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»Fünf für die Zeichen an deiner Tür«, trug Berrigan die nächste Zeile bei.

»Und über der Haustür sind fünf Kammmuscheln«, sagte Sandman leise, weil er plötzlich das Gefühl hatte, belauscht zu werden. Der Text des Liedes war großenteils ein Rätsel. Vier für die Evangelisten war noch recht offenkundig, aber was die sieben Sterne und die sechs stolzen Wanderer bedeuteten, wusste Sandman nicht, allerdings kannte er den Zweck der fünf Zeichen an der Tür. Das hatte er vor Jahren gelernt, als Lord Alexander ganz aufgeregt herausgefunden hatte, dass fünf Muscheln über einer Haustür oder an einem Giebel ein Zeichen waren, dass dort Katholiken lebten. Diese Muscheln hatte man während der Katholikenverfolgung unter Königin Elisabeth angebracht, als katholischen Priestern in England Gefängnis, Folter und Tod drohte, manche aber nicht ohne die Tröstungen ihres Glaubens leben konnten und ihre Häuser markierten, um Glaubensbrüdern und -Schwestern zu zeigen, dass sie dort Zuflucht finden konnten. Da aber Elisabeths Leute die Bedeutung der fünf Muscheln ebenso gut kannten wie jeder Katholik, musste es in einem solchen Haus ein sicheres Versteck geben, in dem ein Priester sich verkriechen konnte. Der Hausherr schuf daher ein Priesterloch, ein so geschickt getarntes Versteck, dass man die protestantischen Verfolger tagelang hinters Licht führen konnte.

»Sie sehen aus, als ob Sie nachdächten«, stellte Berrigan fest.

»Ich brauche Anmachholz«, sagte Sandman leise. »Anmachholz, Feuerholz, eine Zunderbüchse, und schauen Sie nach, ob es in diesem Haus einen großen Kochtopf gibt.«

Berrigan zögerte. Er hätte Sandman gern gefragt, was er vorhabe, doch dann fand er, dass er es bald genug erfahren würde, und ging mit Sally nach unten. Sandman durchquerte den Raum und ließ die Finger über die Faltenfüllung der Vertäfelung zu beiden Seiten des Kamins gleiten. Soweit er beurteilen konnte, gab es dort keine Fuge. Er klopfte an die Paneele, aber sie klangen nicht hohl. Aber genau das war der Zweck der Priesterlöcher: Sie waren fast unmöglich zu finden. Die Fenstermauer und die Mauer zum Flur wirkten zu dünn, es musste also entweder in der Kaminwand oder in der gegenüberliegenden Wand sein, wo der tiefe Schrank stand. Aber Sandman fand nichts. Er rechnete aber auch nicht damit, das Versteck ohne weiteres zu entdecken. Die Verfolger im Namen der Königin Elisabeth waren gut ausgebildet, skrupellos und gut entlohnt worden, um Priester zu finden, aber manche Verstecke waren ihnen trotz intensiver Suche entgangen.

»Wiegt eine ganze Tonne«, beschwerte sich Berrigan, als er ins Schlafzimmer stolperte und einen riesigen Kochtopf auf den Boden stellte. Sally kam einige Schritte hinter ihm mit einem Bündel Feuerholz.

»Wo ist der Verwalter?«, fragte Sandman.

»Sitzt in der Küche und sieht aus, als ob er Schießpulver fräße«, sagte Berrigan.

»Und seine Frau?«

»Weg.«

»Wollte er nicht wissen, was Sie damit vorhaben?«

»Ich habe ihm gesagt, ich würde ihm ein Loch ins Gesicht schießen, wenn er zu fragen wagt«, erzählte Berrigan fröhlich.

»Takt wirkt immer«, stellte Sandman fest.

»Was haben Sie denn nun vor?«, erkundigte sich Sally.

»Wir brennen das verdammte Haus nieder«, sagte Sandman laut. Er schob den Kessel auf die Kaminumrandung. »Es wird ja doch nicht genutzt«, sagte er laut genug, dass man ihn noch zwei Zimmer weiter hätte hören können. »Außerdem muss das Dach repariert werden. Da ist es billiger, es niederzubrennen, als es zu renovieren, finden Sie nicht?« Er legte das Anmachholz in den Kessel, schlug mit der Zunderbüchse einen Funken und blies auf den verkohlten Docht, bis er eine Flamme hatte, die er an das Anmachholz hielt. Er schürte das Feuer, bis es sich knisternd ausbreitete, und legte einige Scheite Holz auf.

Es dauerte ein Weilchen, bis die größeren Scheite brannten, doch dann quoll dicker blau-weißer Rauch aus dem Topf. Da er ein Stück vor der Kaminschürze stand, zog kaum Rauch durch den Schornstein ab. Sandman wollte Meg ausräuchern. Für den Fall, dass der Eingang zum Priesterloch vom Flur ausging, hatte er Berrigan vor dem Schlafzimmer postiert, während er und Sally bei geschlossener Tür im Zimmer blieben. Da der beißende Rauch ihnen den Atem raubte, kauerte Sally neben dem Bett, wollte aber nicht gehen, falls die List wirken sollte. Sandmans Augen tränten, seine Kehle war rau, aber er legte ein weiteres Scheit auf das Feuer und sah, dass der Kessel matt rot zu glühen begann. Er öffnete die Tür einen Spalt, um etwas Rauch hinaus und frische Luft hereinzulassen. »Wollen Sie gehen?«, flüsterte er Sally zu, aber sie schüttelte den Kopf.

Sandman ging in die Hocke, wo der Rauch dünner war, und dachte an Meg im Priesterloch, einem dunklen, engen, angsterregenden Schlupfwinkel. Er hoffte, dass der Brandgeruch ihre Ängste schürte und der Rauch durch die geschickten Klappen, Schiebetüren und Geheimtüren drang, die ihr uraltes Versteck verbargen. Sally hielt sich das Laken über den Mund. Sandman war klar, dass sie nicht mehr viel länger aushalten konnten, doch in diesem Augenblick hörte er ein Quietschen, einen Schrei und einen Knall wie von einem Kanonenschlag und sah, dass ein ganzer Teil der Vertäfelung sich öffnete wie eine Tür – aber nicht am Kamin, sondern an der Außenwand, zwischen den Fenstern, wo er die Mauer für zu dünn gehalten hatte, um einen Schlupfwinkel zu verbergen. Sandman zog sich die Ärmel über die Hände und schob den Kessel unter den Rauchfang, während Sally die schreiende, völlig verängstigte Frau am Handgelenk packte, die sich in einem brennenden Haus gefangen geglaubt hatte und nun versuchte, aus dem engen, mit einer Leiter versehenen Schacht zu klettern, der hinter der offenen Vertäfelung nach unten führte.

»Schon gut! Schon gut!«, sagte Sally, und brachte Meg zur Tür.

Sandman folgte den beiden Frauen mit versengtem, rußgeschwärztem Rock auf den breiten Treppenabsatz, wo er nach kühler, frischer Luft schnappte und in Megs rot angelaufene Augen schaute. Ihm fiel auf, was für ein guter Künstler Corday doch war, denn die junge Frau war tatsächlich ungeheuer hässlich und hatte etwas Boshaftes im Blick. Und plötzlich musste er lachen, weil er sie gefunden hatte und durch sie die Wahrheit herausfinden würde. Sie missverstand sein Lachen als Harne, trat vor und schlug ihm ins Gesicht.

In diesem Augenblick fiel ein Schuss von unten.

Sally schrie, als Sandman sie aus dem Schussfeld zu Boden zog. Meg, die eine Fluchtmöglichkeit ahnte, lief zur Treppe, aber Berrigan stellte ihr ein Bein. Sandman stieg über sie weg, humpelte zur Balustrade und sah, dass die sauertöpfische Haushälterin, die wesentlich mutiger war als ihr Mann, mit der Vogelflinte durch das Treppenhaus nach oben geschossen hatte. Doch wie so viele Rekruten hatte sie die Augen geschlossen, als sie am Abzug zog, und daher zu hoch gezielt, so dass der Schuss Sandmans Haar verfehlt hatte. Ein halbes Dutzend Männer standen hinter ihr, einer mit einer Muskete. Sandman schlug Berrigans Pistole herunter. »Nicht schießen!«, rief er. »Kein Morden!«

»Sie haben hier nichts zu suchen«, schrie die Haushälterin ihn an. Die Männer hinter ihr wurden angeführt von einem großen, blonden Riesen, der die Muskete trug. Die Übrigen waren mit Knüppeln und Sicheln bewaffnet. Auf Sandman wirkten sie wie Bauern, die gekommen waren, um den Gutshof anzuzünden, in Wahrheit waren sie aber wohl eher Pächter, die den Besitz des Duke of Ripon schützen wollten.

»Wir haben jedes Recht, hier zu sein«, log Sandman. Er sprach mit ruhiger Stimme und holte das Schreiben des Innenministers hervor, das ihm in Wirklichkeit keinerlei Befugnisse einräumte. »Wir sind von der Regierung beauftragt, einen Mordfall zu untersuchen«, sagte er ruhig und ging langsam die Treppe hinunter, wobei er den Bewaffneten ständig im Auge behielt. Der Mann war hünenhaft groß, muskulös und vielleicht Anfang dreißig. Er trug ein schmuddelig weißes Hemd und eine sandfarbene Hose, die mit einem grünen Stoffstreifen anstelle eines Gürtels zugebunden war. Da er Sandman merkwürdig bekannt vorkam, überlegte er, ob er wohl als Soldat gedient haben mochte. Seine Muskete war eindeutig eine alte Armeewaffe, die nach Napoleons letzter Niederlage liegen geblieben war, aber sie war sauber, gespannt und lag sicher in der Hand des Mannes. »Hier habe ich die Ermächtigung des Innenministers.« Sandman schwenkte den Brief mit dem beeindruckenden Siegel. »Wir sind nicht gekommen, um jemandem etwas anzutun, etwas zu stehlen oder zu beschädigen. Wir sind lediglich hier, um Fragen zu stellen.«