über mich beugen würde, brauchte ich ihn nur mit einer Hand an der Kehle zu packten und ihm mit dem losen Ende der Kette, das ich zu diesem Zweck fest in der rechten Hand hielt, einen heftigen Schlag zu versetzen.

Immer näher kam der dem Verhängnis geweihte Mann. Dann hörte ich ihn draußen stehenbleiben. Er murmelte etwas, dann trat er an meine Seite. Ich spürte, wie er neben mir niederkniete, und packte die Kette noch fester. Jetzt beugte er sich tief zu mir. Ich brauchte nur die Augen zu öffnen, seinen Hals zu suchen, ihn zu packen und im gleichen Augenblick mit einem furchtbaren Schlag ins Jenseits zu befördern.

Alles verlief, wie ich es geplant hatte. So kurz war die Zeitspanne zwischen dem Moment, da ich die Augen öffnete, und dem Fall der Kette, daß ich sie gar nicht richtig erfaßte.

Gleichwohl erkannte ich selbst in diesem Bruchteil einer Sekunde das Gesicht, das meinem so nahe war, als das meines Sohnes Carthoris.

Mein Gott! Welches grausames und böses Geschick hatte zu solch entsetzlichem Ende geführt! Welche heimtückische Kette von Umständen hatte meinen Jungen in dieser besonderen Minute unseres Lebens an meine Seite geführt, als ich ihn in Unkenntnis über seine Identität niederschlagen und töten konnte! Eine gnädige, doch säumige Vorsehung trübte mir die Sicht und den Verstand, als ich über dem leblosen Körper meines einzigen Sohnes in Ohnmacht sank.

Als ich das Bewußtsein wiedererlangte, spürte ich eine feste, kühle Hand auf meiner Stirn. Einen Moment hielt ich die Augen geschlossen im Bestreben, die losen Enden der langen Gedankenketten und Erinnerungen aufzugreifen, die immer wieder durch mein müdes und überanstrengtes Gehirn jagten.

Schließlich erfolgte die grausame Erinnerung an meine letzte bewußte Handlung, und nun wagte ich nicht, die Augen zu öffnen aus Angst vor dem Anblick, der sich mir dann an meiner Seite bieten würde. Ich fragte mich, wer mir wohl die Hand auf die Stirn legte. Carthoris mußte einen Gefährten bei sich gehabt haben, den ich nicht sah. Nun gut, ich mußte dem Unabwendbaren irgendwann ins Antlitz sehen, warum also nicht jetzt? Also schlug ich die Augen auf.

Carthoris beugte sich über mich. Er hatte eine große Beule an der Stirn, wo die Kette ihn getroffen hatte, doch er lebte, Gott sei Dank! Niemand war bei ihm. Ich streckte die Arme aus und zog meinen Jungen an mich, und wenn je von irgendeinem Planeten ein inbrünstiges Dankgebet aufgestiegen ist, dann dort unter der Kruste des sterbenden Mars, als ich dem Ewigen Geheimnis für das Leben meines Sohnes dankte.

Der kurze Augenblick, in dem ich Carthoris sah und erkannte, ehe die Kette fiel, muß wohl ausgereicht haben, die Wucht des Schlages zu mindern. Er sagte mir, er habe eine Zeitlang bewußtlos dagelegen – wie lange, wußte er nicht.

»Wie bist du überhaupt hierher gelangt?« fragte ich, da mir rätselhaft war, wie er mich ohne Führer gefunden hatte.

»Dank deiner klugen Idee, mich durch den jungen Parthak von deiner Existenz und Einkerkerung zu unterrichten. Bis zu dem Moment, als er sich den Harnisch und das Schwert holte, hielten wir dich für tot. Als ich deine Nachricht las, erfüllte ich deine Bitte und ließ ihn sich den Harnisch im Wachraum aussuchen. Dann brachte ich ihm auch noch das juwelenbesetzte Schwert. In dem Moment, da ich das Versprechen erfüllt hatte, das du ihm offensichtlich gegeben hast, endete meine Verpflichtung ihm gegenüber. Ich begann nun, ihn zu befragen, doch er wollte mir keine Auskunft über deinen Aufenthalt geben. Er war Zat Arrras gegenüber äußerst loyal.

Schließlich ließ ich ihn zwischen der Freiheit und den Gruben unter dem Palast wählen – wobei der Preis der Freiheit in einer vollständigen Auskunft über den Ort deiner Einkerkerung und in Hinweisen bestand, die uns zu dir führen konnten. Dennoch hielt er an seiner hartnäckigen Ergebenheit für Zat Arrras fest. Voller Verzweiflung ließ ich ihn in die Gruben bringen, wo er jetzt noch ist.

Keine Androhungen von Folter oder Tod, keine Bestechungsgelder in märchenhafter Höhe konnten ihn umstimmen. Seine einzige Erwiderung auf all unser Drängen war, wann immer er sterben werde, sei es morgen oder in tausend Jahren, könnte niemand ihm nachsagen: ›Ein Verräter hat seinen verdienten Lohn erhalten!‹

Schließlich entwickelte Chodar, dieser listenreiche Teufel, einen Plan, wie wir ihm die Informationen entlocken konnten. Und so ließ ich Hor Vastus die Rüstung eines zodanganischen Soldaten anlegen und in Parthaks Zelle neben ihn anketten. Fünfzehn Tage lang hat der edle Hor Vastus in der Finsternis der Gruben geschmachtet, doch nicht vergebens. Allmählich gewann er das Vertrauen und die Freundschaft von Parthak, bis dieser erst heute, des Glaubens, er spreche nicht nur mit einem Landsmann, sondern mit einem lieben Freund dazu, Hor Vastus genau mitteilte, in welcher Zelle du liegst.

Ich brauchte nur kurze Zeit, die Pläne der Gruben von Helium unter deinen Papieren zu finden. Hierher zu gelangen war etwas schwieriger. Wie du weißt, sind zwar alle Gruben unter der Stadt miteinander verbunden, doch es gibt nur einzelne Eingänge von denen unter jeder Sektion und den benachbarten, und zwar auf höherem Niveau gleich unter der Erdoberfläche.

Natürlich werden diese Öffnungen, die von angrenzenden Gruben zu denen unter den Regierungsgebäuden führen, ständig bewacht. So gelangte ich zwar leicht zum Grubeneingang unter dem Palast, den Zat Arrras bewohnt, fand jedoch einen Zodanganer Soldaten als Wache dort vor. Zwar ließ ich ihn dort, als ich weiterging, doch seine Seele war nicht mehr bei ihm.«

»Nun bin ich hier, gerade noch rechtzeitig, um beinahe von dir getötet zu werden«, sagte er abschließend und lachte.

Er hatte sich während seines Berichts an dem Schloß zu schaffen gemacht, das meine Fesseln zusammenhielt. Mit einem Freudenschrei ließ er das Ende der Kette nun zu Boden fallen, und ich stand wieder, befreit von den meine Gliedmaßen wundreibenden Eisen, in denen ich fast ein Jahr lang geschmachtet hatte.

Er hatte mir ein Langschwert und einen Dolch mitgebracht. Solcherart bewaffnet, machten wir uns auf den Rückweg zu meinem Palast.

An der Stelle, wo wir die Gruben von Zat Arrras verließen, fanden wir den Wächter, den Carthoris getötet hatte. Er war noch nicht entdeckt worden, und um die Suche weiter hinauszuzögern und den Leuten des Jed ein Rätsel aufzugeben, nahmen wir den Toten ein kurzes Stück mit und versteckten ihn in einer winzigen, vom Hauptkorridor der Gruben abgelegenen Zelle unter einem angrenzenden Grundstück.

Etwa eine halbe Stunde später gelangten wir an die Gruben unter unserem Palast, und kurz danach traten wir in den Audienzsaal, wo wir Kantos Kan, Tars Tarkas, Hor Vastus und Xodar vorfanden, die uns mit Ungeduld erwarteten.