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Er dachte an Eleanor, und als er keinem der Blicke und Nuancen in seiner Erinnerung mehr neue Hinweise auf ihre Absichten zu entringen vermochte, überlegte er, was er an diesem Tag erreicht hatte. Er hatte erfahren, dass Corday ihm weitgehend die Wahrheit gesagt hatte, er hatte seine Ansicht bestätigt gefunden, dass gelangweilte junge Aristokraten zu den unhöflichsten Menschen gehörten, und er hatte veranlasst, dass Eleanors Zofe sich auf die Suche nach Klatschgeschichten machte, aber in Wahrheit hatte er nicht viel in Erfahrung gebracht. Es gab nichts, was er Viscount Sidmouth hätte berichten können. Was sollte er also tun?

Darüber dachte er nach, als er in das Wheatsheaf zurückkehrte und seine Wäsche zu der Frau hinunterbrachte, die für jedes Hemd einen Penny verlangte und mit der er zwanzig Minuten plaudern musste, um sie nicht zu beleidigen. Anschließend flickte er seine Stiefel mit einer Segelmachernadel und Lederhandschutz, die er sich vom Wirt ausborgte, und versuchte einen Fleck im Ärmel seines Gehrocks auszubürsten. Von allen Nachteilen der Armut empfand er das Fehlen eines Dienstboten, der die Kleidung sauber hielt, als zeitraubendsten Mangel. Zeit hätte er dringend gebraucht. Er überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Nach Wiltshire fahren, sagte er sich. Lieber würde er auf die Fahrt verzichten, da sie weit und kostspielig war und er nicht die geringste Gewähr besaß, dort die Zofe Meg zu finden, aber wenn er wartete, bis er von Eleanor hörte, könnte es bereits zu spät sein. Es bestand eine gewisse Chance, dass man sämtliche Dienstboten aus dem Londoner Haus auf das Landgut des Earl geholt hatte. Also fahre hin, sagte er sich. Wenn er morgen früh die Postkutsche nähme, wäre er am frühen Nachmittag dort und könnte am nächsten Morgen mit der Postkutsche zurückfahren. Aber er scheute die Ausgaben. Er könnte auch die Frachtpostkutsche nehmen, die in jeder Richtung nicht mehr als ein Pfund kosten dürfte, damit würde er aber Wiltshire nicht vor dem Abend erreichen. Da er vermutlich zwei oder drei Stunden brauchen würde, das Haus des Earl of Avebury zu finden, würde er kaum vor Einbruch der Dunkelheit dort ankommen und musste bis zum nächsten Morgen warten, bevor er dort vorsprechen könnte, während er das Gut des Earl mit der Postkutsche spätestens am Nachmittag erreichen würde. Die Fahrt käme mindestens doppelt so teuer, aber Corday blieben nur noch fünf Tage Zeit. Sandman zählte sein Geld und wünschte, er hätte Sally nicht so großzügig zum Mittagessen eingeladen, schalt sich aber gleich für diesen wenig galanten Gedanken. Er ging zur Poststation Charing Cross und bezahlte zwei Pfund sieben Schillinge für den letzten von vier Sitzplätzen in der nächsten Morgenkutsche nach Marlborough.

Als er wieder ins Wheatsheaf kam, ging er in die Abstellkammer, wo er zwischen Bierfässern und reparaturbedürftigen Möbelstücken seine frisch geflickten Stiefel putzte. Die finstere, muffige Kammer wurde nicht nur von Ratten, sondern auch von Dodds, dem Laufburschen des Gasthauses, heimgesucht. Sandman saß auf einem Fass in einer dunklen Ecke, hörte Dodds’ unmelodisches Pfeifen und wollte ihm schon einen Gruß zurufen, als er eine fremde Stimme hörte. »Sandman ist nicht oben.«

»Ich habe ihn aber reinkommen sehen«, sagte Dodds in seiner üblichen aufsässigen Art.

Ganz leise zog Sandman seine Stiefel an. Die Stimme des Fremden war barsch und lud Sandman keineswegs dazu ein, sich zu erkennen zu geben. Vielmehr veranlasste sie ihn, sich eine Waffe zu suchen, er fand aber nur eine Fassdaube. Es war nicht viel, aber er hielt sie wie einen Degen, als er sich vorsichtig zur Tür schlich.

»Hast du was gefunden?«, fragte der Fremde.

»Das hier und einen Kricketschläger«, antwortete ein anderer Mann. Sandman, der immer noch im Schatten stand, beugte sich leicht vor und sah einen jungen Mann, der seinen Schläger und seinen Armeedegen hielt. Die beiden Männer waren offenbar in Sandmans Abwesenheit in seinem Zimmer gewesen, worauf einer von ihnen heruntergekommen war, um ihn zu suchen, während der andere sich in seinem Zimmer umgesehen und die beiden einzigen Dinge von Wert entdeckt hatte. Da Sandman es sich nicht leisten konnte, beides zu verlieren, blieb ihm nichts anderes übrig, als Schläger und Degen zu holen und herauszufinden, wer die beiden Männer waren.

»Ich schaue im Schankraum nach«, sagte der erste Mann.

»Bring ihn mir her«, befahl der Zweite und lieferte sich Sandman auf Gedeih und Verderb aus.

Sandman brauchte nur abzuwarten. Der erste Mann ging mit Dodds durch die Dienstbotentür und ließ den Zweiten im Gang stehen, wo er Sandmans Degen halb aus der Scheide zog und die Inschrift auf der Klinge betrachtete. So stand er immer noch da, als Sandman aus der Abstellkammer kam und ihm die Fassdaube wie einen Schlagstock in die Nieren rammte. Der Aufprall ließ das Holz zersplittern, der Mann machte stöhnend einen Satz nach vorn. Sandman ließ die Daube los, packte den Mann an den Haaren und zog ihn nach hinten. Der Mann ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten, aber Sandman brachte ihn zu Fall, dass er rückwärts auf den Boden prallte, wo Sandman ihm in die Lenden trat. Der Mann schrie und krümmte sich vor Schmerz.

Sandman nahm Schläger und Degen, die auf den Boden gefallen waren. Der Kampf hatte nur wenige Sekunden gedauert, der Mann stöhnte und wand sich vor Schmerz, was allerdings nicht hieß, dass er sich nicht bald erholen würde. Da Sandman fürchtete, er könnte eine Schusswaffe bei sich haben, schob er mit der Degenscheide seinen Mantel auseinander.

Er erkannte eine schwarz-gelbe Livree. »Sie kommen aus dem Seraphim Club?«, fragte er. Der Mann keuchte etwas unter Schmerzen, allerdings eine Aufforderung, der Sandman nicht nachzukommen gedachte. Er beugte sich über den Mann, tastete seine Manteltaschen ab und fand eine Pistole, die er hastig herauszog, wobei er mit dem Spannhahn das Taschenfutter aufriss. »Ist sie geladen?«, fragte er.

Da der Mann lediglich seine Beschimpfung wiederholte, legte Sandman ihm den Lauf an die Schläfe und spannte die Waffe. »Ich frage noch einmal«, sagte er, »ist sie geladen?«

»Ja!«

»Warum sind Sie hier?«

»Sie wollten, dass wir Sie in den Club bringen.«

»Warum?«

»Ich weiß es nicht! Sie haben uns geschickt.«

Es war durchaus wahrscheinlich, dass der Mann mehr nicht wusste, daher trat Sandman einen Schritt zurück. »Verschwinden Sie«, sagte er. »Holen Sie Ihren Freund aus dem Schankraum und sagen Sie ihm, wenn er einem Soldaten Arger machen will, soll er eine Armee mitbringen.«

Der Mann schaute ihn vom Boden her ungläubig an. »Ich kann gehen?«

»Raus«, sagte Sandman und schaute zu, wie der Mann aufstand und aus dem Flur humpelte. Warum wollte man ihn im Seraphim Club haben? Warum schickten sie zwei Schläger, ihn zu holen? Warum schickten Sie ihm nicht einfach eine Einladung?

Er folgte dem humpelnden Mann in die Schänke, wo zahlreiche Gäste an den Tischen saßen. Ein blinder Fiedler stimmte in der Kaminecke sein Instrument und schaute mit blicklosen weißen Augen auf, als Sally Hood ängstlich aufschrie. Sie starrte auf die Waffe in Sandmans Hand. Er hob sie an und richtete die schwarze Mündung gegen die Decke, was die beiden Männer als Hinweis nahmen, die Flucht zu ergreifen. Sorgsam senkte Sandman die Waffe und schob sie in seinen Gürtel, als Sally zu ihm lief. »Was ist passiert?«, fragte sie und umklammerte in ihrer Angst Sandmans Arm.

»Alles in Ordnung, Sally«, beruhigte er sie.

»Das ist es verdammt noch mal nicht«, sagte sie. Sie schaute mit großen Augen an ihm vorbei, und Sandman hörte, wie eine Waffe gespannt wurde.