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»Sie können doch nicht …«, setzte Sandman an.

»Ich habe dir gesagt, dass er das sagen wird«, brüstete Berrigan sich vor Sally. »Habe ich nicht gesagt, dass er sagen wird, du darfst nicht mitkommen?«

»Sergeant!«, insistierte Sandman eindringlich. »Wir können unmöglich …«

»Sie suchen Meg, stimmt’s?«, fiel Sally ihm ins Wort. »Und sie wird nicht sonderlich zugänglich sein, wenn zwei alte Soldaten sie in die Mangel nehmen, oder? Sie brauchen das Händchen einer Frau.«

»Ich bin sicher, dass zwei alte Soldaten Megs Vertrauen gewinnen können«, erwiderte Sandman.

»Sal lässt sich nicht abweisen«, warnte der Sergeant ihn.

»Außerdem ist Meg nicht im Seraphim Club«, fuhr Sandman fort. »Wir gehen nur hin, um den Kutscher zu suchen, damit er uns sagen kann, wohin er sie gebracht hat.«

»Vielleicht erzählt er mir ja, was er Ihnen nicht sagen will«, sagte Sally und bedachte Sandman mit einem strahlenden Lächeln. Dann wandte sie sich an den Nachtwächter. »Hast du nichts Besseres zu tun, als andere Leute zu belauschen?«

Verdutzt folgte der Mann dem Laternenanzünder die Straße hinunter, während Sergeant Berrigan einen Schlüssel aus seiner Tasche angelte, den er Sandman zeigte. »Hintertür, Captain«, sagte er und schaute Sally an. »Hör zu, Schatz, ich weiß …«

»Spar dir das, Sam, ich komme mit!«

Berrigan ging kopfschüttelnd voraus. »Ich weiß nicht, was das soll«, knurrte er. »Die Frauen erzählen dir, das Leben wäre ungerecht, weil Männer alle Vorrechte hätten, aber immer kriegen die Weiber ihren Willen. Haben Sie das auch schon gemerkt, Captain? Ständig meckern sie über dies und das, aber wer trägt Seide, Gold und Perlen, he?«

»Redest du von mir, Sam Berrigan?«, fragte Sally.

»Wahre Liebe«, murmelte Sandman. Berrigan legte einen Finger an die Lippen, als sie ein breites Tor in einer weißen Mauer am Ende der kurzen Gasse erreichten.

»Um diese Zeit ist es ruhig im Club«, sagte Berrigan leise. »Eigentlich müssten wir uns hineinschleichen können.« Er ging an eine schmale Tür neben dem Tor, fand sie verschlossen und benutzte den Schlüssel. Er schob die Tür auf, spähte in den Hof, und da er offenbar niemanden sah, trat er über die Schwelle und winkte Sally und Sandman, ihm zu folgen.

Der Hof war leer bis auf eine blau lackierte und mit Gold abgesetzte Kutsche, die offensichtlich gerade gewaschen worden war, denn sie glänzte im Dämmerlicht, Wasser tropfte von ihren Seiten und neben den Rädern standen Eimer. »Hier herüber, schnell«, sagte Berrigan. Sandman und Sally folgten dem Sergeant in den Schatten der Ställe. »Einer der Jungs wäscht sicher die Kutsche, aber der Kutscher dürfte drüben in der hinteren Küche sein«, sagte Berrigan mit einer Kopfbewegung in Richtung eines erleuchteten Fensters in der Remise. Als eine Tür des Haupthauses aufging, drehte er sich erschrocken um. »Hier herein!«, zischte er. Die drei schlüpften in eine Gasse neben den Pferdeställen. Schritte hallten über den Hof.

»Hier?«, fragte eine Stimme, die Sandman nicht kannte.

»Ein zwölf Fuß tiefes Loch«, antwortete eine andere Stimme, »ausgemauert und mit Gewölbedecke.«

»Verdammt wenig Platz. Wie breit ist das Loch?«

»Zehn Fuß?«

»Mann, da wenden wir unsere Kutschen!«

»Das geht auch auf der Straße.«

Berrigan schob sich dicht an Sandman. »Sie reden über ein Eishaus, das gebaut werden soll«, hauchte er ihm ins Ohr, »darüber reden sie schon seit einem Jahr.«

»Und wie wäre es hinter den Ställen?«, fragte der erste Mann.

»Kein Platz«, antwortete der andere.

»Ich meine, zwischen Stall und rückwärtiger Mauer«, sagte der erste Mann. Sandman hörte die Schritte näher kommen und wusste, dass es nur eine Frage von Sekunden sein konnte, bis man sie entdeckte. Doch Berrigan lauerte am anderen Ende aus der Gasse heraus, sah niemanden und huschte über einen kleineren Hof zu einer Tür, die in den hinteren Teil des Hauses führte. »Hier entlang!«, flüsterte er.

Sandman und Sally liefen ihm nach und kamen an eine Gesindetreppe, die offenbar von der Küche im Untergeschoss in die oberen Etagen führte. »Wir verstecken uns oben, bis die Luft rein ist«, flüsterte Berrigan.

»Warum nicht hier?«, fragte Sandman.

»Weil es sein könnte, dass die Kerle durch diese Tür wieder ins Haus kommen«, sagte Berrigan und ging ihnen voraus die unbeleuchtete Treppe hinauf. Auf einem Treppenabsatz öffnete er vorsichtig eine Tür, die in einen mit dicken Teppichen ausgelegten Flur führte. Die Wände waren mit scharlachroter Tapete versehen, aber es war zu dunkel, um das Muster oder die Gemälde zu erkennen, die zwischen den lackierten Türen hingen. Berrigan öffnete die nächstbeste Tür und ging in ein leeres Zimmer. »Hier drin sind wir sicher«, sagte er.

Es war ein großes, luxuriöses und komfortables Schlafzimmer. Das riesige, hohe Bett hatte eine dicke Matratze und eine scharlachrote Decke, die mit einem fliegenden nackten Engel des Seraphim Clubs geschmückt war. Es gab einen offenen Kamin, um den Raum im Winter zu heizen. Berrigan ging ans Fenster, zog den Vorhang ein Stück auf und spähte in den Hof. Sandmans Augen gewöhnten sich allmählich an das Dämmerlicht. Er hörte Sally lachen, und als er sich nach ihr umschaute, sah er, dass sie ein Deckenbild über dem Bett betrachtete. »Gütiger Gott«, entschlüpfte es Sandman.

»Davon gibt es hier viele«, sagte Berrigan trocken.

Das Bild zeigte eine fröhliche Gruppe Männer und Frauen in einem Arkadenrund aus weißen Marmorsäulen. Im Vordergrund spielte ein Kind Flöte, ein anderes zupfte Harfe, aber beide achteten gar nicht auf die Erwachsenen, die sich im gespenstischen Mondschein paarten. »Teufel auch«, sagte Sally respektvoll, »man glaubt gar nicht, dass ein Mädchen so gelenkige Beine hat.«

Sandman fand, dass eine Antwort überflüssig war. Er ging ans Fenster und schaute hinunter, aber der Hof schien wieder leer zu sein. »Ich glaube, sie sind hineingegangen«, sagte Berrigan.

»Noch eins«, sagte Sally und stellte sich auf die Zehenspitzen, um das Deckengemälde über dem Kamin genauer anzusehen.

»Glauben Sie, dass sie hierher kommen?«, fragte Sandman.

Berrigan schüttelte den Kopf. »Die Zimmer hier im hinteren Trakt benutzen sie nur im Winter.«

Sally kicherte über das Bild und sagte zu Berrigan: »Du hast in einem Institut gearbeitet, Sam Berrigan.«

»Das ist ein Club!«

»Ein verdammtes Institut ist das«, sagte Sally boshaft.

»Ich bin gegangen, oder nicht?«, wandte Berrigan ein. »Außerdem war es kein Institut für uns Diener. Nur für die Mitglieder.«

»Die mit Glied?«, fragte Sally und lachte über ihren eigenen Scherz.

Berrigan brachte sie zum Schweigen, nicht wegen ihres groben Scherzes, sondern weil draußen auf dem Gang Schritte zu hören waren. Sie näherten sich der Tür, gingen vorüber und wurden leiser.

»Hier oben zu sein, hilft uns nicht weiter«, sagte Sandman.

»Wir warten, bis es ruhiger wird, dann schleichen wir uns wieder auf den Hof«, sagte Berrigan.

Die Türklinke knackte. Rasch versteckte Berrigan sich hinter einem Paravent, der einen Nachttopf verbarg, während Sandman wie erstarrt stehen blieb. Es hatte sich angehört, als hätten sich die Schritte auf dem Korridor entfernt, aber die Person an der Tür musste wohl Stimmen gehört haben und zurückgeschlichen sein, denn plötzlich öffnete sich die Tür und ein Mädchen kam herein. Sie war groß, schlank und hatte das schwarze Haar mit langen perlmuttverzierten Haarnadeln hübsch aufgesteckt. Ihre Schuhe hatten Absätze aus Perlmutt, sie trug Perlmuttohrringe und eine doppelte Perlenkette um ihren eleganten, schwanenhaften Hals, ansonsten war sie nackt. Sie achtete gar nicht auf Sandman, der schon halb seine Pistole gezückt hatte, sondern lächelte Sally an. »Ich wusste gar nicht, dass du hier arbeitest, Sal!«