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»Zurück? Warum?«

»Weil sie wieder zurückkommen mussten, sobald ein Angriff unsere Stellungen überrannt hatte.«

»Sie griffen also von beiden Seiten an?«

»Von allen Seiten«, sagte Sandman. Er erinnerte sich an die wirbelnden Reiter, den Morast, das von den Hufen aufspritzende Stroh und das Schreien der sterbenden Pferde.

»Wie viel Kavallerie?«, wollte der Earl wissen.

»Ich habe nicht gezählt, Mylord. Wie viele Dienstboten hatte Ihre Frau?«

Der Earl wandte sich grinsend von Sandman ab. »Bring mir einen Reiter, Betty«, befahl er. Das Mädchen brachte ihm gehorsam einen Zinnsoldaten, der einen französischen Dragoner in grüner Uniform darstellte. »Sehr hübsch, meine Liebe«, sagte der Earl, stellte den Dragoner auf den Tisch und zog Betty auf seinen Schoß. »Ich bin ein alter Mann, Captain, und wenn Sie etwas von mir wollen, müssen Sie mir schon entgegenkommen. Betty weiß das, nicht wahr, mein Kind?«

Das Mädchen nickte und zuckte zusammen, als der Earl ihr mit knochiger Hand ins Kleid fuhr, um ihre Brust zu packen. Sie war etwa fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, ein Mädchen vom Land mit lockigem Haar, Sommersprossen und rundem, gesundem Gesicht.

»Wie muss ich Ihnen entgegenkommen, Mylord?«, fragte Sandman.

»Nicht wie Betty! Nein, nein!« Der Earl schaute Sandman verschlagen an. »Sie werden mir alles erzählen, was ich wissen will, Captain, und vielleicht, wenn Sie fertig sind, sage ich Ihnen ein bisschen von dem, was Sie wissen wollen. Der Adel hat seine Privilegien.«

Draußen in der Eingangshalle schlug die Uhr sechs, ein Geräusch, das in dem großen, leeren Haus etwas Melancholisches hatte. Sandman hatte das verzweifelte Gefühl, seine Zeit zu verschwenden. Er musste erfahren, ob Meg hier war, und er musste zurück nach London, aber er spürte, dass der Earl den ganzen Abend mit ihm spielen und ihn letzten Endes fortschicken würde, ohne seine Fragen zu beantworten. Der Earl, der Sandmans Missbilligung spürte und genoss, zog die Brust des Mädchens aus dem Kleid. »Fangen wir ganz am Anfang an, Captain«, sagte er und nuckelte an dem warmen Fleisch. »Fangen wir bei Morgengrauen an, ja? Es regnete, nicht wahr?«

Sandman ging um den Tisch, bis er hinter dem Earl stand, und beugte sich herunter, dass seine Nase beinahe die steifen Haare der Perücke berührte. »Warum sprechen wir nicht über das Ende der Schlacht, Mylord?«, fragte Sandman leise. »Sprechen wir doch über den Angriff der kaiserlichen Garde. Denn ich war dabei, als wir aus der Linie ausbrachen und die Bastarde von der Flanke angriffen.« Er beugte sich noch tiefer herunter und roch den Gestank des Lords, sah eine Laus über den Rand seiner Perücke krabbeln. Seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. »Sie hätten die Schlacht gewonnen, Mylord, es war alles vorbei, bis auf die Verfolgung, aber wir drehten die Geschichte im Handumdrehen um. Wir marschierten aus der Linie und belegten sie mit Salvenfeuer, Mylord, und dann pflanzten wir unsere Bajonette auf. Ich kann Ihnen genau erzählen, wie es war. Ich kann Ihnen erzählen, wie wir gewonnen haben, Mylord.« Sandman geriet in Wut, in seiner Stimme lag Bitterkeit. »Wir haben gewonnen! Aber Sie werden diese Geschichte niemals erfahren, Mylord, niemals, weil ich verdammt noch mal dafür sorgen werde, dass kein einziger Offizier des 52. Regiments je mit Ihnen reden wird! Haben Sie verstanden? Kein einziger Offizier wird je mit Ihnen reden. Guten Tag, Mylord. Wenn Ihr Diener vielleicht so freundlich wäre, mich zur Tür zu bringen?« Er ging auf die Tür zu. Er würde den Diener fragen, ob Meg hierher gekommen war, und wenn nicht, womit er rechnete, wäre diese ganze Reise reine Zeit- und Geldverschwendung gewesen.

»Captain!« Der Earl hatte das Mädchen von seinem Schoß geschoben. »Warten Sie!« Sein Gesicht zuckte unter dem Rouge. Es lag Bosheit darin, eine alte, verbitterte, hartherzige Bosheit, aber da er unbedingt wissen wollte, wie sie Bonapartes hoch gelobte Garde besiegt hatten, knurrte er die beiden Mädchen und den Diener an: »Lasst mich mit dem Captain allein.«

Es verstrich viel Zeit, bis Sandman ihm seine Geschichte entlockt hatte. Aber Geduld und eine Flasche geschmuggelter französischer Cognac ließen den Earl schließlich die bittere Wahrheit über seine Ehe ausspeien, die sich weitgehend mit dem deckte, was Lord Christopher bereits erzählt hatte. Der Earl of Avebury hatte seine zweite Frau, Celia, auf der Bühne zum ersten Mal gesehen. »Beine«, sagte er verträumt, »was für Beine, Captain, was für Beine. Das war das Erste, was ich von ihr sah.«

»Im Sans Pareil?«, warf Sandman ein.

Der Earl warf ihm einen verschlagenen Blick zu. »Mit wem haben Sie gesprochen?«

»Die Leute in der Stadt reden«, sagte Sandman.

»Mein Sohn?«, erriet der Earl und lachte. »Dieser kleine Dummkopf? Dieser teigige kleine Schwächling? Gütiger Gott, Captain, den hätte ich prügeln sollen, als er noch ein Kind war. Seine Mutter war eine verdammte dumme Heilige, sie zu begatten war, als triebe man es mit einer frommen Maus, und der blöde Kerl glaubt, er schlägt nach ihr, aber das stimmt nicht. Es steckt viel von mir in ihm. Da kann er noch so lange auf Knien herumrutschen, Captain, aber er denkt immer nur an Hintern und Busen, Beine und noch mal Busen. Sagt, er will Priester werden! Aber das wird er nicht. Er will nur, dass ich sterbe und der Besitz ihm gehört, Captain. Er ist ihm als Erbgut übertragen, hat er Ihnen das erzählt? Und er wird alles für Busen, Beine und Hintern ausgeben, genau wie ich es getan hätte, der einzige Unterschied zwischen diesem stotternden Narren und mir ist, dass ich mich nie dafür geschämt habe. Ich habe es genossen, Captain, genieße es immer noch, und er leidet unter seinen Schuldgefühlen. Schuld!« Der Earl spie das Wort aus, wobei seine Spucke durch den Raum flog. »Was hat der farblose Idiot Ihnen denn nun erzählt? Dass ich Celia getötet habe? Vielleicht war ich es, Captain, vielleicht ist aber auch Maddox in die Stadt gefahren und hat es für mich erledigt, doch wie wollen Sie das beweisen, he?« Der Earl erwartete eine Antwort, aber Sandman schwieg. »Wussten Sie, dass Aristokraten an einem seidenen Strang aufgehängt werden?«

»Nein, das wusste ich nicht, Mylord.«

»So heißt es jedenfalls, so heißt es«, erklärte der Earl. »Das gemeine Volk wird mit einem Stück einfachen Hanfs aufgeknüpft, aber wir Lords bekommen einen Seidenstrang, und für den Tod dieser Hexe würde ich gern einen Seidenstrang in Kauf nehmen. Sie hat mich ausgeraubt bis aufs Hemd. Ich wusste gar nicht, dass eine Frau so viel Geld ausgeben kann! Als ich wieder zur Besinnung kam, versuchte ich, ihr die Zuwendungen zu entziehen. Ich lehnte es ab, ihre Schulden zu bezahlen, und sagte den Vermögenstreuhändern, sie sollten sie aus dem Haus werfen, aber die Mistkerle ließen sie da. Vielleicht hat sie ja einen von ihnen mit ihrer Gunst bestochen. So machte sie nämlich ihr Geld, Captain, mit gekonnter Fleischeslust.«

»Wollen Sie behaupten, dass sie eine Hure war, Mylord?«

»Keine gewöhnliche Hure«, sagte der Earl. »Sie war nicht nur ein Stück käufliches Fleisch, so viel muss ich zu ihrer Verteidigung sagen. Sie nannte sich Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin, aber in Wahrheit war sie eine gerissene Hexe, und ich war so dumm, sie zu heiraten.« Er grinste in sich hinein und schaute dann Sandman aus rheumatischen Augen an. »Celia war eine Erpresserin, Captain. Sie nahm sich einen jungen Mann aus der Gesellschaft zum Liebhaber, brachte den armen Dummkopf dazu, ihr einen oder zwei Briefe zu schreiben, worin er um ihre Gunst bettelte, und wenn er sich mit einer reichen Erbin verlobte, drohte sie, die Briefe öffentlich zu machen. Sie hat ganz schönes Geld damit gemacht! Das hat sie mir selbst erzählt! Ins Gesicht hat sie es mir gesagt, dass sie mein Geld nicht braucht, weil sie selbst Geld hat.«

»Wissen Sie, welche Männer sie auf diese Weise erpresst hat, Mylord? «