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Mackeson schluckte, brachte aber offenbar kein Wort heraus.

»Waren Sie das?«, fragte Sandman noch einmal lauter.

Mackeson nickte bedächtig und schaute Berrigan an, als könne er nicht fassen, was mit ihm geschah.

»Wohin haben Sie sie gebracht?«, fragte Sandman. Mackeson schluckte wieder und schreckte hoch, als Sandman mit der Pistole auf den Tisch schlug. »Wohin haben Sie sie gebracht?«

Mackeson starrte auf Berrigan. »Sie werden dich umbringen, Sam Berrigan«, sagte er, »wenn sie dich hier erwischen, bist du mausetot.«

»Dann sollten sie mich wohl besser nicht erwischen, Mack«, sagte Berrigan.

Der Kutscher fuhr erneut auf, als er hörte, dass Sandman die Pistole spannte. Mit großen Augen starrte er in den Lauf und stöhnte jämmerlich. »Ich werde Sie ein letztes Mal höflich fragen«, sagte Sandman, »danach, Mister Mackeson, werde ich …«

»Nether Cross«, antwortete Mackeson hastig.

»Wo ist Nether Cross?«

»Ziemlich alte Straßen«, antwortete der Kutscher ausweichend. »Sieben Stunden? Acht Stunden?«

»Wo?«, fragte Sandman barsch.

»Unten an der Küste, Sir, in Kent.«

»Wer lebt da«, fragte Sandman, »in Nether Cross?«

»Lord John de Sully Pearce-Tarrant«, antwortete Berrigan für den Kutscher, »der Viscount Hurstwood, Earl of Keymer, Baron Highbrook, Lord von Soundso und Soundso, Erbe des Dukedom of Ripon, auch bekannt als Marquess of Skavadale, Captain.«

Eine Woge der Erleichterung stieg in Sandman auf. Endlich hatte er seine Antwort.

Die Kutsche ratterte durch die Straßen südlich der Themse. Die beiden Laternen waren angezündet, warfen aber nur einen schwachen Schein, der den Weg nicht zu erleuchten vermochte. Sobald sie oben auf Summit Hill angekommen waren, wo weniger Lichter brannten und die Straße durch Blackheath sich in undurchdringlichem Dunkel vor ihnen erstreckte, hielten sie an, spannten die Pferde aus und pflockten sie am Straßenrand an. Die beiden Gefangenen sperrten sie in der Kutsche ein, indem Sandman und Berrigan die Zügel um die Griffe der Wagenschläge banden und sie anschließend um das ganze Fahrzeug wickelten. Die Fenster verkeilten sie mit Holzkeilen und hielten die ganze Nacht abwechselnd Wache.

Die Gefangenen waren der Kutscher Mackeson und Billy, der Stallknecht. Es war Berrigans Idee, die frisch gewaschene Kutsche des Clubs zu nehmen. Anfangs hatte Sandman sich geweigert und erklärt, er habe mit Lord Alexander vereinbart, dessen Kutsche zu nehmen, und er bezweifele, dass er berechtigt sei, eine Kutsche des Clubs zu beschlagnahmen, aber Berrigan hatte über solche Bedenken nur die Nase gerümpft. »Glauben Sie, dass Lord Alexanders Kutscher den Weg nach Nether Cross kennt?«, hatte er gefragt. »Das heißt, Sie müssen Mackeson ohnehin mitnehmen, da können Sie auch gleich ein Fahrzeug nehmen, mit dem er umzugehen weiß. Und in Anbetracht der Schandtaten dieser Burschen nehme ich kaum an, dass Gott oder Mensch Anstoß nehmen wird, wenn Sie ihre Kutsche ausleihen.«

Und wenn sie die Kutsche und den Kutscher mitnahmen, mussten sie auch den Stallknecht Billy mitnehmen, damit er nicht verriet, dass sie sich nach Meg erkundigt hatten. Er leistete keinen Widerstand, sondern half Mackeson, die Pferde einzuspannen, und wurde anschließend mit gefesselten Händen und Füßen in der Kutsche verstaut, während Mackeson, von Berrigan begleitet, auf dem Bock saß. Die wenigen Clubmitglieder, die im Esszimmer saßen, hatten keine Ahnung, dass ihre Kutsche beschlagnahmt wurde.

Als Sandman und seine Begleiter nun in Blackheath gestrandet waren, mussten sie die Nachtstunden dort verbringen. Berrigan brachte Sally in ein Gasthaus, bezahlte ein Zimmer und blieb bei ihr, während Sandman die Kutsche bewachte. Erst nachdem die Uhr zwei geschlagen hatte, tauchte Berrigan aus der Dunkelheit auf. »Ruhige Nacht, Captain?«

»Recht ruhig«, sagte Sandman grinsend. »Lange her, dass ich Wache geschoben habe.«

»Benehmen die beiden sich anständig?«, fragte Berrigan mit einem Blick in die Kutsche.

»Wie die Lämmer«, sagte Sandman.

»Sie können ruhig schlafen gehen«, schlug Berrigan vor. »Ich übernehme die Wache.«

»Gleich«, antwortete Sandman, setzte sich ins Gras, lehnte sich an ein Rad und legte den Kopf in den Nacken, um die Sterne zu betrachten, die hinter einer fedrigen Wolke zum Vorschein kamen. »Erinnern Sie sich an die Nachtmärsche in Spanien?«, fragte er. »Die Sterne waren so hell, als ob man hinaufgreifen und sie auslöschen könnte.«

»Ich erinnere mich an die Lagerfeuer«, sagte Berrigan, »an Hügel und Täler voller Feuer.« Er schaute nach Westen. »Ein bisschen so wie da.«

Sandman wandte den Kopf und sah London unterhalb liegen wie einen Flickenteppich aus Feuer, das verschwommen durch rötlichen Rauch schimmerte. Die Luft oben auf der Heide war sauber und kühl, dennoch roch er den Rauch der Kohlenfeuer aus der Großstadt, deren erleuchteter Dunst sich am westlichen Horizont erstreckte. »Ich vermisse Spanien«, sagte er.

»Anfangs war es fremd«, sagte Berrigan, »aber mir hat es gefallen. Können Sie die Sprache?«

»Ja.«

Berrigan lachte. »Ich wette, Sie beherrschen sie gut.«

»Einigermaßen fließend, ja.«

Der Sergeant reichte Sandman eine irdene Flasche. »Branntwein«, sagte er. »Ich habe überlegt, wenn ich diese Zigarren einkaufe, brauche ich jemanden, der die Sprache spricht. Sie und ich? Wir könnten zusammenarbeiten.«

»Das würde mir gefallen«, sagte Sandman.

»Damit muss Geld zu verdienen sein«, sagte Berrigan. »Wir haben in Spanien ein paar Pence für die Zigarren bezahlt, und hier kosten sie ein Vermögen, wenn man sie überhaupt bekommt.«

»Ich glaube, Sie könnten Recht haben«, sagte Sandman und musste bei der Vorstellung lächeln, dass er vielleicht bald eine Arbeit hatte. Berrigan und Sandman, Lieferanten feiner Zigarren? Eleanors Vater wusste eine gute Zigarre zu schätzen und bezahlte viel Geld dafür, so viel, dass mit dieser Idee vielleicht sogar genug zu verdienen war, um Sir Henry zu überzeugen, dass seine Tochter keinen armen Schlucker heiratete. Lady Forrest würde Sandman wohl nie als passenden Ehemann für Eleanor akzeptieren, aber Sandman vermutete, dass Eleanor und ihr Vater sich gemeinsam durchsetzen könnten. Er und Berrigan würden Startkapital brauchen, und wer eignete sich besser als Sir Henry, es ihnen zu leihen? Sie würden durch Spanien reisen, Frachtraum besorgen und Geschäftsräume in einem eleganten Viertel Londons mieten müssen, aber es könnte funktionieren, davon war er fest überzeugt. »Das ist eine brillante Idee, Sergeant«, sagte er.

»Sollen wir es machen, wenn das hier vorbei ist?«

»Warum nicht? Ja.« Er reichte Berrigan die Hand.

»Wir alten Soldaten müssen zusammenhalten«, sagte Berrigan, »denn wir sind gut. Wir sind verdammt gut, Captain. Wir haben die verflixten Franzen durch halb Europa gejagt, und dann sind wir nach Hause gekommen und hier hat sich keiner um uns gekümmert, oder?« Er überlegte. »Im Seraphim Club gab es eine Regel. Niemand durfte jemals über den Krieg reden. Niemand.«

»Keiner der Männer hat gedient?«, erriet Sandman.

»Nicht ein einziger. Sie ließen niemanden rein, der bei der Armee oder Marine war.«

»Sie waren wohl neidisch?«

»Vermutlich.«

Sandman trank aus der Flasche. »Trotzdem haben sie Sie eingestellt?«

»Sie hatten gern einen Wachmann in der Halle. Ich habe den Burschen ein Gefühl der Sicherheit vermittelt. Und sie konnten mich kommandieren, was ihnen ebenfalls gefallen hat. Berrigan, tu dies, Berrigan, tu das.« Der Sergeant bedankte sich, als Sandman ihm die Flasche zurückgab. »Meistens war es gar nicht so schlimm. Ich musste Besorgungen für die Kerle machen, aber manchmal wollten sie was anderes.« Er schwieg, Sandman ebenfalls. Die Nacht war ungewöhnlich still. Nach einer Weile sprach Berrigan weiter, wie Sandman gehofft hatte. »Einmal hat ein Bursche die Seraphim verklagt, dem haben wir eine Lektion erteilt. Sie schickten eine Wagenladung Blumen zu seiner Beerdigung. Und die Mädchen natürlich – sie bekamen eine Entschädigung. Zehn Pfund, vielleicht zwölf Pfund.«