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»Im Schrank.« Sir George deutete mit dem Kopf auf die andere Seite des Raumes.

Sandman öffnete die Schranktür und fand ein kleines Waffenarsenal, das größtenteils für Gemälde gebraucht wurde, wie er annahm. Es gab Marine- und Armeedegen, Pistolen, Musketen und eine Patronenschachtel. Er drückte Berrigan eine Kavalleriepistole in die Hand, nahm eine Hand voll Patronen und steckte sie in die Tasche, bevor er ein Messer ergriff. »Sie haben meine Zeit verschwendet«, sagte er zu Sir George. »Sie haben mich belogen und mir Ungelegenheiten bereitet.« Er durchquerte den Raum mit dem Messer und sah das Entsetzen in Sir Georges Miene. »Sally!«, rief Sandman.

»Ich bin hier«, rief sie die Treppe hinauf.

»Wie viel schuldet dir Sir George?«

»Zwei Pfund und fünf Schillinge!«

»Bezahlen Sie sie«, befahl er.

»Sie erwarten doch wohl nicht, dass ich Bargeld bei mir …«

»Bezahlen Sie sie!«, brüllte Sandman, worauf Sir George beinahe vom Schemel fiel.

»Ich habe nur drei Guineen bei mir«, winselte er.

»Ich finde, das ist Miss Hood wert«, erklärte Sandman. »Geben Sie dem Sergeant die drei Guineen.«

Sir George händigte ihm das Geld aus, während Sandman sich dem Gemälde zuwandte. Britannia war praktisch fertig und saß mit nacktem Busen und stolzem Blick auf ihrem Felsen inmitten einer sonnenbeschienenen See. Die Göttin war unverkennbar Sally, obwohl Sir George ihr statt der üblichen heiteren Miene eine ruhige Überlegenheit verliehen hatte. »Sie haben mir wahrhaftig Ungelegenheiten bereitet«, sagte Sandman zu Sir George. »Schlimmer noch, Sie waren bereit, einen unschuldigen Jungen sterben zu lassen.«

»Ich habe alles gesagt, was ich sagen kann!«

»Ja, jetzt, aber vorher haben Sie gelogen, und ich finde, Sie brauchen auch ein paar Scherereien. Sie müssen lernen, Sir George, dass jede Sünde ihren Preis hat. Kurz, Sie müssen bestraft werden.«

»Sie unverschämter …« Sir George sprang auf und rief: »Nein!«

Berrigan hielt Sir George fest, während Sandman mit dem Messer auf die Apotheose Lord Nelsons zuging. Sammy kam gerade mit dem Teetablett die Treppe herauf und schaute erschrocken zu, wie Sandman die Leinwand mit zwei Schnitten durchtrennte. »Ein Freund von mir wird wohl bald heiraten«, erklärte er. »Er weiß es noch nicht, auch seine zukünftige Braut nicht, aber sie mögen sich ganz offensichtlich, und wenn es so weit ist, möchte ich ihnen etwas schenken.« Mit einem weiteren Schnitt trennte er die Leinwand von der Oberkante ab und löste Sallys Porträt aus dem großen Bild heraus. Er warf das Messer zu Boden, rollte das Gemälde der Britannia ein und grinste Sir George an. »Das ist ein wunderbares Geschenk, also werde ich es firnissen und rahmen lassen. Vielen Dank für Ihre Hilfe. Sergeant? Ich glaube, wir sind hier fertig.«

»Ich komme mit!«, sagte Sally an der Treppe. »Aber jemand muss die Häkchen an meinem Kleid zumachen.«

»Die Pflicht ruft«, sagte Sandman zu Berrigan. »Zu Diensten, Sir George.«

Sir George funkelte ihn wütend an, schien aber unfähig, etwas zu sagen. Grinsend lief Sandman die Treppe hinunter und lachte immer noch, als er die Straße erreichte, wo er auf Berrigan und Sally wartete. Sie kamen nach, sobald Sallys Kleid geschlossen war. »Wer wird bald heiraten?«, fragte Berrigan.

»Zwei Freunde von mir«, antwortete Sandman leichthin. »Und wenn nicht, na ja, dann behalte ich das Bild vielleicht selbst.«

»Captain!«, schimpfte Sally.

»Heiraten?« Berrigan klang erschrocken.

»Ich bin sehr altmodisch und glaube fest an die christliche Moral«, sagte Sandman.

»Wo wir gerade davon sprechen«, sagte der Sergeant, »wieso haben wir die Pistolen mitgenommen?«

»Weil wir als Nächstes in den Seraphim Club müssen, Sergeant, und dorthin gehe ich ungern unbewaffnet. Außerdem würde ich es vorziehen, wenn sie von unserem Besuch nichts merken würden. Wann wäre die beste Zeit dafür?«

»Warum gehen wir da hin?«, erkundigte sich Berrigan.

»Um mit den Kutschern zu sprechen, selbstverständlich.«

Der Sergeant überlegte kurz und nickte. »Dann gehen wir nach Einbruch der Dunkelheit, dann können wir uns leichter hineinschleichen, und es ist mindestens einer der beiden da.«

»Hoffen wir, dass es der richtige Kutscher ist«, sagte Sandman und ließ den Deckel seiner Taschenuhr aufspringen. »Nicht vor Einbruch der Dunkelheit? Das heißt, ich habe den ganzen Nachmittag Zeit.« Er überlegte ein Weilchen. »Ich werde einen Freund besuchen. Sagen wir, wir treffen uns um neun Uhr? Hinter dem Club?«

»Treffen wir uns am Eingang zur Remise«, schlug der Sergeant vor.

»Oder möchten Sie mit mir kommen?«, fragte Sandman. »Ich werde mir mit einem Freund die Zeit vertreiben.«

»Nein, ich ruhe mich lieber ein bisschen aus.« Berrigan wurde rot.

»Dann legen Sie das doch bitte in mein Zimmer«, sagte Sandman und gab dem Sergeant das eingerollte Porträt Sallys. »Und Sie, Miss Hood? Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie den Nachmittag verbringen möchten. Würden Sie mich zu einem Freund von mir begleiten?«

Sally hakte sich beim Sergeant unter, lächelte Sandman zuckersüß an und sagte sanft: »Verschwinden Sie, Captain.«

Lachend tat Sandman, wie ihm befohlen wurde. Er verschwand.

7

»Bunny« Barnwell galt als der beste Werfer im Kricketclub Marylbone, obwohl er eine eigenwillig federnde Anlauftechnik hatte, die mit einem Doppelhüpfer endete, bevor er den Ball von der Seite her warf. Dieser Doppelhüpfer hatte ihm seinen Spitznamen eingetragen, und nun warf er Rider Sandman den Ball auf einem der mit Netzen geschützten Übungsplätze zu, die am unteren Ende des neuen Thomas-Lord-Kricketgeländes in dem hübschen Londoner Vorort St. John’s Wood lagen.

Lord Alexander Pleydell stand neben dem Netz und beobachtete besorgt jeden Ball. »Wirft Bunny vom Gras weg?«, fragte er.

»Überhaupt nicht.«

»Er soll dem Ball einen Drall geben, damit er genau auf deine Beine fliegt. Scharf nach innen. Crossley sagt, das ist äußerst verwirrend.«

»Crossley lässt sich leicht verwirren«, sagte Sandman und schlug den Ball so fest ins Netz, dass Lord Alexander erschrocken zurücksprang.

Barnwell warf Sandman abwechselnd mit Hughes, Lord Alexanders Diener, den Ball zu. Hughes hielt sich für einen brauchbaren Unterarmwerfer, aber allmählich ärgerte er sich, weil er keinen einzigen Ball an Sandmans Schläger vorbeizubringen vermochte. Daher gab er sich allzu viel Mühe und warf einen Ball, der überhaupt keinen Drall hatte. Sandman schlug ihn mit Schwung aus dem Netz. Der Ball schoss den Hang hinauf, wo drei Männer das Gras des Spielfeldes mit der Sense schnitten. Sandman begriff nicht, wie man in einem derart abschüssigen Gelände ein Kricketfeld anlegen konnte, aber Alexander hegte eine merkwürdige Vorliebe für Thomas Lords neuen Platz, obwohl er von einem Ende zum anderen ein Gefälle von mindestens sechs bis sieben Fuß aufwies.

Barnwell versuchte einen Unterarmwurf und musste zusehen, wie sein Ball den gleichen Weg den Hang hinauf nahm wie der von Hughes. Einer der Balljungen warf einen schnellen Ball zwischen Sandmans Beine und wurde mit einem Schlag belohnt, der ihm beinahe den Kopf abriss. »Du hast schlechte Laune«, stellte Lord Alexander fest.

»Eigentlich nicht. Es ist feucht, der Ball ist langsam«, log Sandman. In Wahrheit hatte er schlechte Laune, weil er sich fragte, wie er sein Versprechen gegenüber Eleanor einhalten sollte und warum er überhaupt vorgeschlagen hatte, mit ihr durchzubrennen, falls ihr Vater ihnen seinen Segen verweigerte. Nein, die Antwort auf die zweite Frage war ihm durchaus klar. Er hatte es ihr versprochen, weil er sich, wie immer, von Eleanor, ihrem Anblick, ihrer Nähe und seinem eigenen Verlangen nach ihr hatte überwältigen lassen, aber konnte er sein Wort einlösen? Er schlug den Ball mit solcher Wucht ins Netz, dass es gegen den Zaun prallte, die Zaunpfähle wackelten und ein Dutzend Spatzen auseinander flatterten. Wie konnte er mit ihr durchbrennen, fragte Sandman sich. Wie konnte er eine Frau heiraten, wenn er sie nicht ernähren konnte? Und wo blieb die Ehre bei einer schottischen Schlupflochheirat, die weder Eheerlaubnis noch Aufgebot erforderte? Vor Wut holte er mit dem Schläger weit aus und schlug den Ball fest in Richtung der Ställe, wo die Clubmitglieder während der Spiele ihre Pferde unterstellten.