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»Seit drei Wochen«, gab er zu, »ein bisschen länger.«

Sandman fand, sie sah aus, als habe er sie ins Gesicht geschlagen. »Und du hast dich nicht gemeldet?«

Sandman spürte, dass er rot wurde. »Ich wusste nicht recht, weshalb ich mich melden sollte«, antwortete er. »Ich dachte, dir wäre es lieber, wenn ich es nicht täte.«

»Falls du überhaupt gedacht hast«, sagte Eleanor schnippisch. Ihre Augen waren grau, fast rauchig, mit grünen Punkten.

Sir Henry deutete mit einer matten Geste auf die Tür. »Du versäumst das Duett, meine Liebe, und Rider ist gekommen, um Hammond zu sprechen, ausgerechnet Hammond. Stimmt es nicht, Rider? Eigentlich handelt es sich gar nicht um einen Besuch.«

»Hammond, ja«, bestätigte Sandman.

»Was willst du denn von Hammond?«, fragte Eleanor mit vor Neugier leuchtenden Augen.

»Ich denke, das besprechen die beiden besser miteinander«, sagte Sir Henry förmlich, »und natürlich mit mir«, fügte er hastig hinzu.

Eleanor überhörte ihren Vater völlig. »Was?«, fragte sie Sandman noch einmal.

»Das ist eine lange Geschichte, fürchte ich«, antwortete Sandman entschuldigend.

»Besser, als zuzuhören, wie die Schwestern Pearman das Mozartarrangement ihres Musiklehrers quälen«, sagte Eleanor, setzte sich und schaute ihn erwartungsvoll an.

»Meine Liebe«, setzte ihr Vater an, wurde aber sofort unterbrochen.

»Papa«, sagte Eleanor streng, »ich bin sicher, dass Rider von Hammond nichts möchte, was für die Ohren einer jungen Frau unschicklich wäre, und das ist mehr, als ich von den Vorträgen der Pearman-Mädchen sagen kann. Rider?«

Sandman unterdrückte ein Grinsen und erzählte seine Geschichte, die einige Verwunderung auslöste, da weder Eleanor noch ihr Vater Charles Corday mit Sir George Phillips in Verbindung gebracht hatten. Schlimm genug, dass die Countess of Avebury in der benachbarten Straße ermordet wurde, aber jetzt kam offenbar noch hinzu, dass Eleanor einige Zeit in Gesellschaft des verurteilten Mörders verbracht hatte. »Ich bin sicher, es ist derselbe junge Mann, obwohl sie ihn in meiner Gegenwart immer nur Charlie genannt haben«, sagte Eleanor. »Aber er übernahm allem Anschein nach einen Großteil der Arbeit.«

»Das war er wahrscheinlich«, bestätigte Sandman.

»Erzähle das besser nicht deiner Mutter«, mahnte Sir Henry leise.

»Sie wird glauben, ich sei um Haaresbreite einem Mord entgangen«, sagte Eleanor.

»Ich bezweifle, dass er ein Mörder ist«, wandte Sandman ein.

»Außerdem hattest du doch sicher eine Anstandsdame bei dir, nicht wahr?«, fragte Sir Henry seine Tochter.

»Selbstverständlich, Papa. Wir sind doch eine anständige Familie«, sagte sie mit einem Seitenblick auf Sandman.

»Die Countess war ebenfalls in Begleitung einer Anstandsdame«, sagte Sandman und erzählte von Meg. Er erklärte, dass er Dienstboten suche, die aus Gesprächen in der Nachbarschaft in Erfahrung bringen könnten, wo das Personal des Avebury-Hauses geblieben sei. Er entschuldigte sich ausgiebig, dass er überhaupt auf die Idee gekommen sei, Hammond in diese Sache hineinzuziehen. »Ich möchte natürlich den Dienstbotenklatsch keineswegs fördern.«

Eleanor fiel ihm ins Wort: »Sei nicht so zimperlich, Rider. Klatsch lässt sich weder fördern noch verhindern, er passiert einfach.«

»Die Wahrheit ist, dass die Dienstboten alle miteinander reden«, fuhr Sandman fort, »und wenn Hammond die Mädchen fragen könnte, was sie gehört haben …«

»Dann wirst du gar nichts erfahren«, unterbrach Eleanor ihn erneut.

»Meine Liebe«, mahnte ihr Vater.

»Nichts!«, bekräftigte Eleanor. »Hammond ist ein sehr guter Butler und ein bewundernswerter Christ, ich habe mir schon oft gedacht, dass er einen hervorragenden Bischof abgäbe, aber die Dienstmädchen haben alle Angst vor ihm. Nein, meine Zofe Lizzie müssen wir fragen.«

»Du kannst doch Lizzie nicht da hineinziehen!«, wandte ihr Vater ein.

»Warum denn nicht?«

»Weil das nicht geht«, erklärte ihr Vater, dem kein triftiger Grund einfiel. »Es wäre einfach nicht in Ordnung.«

»Es ist nicht in Ordnung, dass Corday hängen soll! Nicht, wenn er unschuldig ist. Und du, Papa, solltest das eigentlich wissen! Ich habe dich noch nie so entsetzt erlebt!«

Sandman schaute Sir Henry fragend an, der nur die Achseln zuckte. »Die Pflicht hat mich nach Newgate geführt«, erklärte er. »Wir Stadträte sind, wie ich erfahren habe, die Arbeitgeber des Henkers, und der Bursche hat einen Helfer beantragt. Da man nur ungern unnötig Geld ausgibt, sind zwei von uns hingegangen, um uns die Erfordernisse seiner Arbeit anzusehen.«

»Und habt ihr schon eine Entscheidung getroffen?«, fragte Eleanor.

»Wir folgen dem Rat des Sheriffs«, sagte Sir Henry. »Ich persönlich war eher geneigt, den Antrag abzulehnen, aber ich räume ein, dass es sich dabei lediglich um ein Vorurteil gegen den Henker gehandelt haben mag. Ich hielt ihn für einen üblen Burschen.«

»Kein Beruf, der Menschen mit besonderen charakterlichen Qualitäten anlocken würde«, merkte Eleanor trocken an.

»Botting, er heißt James Botting.« Sir Henry schauderte. »Eine Hinrichtung ist keine schöne Sache, Rider, haben Sie je eine gesehen?«

»Ich habe Männer gesehen, nachdem sie gehenkt wurden«, sagte Sandman und dachte an Badajoz mit seinen blutigen Feldern und den von Schreien erfüllten Straßen. Nachdem die britische Armee trotz heftigen Widerstandes der Franzosen die spanische Stadt eingenommen hatte, rächte sie sich furchtbar an den Bewohnern, und Wellington hatte dem Scharfrichter befohlen, die Wut der Rotröcke abzukühlen. »Plünderer wurden von uns aufgehängt«, erklärte er Sir Henry.

»Das mussten Sie wohl tun«, sagte Sir Henry. »Es ist ein grauenvoller Tod, grauenvoll. Aber natürlich notwendig, das bestreitet niemand …«

»Doch«, warf seine Tochter ein.

»Niemand, der bei gesundem Verstand ist, bestreitet es«, korrigierte ihr Vater seine Äußerung. »Aber ich hoffe, dass ich mir nie wieder eine Hinrichtung ansehen muss.«

»Ich würde gern eine sehen«, sagte Eleanor.

»Sei nicht albern«, herrschte ihr Vater sie an.

»Wirklich!«, beharrte Eleanor. »Ständig sagt man uns, Hinrichtungen dienten einem doppelten Zweck: den Schuldigen zu bestrafen und andere vor Straftaten abzuschrecken, aus diesem Grund werden sie auch als öffentliches Spektakel vollzogen. Meiner unsterblichen Seele wäre es also nur zuträglich, wenn ich eine Hinrichtung ansehen würde und damit gegen jegliches Verbrechen gefeit wäre, das zu begehen ich versucht sein könnte.« Sie schaute von ihrem verwirrten Vater zu Sandman und wieder zurück. »Du hältst es für unwahrscheinlich, dass ich eine Verbrecherin werden könnte, Papa? Das ist lieb von dir, aber ich bin sicher, bei dem Mädchen, das vergangenen Montag gehängt wurde, war es ebenso unwahrscheinlich.«

Sandman schaute Sir Henry an, der widerstrebend nickte. »Ja, sie haben ein junges Mädchen gehenkt, Rider. Ein ganz junges Ding.«

»Wenn ihr Vater sie mit zu einer Hinrichtung genommen hätte, hätte die Abschreckung sie vielleicht von ihrem Verbrechen abgehalten«, sagte Eleanor. »Man könnte sogar behaupten, dass du deiner Pflicht als Christ und Vater nicht nachkommst, wenn du mich nicht mit nach Newgate nimmst.«

Sir Henry starrte sie an und war sich nicht sicher, ob sie scherzte. Dann schaute er achselzuckend zu Sandman, als wolle er sagen, man könne seine Tochter nicht ernst nehmen. »Sie glauben also, dass meine Dienstboten etwas über diese Zofe Meg gehört haben könnten, Rider?«

»Ich habe es gehofft, Sir. Oder dass sie sich vielleicht bei anderen Dienstboten aus der Mount Street erkundigen könnten. Das Avebury-Haus ist kaum einen Steinwurf entfernt, und ich bin sicher, alle Dienstboten der Nachbarschaft kennen sich untereinander.«

»Lizzie kennt bestimmt alle«, sagte Eleanor spitz.

»Meine Liebe«, antwortete ihr Vater streng, »es geht hier um heikle Angelegenheiten, nicht um ein Spiel.«