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»Kaffee«, sagte Sandman. Als er an Lord Skavadale vorbeiging, roch er Lavendelwasser.

»Ein scheußliches Wetter, nicht wahr?«, fragte Skavadale auf dem Weg in die Bibliothek. »Und gestern war es noch so schon. Wie Sie sehen, habe ich Feuer anzünden lassen, weniger wegen der Wärme, als vielmehr um die Feuchtigkeit zu vertreiben.« Die Bibliothek war ein großer, gut geschnittener Raum, wo ein großzügiges Feuer in einem breiten Kamin zwischen hohen Bücherregalen brannte. Ein Dutzend Stühle standen im Zimmer verteilt, aber Skavadale und Sandman waren allein. »Die meisten Clubmitglieder sind um diese Zeit auf dem Land«, erklärte Skavadale den leeren Raum, »aber ich habe geschäftlich in der Stadt zu tun. Recht langweilige Geschäfte, fürchte ich.« Er lächelte. »Und welche Angelegenheit führt Sie her, Captain?«

Sandman ging nicht auf die Frage ein. »Seraphim Club, ein merkwürdiger Name.« Er schaute sich in der Bibliothek um, fand aber nichts Ungewöhnliches. Das einzige Gemälde im Raum war ein lebensgroßes Ganzfigurporträt über dem Kamin, das einen dünnen Mann mit verwegen gut aussehendem Gesicht und üppigen, schulterlangen Locken zeigte. Er trug einen eng anliegenden Rock aus geblümter Seide mit Spitzenkragen und -manschetten und einen Degen an einer breiten Schärpe.

»John Wilmot, zweiter Earl of Rochester«, stellte Lord Skavadale den Mann vor. »Kennen Sie sein Werk?«

»Ich weiß, dass er ein Dichter war«, sagte Sandman, »und ein Freidenker.«

»Beides zu sein ist ein Glück«, sagte Skavadale lächelnd. »Er war tatsächlich ein überaus geistreicher und talentierter Dichter, wir sehen in ihm unser Vorbild, Captain. Die Seraphim sind höhere Wesen, sogar die höchsten unter den Engeln. Das ist eine kleine Eitelkeit unsererseits.«

»Höher als bloße Sterbliche wie der Rest von uns?«, fragte Sandman säuerlich. Lord Skavadale war so höflich, vollkommen und formvollendet, dass es Sandman ärgerte.

»Wir bemühen uns lediglich um Vortrefflichkeit, wie Sie es sicher ebenfalls tun, Captain, im Kricket wie in allem anderen, was Sie anfangen«, erwiderte Skavadale freundlich, »und es ist nachlässig von mir, dass ich Ihnen keine Gelegenheit gebe, mir zu sagen, um was es sich dabei handelt.«

Diese Gelegenheit musste noch ein Weilchen auf sich warten lassen, denn ein Diener brachte ein silbernes Tablett mit Porzellantassen und einer silbernen Kaffeekanne. Während der Kaffe eingeschenkt wurde, sprachen weder Lord Skavadale noch Sandman. In der Stille hörte Sandman aus einem Zimmer in der Nähe ein merkwürdiges regelmäßiges Quietschen.

An metallischen Geräuschen erkannte er, dass dort gefochten wurde und das Quietschen von Schuhen auf mit Kreide abgestumpftem Boden stammen musste. »Nehmen Sie doch Platz«, sagte Skavadale, als der Diener Holz nachgelegt und das Zimmer verlassen hatte. »Und sagen Sie mir, wie Sie unseren Kaffee finden.«

»Charles Corday«, sagte Sandman, als er sich setzte.

Lord Skavadale schaute ihn verwundert an, lächelte dann aber. »Für einen Augenblick haben Sie mich verwirrt, Captain. Charles Corday, natürlich, das ist doch der junge Mann, der wegen Mordes an der Countess of Avebury zum Tode verurteilt wurde. Sie sind wahrhaftig ein rätselhafter Mann. Sagen Sie mir doch bitte, warum Sie ihn erwähnen.«

Sandman nippte an seinem Kaffee. Die Untertasse zierte ein Wappen mit einem fliegenden goldenen Engel auf rotem Schild. Es war ganz ähnlich wie das Wappen, das Sandman auf der Kutsche vor dem Haus gesehen hatte, nur war dieser Engel vollkommen unbekleidet. »Der Innenminister hat mich damit beauftragt, die Fakten des Falles Corday zu überprüfen«, erklärte Sandman.

Skavadale hob eine Augenbraue. »Warum?«

»Weil Zweifel an seiner Schuld bestehen«, sagte Sandman, allerdings ohne zu erwähnen, dass der Innenminister diese Zweifel nicht teilte.

»Es ist beruhigend zu wissen, dass unsere Regierung sich solche Mühe gibt, ihre Untertanen zu schützen«, erklärte Skavadale andächtig. »Aber wieso führt Sie das in unser Haus, Captain?«

»Weil wir wissen, dass das Porträt der Countess of Avebury vom Seraphim Club in Auftrag gegeben wurde«, sagte Sandman.

»Ach, tatsächlich?«, fragte Skavadale verbindlich. »Das finde ich erstaunlich.« Er setzte sich auf das Lederpolster des Kamingitters, wobei er sorgsam bedacht war, weder Rock noch Hose zu verknittern. »Der Kaffee kommt aus Java«, sagte er. »Wir finden ihn recht gut. Was meinen Sie?«

»Was die Angelegenheit besonders interessant macht, ist der Umstand, dass der Auftrag lautete, die Dame unbekleidet abzubilden«, führte Sandman weiter aus.

Der Anflug eines Lächelns umspielte Skavadales Mund. »Das klingt überaus mutig von der Countess, finden Sie nicht?«

»Sie sollte es nicht erfahren«, sagte Sandman.

»Das ist ja unerhört«, äußerte Skavadale mit betonter Entrüstung, doch trotz des spöttischen Funkeins wirkten seine dunklen Augen überaus scharfsichtig, aber keineswegs überrascht. Er legte das Monokel auf einen Tisch und trank seinen Kaffee. »Darf ich fragen, wie Sie von diesen bemerkenswerten Fakten erfahren haben, Captain?«

»Ein Mann, dem der Galgen droht, kann sich als sehr gesprächig erweisen«, wich Sandman der Frage aus.

»Wollen Sie mir sagen, dass Corday Ihnen das erzählt hat?«

»Ich habe ihn gestern aufgesucht.«

»Hoffen wir, dass der bevorstehende Tod ihn bewegt, die Wahrheit zu sagen«, erklärte Skavadale lächelnd. »Ich gestehe, dass mir davon nichts bekannt ist. Es ist möglich, dass eines unserer Mitglieder das Porträt in Auftrag gegeben hat, aber leider haben sie mich nicht ins Vertrauen gezogen. Ich muss mich allerdings fragen, welche Rolle das spielt? Wie sollte sich das auf die Schuld des jungen Mannes auswirken?«

»Sie sprechen für den Seraphim Club, nicht wahr?«, fragte Sandman, seiner Frage erneut ausweichend. »Sind Sie der Sekretär? Oder ein Angestellter?«

»So etwas Gewöhnliches wie Angestellte haben wir nicht. Captain. Wir sind nur wenige Mitglieder und betrachten uns als Freunde. Allerdings beschäftigen wir einen Mann, der die Bücher führt, aber er trifft keine Entscheidungen. Solche werden von uns gemeinsam als Freunde und Gleichrangige getroffen.«

»Wenn der Seraphim Club ein Porträt in Auftrag gäbe, wussten Sie also davon?«, hakte Sandman nach.

»Gewiss«, erklärte Skavadale nachdrücklich. »Der Club hat kein solches Porträt bestellt. Aber, wie gesagt, es ist möglich, dass eines der Mitglieder es privat in Auftrag gegeben hat.«

»Ist der Earl of Avebury ein Mitglied?«, fragte Sandman.

Skavadale zögerte. »Ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, wer unsere Mitglieder sind, Captain. Dies ist ein Geheimclub. Aber ich denke, ich darf Ihnen sagen, dass der Earl uns nicht mit seiner Gesellschaft beehrt.«

»Kannten Sie die Countess?«, fragte Sandman.

Skavadale lächelte. »Allerdings, Captain. Viele von uns haben ihrem Schrein gehuldigt, denn sie war eine Dame von göttlicher Schönheit, und wir bedauern ihren Tod unendlich. Unendlich.« Er stellte seine halb volle Kaffeetasse auf einen kleinen Tisch und stand auf. »Ich fürchte, Ihr Besuch bei uns war vergebens, Captain. Der Seraphim Club hat keinerlei Porträts in Auftrag gegeben, das versichere ich Ihnen. Ich fürchte, Mister Corday hat Sie falsch informiert. Darf ich Sie zur Tür begleiten?«

Sandman stand auf. Er hatte nichts erfahren und fühlte sich zum Narren gemacht. In diesem Augenblick flog hinter ihm eine Tür auf. Als er sich umdrehte, sah er, dass eines der Bücherregale in Wahrheit aus falschen Lederrücken bestand, die auf eine Tür geklebt waren. Ein junger Mann in Hemd und Kniebundhose stand mit Florett in der Hand und feindseliger Miene da. »Ich dachte, du hättest den Kerl rausgeworfen, Johnny«, sagte er zu Skavadale.