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Er machte seinen Arm aus Sallys Umklammerung los, drehte sich um und sah eine Pistole mit langem Lauf, die zwischen seine Augen gerichtet war. Der Seraphim Club hatte nicht zwei Männer geschickt, ihn zu holen, sondern drei. Und dieser Dritte war, wie Sandman vermutete, der Gefährlichste von allen, denn es war Sergeant Berrigan, ehemals Feldwebel Seiner Majestät First Foot Guards. Er saß grinsend in einer Nische. Sally griff wieder nach Sandmans Arm und stöhnte leise vor Furcht.

»Es ist wie bei den französischen Dragonern, Captain«, sagte Sergeant Berrigan. »Wenn Sie die Kerle nicht gleich beim ersten Mal richtig verabschieden, kommen sie mit Sicherheit wieder, um Sie in die Falle zu locken.«

Und Sandman saß in der Falle.

4

Sergeant Berrigan richtete die Pistole noch einen Augenblick auf Sandman, bevor er sie senkte, auf den Tisch legte und mit dem Kopf auf die Bank ihm gegenüber deutete. »Dank Ihnen habe ich gerade ein Pfund gewonnen, Captain.«

»Schwein!«, spie Sally Berrigan ins Gesicht.

»Sally! Sally!«, beruhigte Sandman sie.

»Er hat verdammt noch mal kein Recht, Sie mit der Waffe zu bedrohen«, protestierte Sally und fuhr dann Berrigan an: »Wofür halten Sie sich eigentlich?«

Sandman schob sie auf die Bank und setzte sich neben sie. »Erlauben Sie mir, Ihnen Sergeant Berrigan vorzustellen, ehemals Feldwebel Seiner Majestät First Foot Guards. Das ist Miss Sally Hood.«

»Sam Berrigan«, sagte der Sergeant, offenkundig amüsiert über Sallys Wutausbruch, »es ist mir eine Ehre, Miss.«

»Mir überhaupt nicht.« Sie funkelte ihn wütend an.

»Ein Pfund?«, fragte Sandman Berrigan.

»Ich habe gesagt, diese beiden dusseligen Kerle würden Sie nicht zu packen kriegen, Sir. Nicht Captain Sandman vom 52.«

Sandman musste beinahe grinsen. »Lord Skavadale schien mich als Kricketspieler zu kennen, nicht als Soldat.«

»Ich wusste, in welchem Regiment Sie gedient haben«, sagte Berrigan. Er schnippte mit den Fingern, und sofort eilte eine der Kellnerinnen herbei. Dass Berrigan sein ehemaliges Regiment kannte, beeindruckte Sandman nicht annähernd so sehr wie die Tatsache, dass ein Fremder im Wheatsheaf so prompt bedient wurde. Sam Berrigan strahlte etwas überaus Kompetentes aus. »Ich nehme ein Ale, Miss«, sagte Sergeant Berrigan dem Mädchen und schaute Sally fragend an. »Was hätten Sie gern, Miss Hood?«

Sally rang einen Augenblick mit sich, ob sie Sam Berrigans Angebot nicht am liebsten ausschlagen würde, kam aber zu dem Schluss, dass das Leben zu kurz sei, um eine Einladung abzulehnen. »Ich nehme einen Ginpunsch, Molly«, sagte sie schmollend.

»Ale«, bestellte Sandman.

Berrigan drückte Molly eine Münze in die Hand und hielt sie fest. »Einen Krug Ale, Molly, und sorgen Sie dafür, dass der Ginpunsch so gut ist wie bei Limmer’s.«

Fasziniert knickste Molly vor dem Sergeant. »Sir, Mister Jenkins mag keine Waffen auf seinen Tischen«, flüsterte sie.

Lächelnd ließ Berrigan ihre Hand los und steckte die Pistole in eine tiefe Jackentasche. Er schaute Sandman an. »Lord Robin Holloway hat die beiden geschickt«, sagte er abfällig, »und der Marquess hat mich geschickt.«

»Marquess?«

»Skavadale, Captain. Er wollte nicht, dass Ihnen etwas zustößt.«

»Seine Lordschaft ist plötzlich sehr großzügig.«

»Nein, Sir«, antwortete Berrigan. »Der Marquess möchte keinen Arger, aber Lord Robin? Ihm ist das egal. Er ist ein Trottel, das ist er. Er hat die beiden geschickt, damit sie Sie in den Club bringen, wo er Sie herausfordern wollte.«

»Zu einem Duell?« Sandman war amüsiert.

»Pistolen, denke ich.« Berrigan war ebenfalls amüsiert. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er noch einmal mit Ihnen fechten will. Aber ich habe dem Marquess gesagt, dass die beiden es nie schaffen werden, Sie in ihre Gewalt zu bringen. Sie waren ein zu guter Soldat.«

Sandman grinste. »Woher wissen Sie, was für ein Soldat ich war, Sergeant?«

»Ich weiß genau, was für ein Haudegen Sie waren«, sagte Berrigan. Er hatte ein gutes Gesicht, fand Sandman, breit, zäh und mit selbstbewusstem Blick.

Sandman zuckte die Achseln. »Ich glaube nicht, dass ich einen besonderen Ruf hatte.«

Berrigan schaute Sally an. »Es war an einem Abend in Waterloo, Miss, und wir waren geschlagen. Ich wusste es. Ich habe genug Kämpfe erlebt, um zu wissen, wann man geschlagen ist. Wir standen einfach da und starben. Wir gaben nicht auf, verstehen Sie mich nicht falsch, Miss, aber die verdammten Franzen hatten uns geschlagen. Sie waren einfach zu viele. Den ganzen Tag hatten wir sie getötet, und ständig kamen mehr, der Tag ging zu Ende, und die letzten von ihnen kamen den Hügel herauf. Es waren vier Mal so viele wie wir. Ich beobachtete ihn«, er deutete mit dem Kopf auf Sandman, »er ging in vorderster Front auf und ab, als ob nichts auf der Welt ihm Sorgen machte. Sie hatten Ihren Hut verloren, nicht wahr, Sir?«

Sandman lachte bei der Erinnerung. »Ja, Sie haben Recht.« Eine französische Musketensalve hatte ihm seinen Zweispitz weggeblasen, er war verschwunden. Sofort hatte er den verbrannten Boden um sich her abgesucht, aber der Hut war fort. Er fand ihn nie wieder.

»Es war sein blondes Haar«, erklärte Berrigan Sally. »An einem dämmrigen Tag fiel es auf. Er ging auf und ab, keine fünfzig Schritte entfernt hatten die Franzen einen Vorposten. Alle schossen auf ihn, aber er zuckte nicht mal mit der Wimper. Ging einfach weiter.«

Sandman war verlegen. »Ich habe lediglich meine Pflicht getan, Sergeant, genau wie Sie, und ich hatte Angst, das kann ich Ihnen versichern.«

»Aber bei Ihnen konnten wir sehen, dass Sie Ihre Pflicht taten«, sagte Berrigan und schaute Sally an, die mit offenem Mund zuhörte. »Er ging auf und ab, und die kaiserliche Garde kam den Hügel herauf, und ich dachte schon, das war’s. Das war’s, Sam. Ein kurzes Leben und ein flaches Grab, denn es waren nur noch wenige von uns übrig, aber der Captain hier, der schlenderte immer noch umher wie an einem Sonntag im Hyde Park, und dann blieb er stehen, beobachtete die Franzen so kühl, wie man sich es nur denken kann, und lachte.«

»Daran erinnere ich mich nicht«, sagte Sandman.

»Doch«, beharrte Berrigan, »Der Tod kam in blauer Uniform den Hang herauf, und Sie lachten!«

»Ich hatte einen Oberfeldwebel, der immer im unpassenden Augenblick schlechte Witze machte«, sagte Sandman. »Ich vermute, er hatte gerade etwas Unanständiges gesagt.«

»Dann sah ich, wie er seine Männer um die gegnerische Flanke führte und die Feinde zum Teufel jagte«, erzählte Berrigan Sally weiter.

»Das war ich nicht«, wandte Sandman vorwurfsvoll ein. »Johnny Colborne führte uns um die Flanke. Es war sein Regiment.«

»Aber Sie übernahmen die Führung«, beharrte Berrigan. »Sie hatten die Führung.«

»Nein, nein, nein«, entgegnete Sandman. »Ich war Ihnen nur am nächsten, Sergeant, und die französischen Garden haben wir bestimmt nicht allein geschlagen. Wenn ich mich recht erinnere, steckte Ihr Regiment mitten drin?«

»Wir waren gut an dem Tag«, räumte Berrigan ein. »Wir waren sehr gut, und das mussten wir auch sein, zum Teufel, denn die Franzen waren verdammt stark.« Er schenkte zwei Humpen Ale ein und hob seinen an. »Auf Ihre Gesundheit, Captain.«

»Darauf trinken wir«, sagte Sandman, »obwohl ich bezweifle, dass Ihre Arbeitgeber sich diesem Wunsch anschließen würden.«

»Lord Robin mag Sie nicht«, bestätigte Berrigan, »weil Sie ihn zum Narren gemacht haben, aber das ist nicht schwer, weil er ein verdammter Idiot ist.«

»Vielleicht mögen sie mich nicht, weil sie nicht wollen, dass der Mord an der Countess untersucht wird«, stellte Sandman fest.

»Ich glaube, das ist ihnen gleich«, vermutete Berrigan.