»Sie haben hier nichts zu suchen!«, kreischte die Haushälterin.
»Sei still, Frau«, fuhr Sandman sie in bestem Offizierston an. Mit dem, was sie sagte, hatte sie vollkommen Recht, aber sie war außer sich, und Sandman vermutete, dass die Männer eher auf einen vernünftigen Mann als auf ein hysterisches Weib hören würden. »Möchte jemand den Brief Seiner Lordschaft lesen?«, fragte er und hielt ihnen das Schreiben hin. Er wusste genau, dass die Erwähnung »Seiner Lordschaft« ihm etwas Zeit verschaffen würde. »Übrigens«, er warf einen Blick zur Treppe hinauf, wo der Rauch auf dem Treppenabsatz sich allmählich verzog, »das Haus steht nicht in Flammen, es besteht keinerlei Gefahr. So, wer möchte den Brief Seiner Lordschaft lesen?«
Der Mann mit der Muskete achtete gar nicht auf das Schreiben, sondern musterte Sandman nachdenklich und senkte den Gewehrlauf. »Sind Sie Captain Sandman?«
Sandman nickte. »Ja.«
»Bei Gott, ich habe miterlebt, wie sie uns in Turnbridge Wells sechsundzwanzig Läufe abgejagt haben!«, sagte der Mann. »Dabei hatten wir Pearson und Willes als Werfer gegen Sie! Keine Geringeren als Pearson und Willes, und Sie haben die beiden einfach in Grund und Boden geschlagen.« Er hatte die Muskete inzwischen gesichert und strahlte Sandman an. »Letztes Jahr war das, ich habe damals für Kent gespielt. Sie hatten uns schon so gut wie geschlagen, aber dann kam der Regen und hat uns gerettet!«
Durch Gottes Gnade fiel Sandman der Name des Mannes ein. »Mister Wainwright, stimmt’s?«
»Ben Wainwright, Sir.« Wainwright, der, nach seiner Kleidung zu urteilen, gerade Kricket gespielt hatte, als er zum Gutshaus gerufen wurde, zupfte an seiner Stirnlocke.
»Ich erinnere mich, wie Sie einen Ball über einen Heuschober schlugen«, sagte Sandman. »Beinahe hätten Sie uns ganz allein geschlagen!«
»Nichts im Vergleich zu Ihnen, Sir!«
»Benjamin Wainwright!«, fuhr die Haushälterin dazwischen. »Du bist nicht hier um …«
»Sei still, Doris«, sagte Wainwright und ließ die Muskete sinken. »Captain Sandman tut nichts Schlimmes!« Die anderen Männer knurrten beifällig. Es spielte keine Rolle, dass Sandman unrechtmäßig ins Haus eingedrungen war und das Obergeschoss ausgeräuchert hatte, er war ein berühmter Kricketspieler, und alle grinsten ihn nun an und suchten seine Anerkennung. »Ich habe gehört, Sie spielen nicht mehr, Sir, stimmt das?«, fragte Wainwright besorgt.
»O nein«, antwortete Sandman. »Aber ich spiele nur bei sauberen Spielen mit.«
»Davon gibt es verdammt wenige«, sagte Wainwright. »Sie hätte ich heute bei dem Spiel dabei haben müssen, Sir. Wir kriegen gerade eine ganz schöne Abreibung von Hastings. Meine Innings habe ich schon hinter mir«, erklärte er seine Abwesenheit vom Spiel.
»Es kommen auch wieder andere Tage«, tröstete Sandman ihn, »aber nun möchte ich diese junge Dame mit in den Garten nehmen und mit ihr reden. Oder gibt es vielleicht ein Gasthaus, wo wir uns bei einem Krug Bier unterhalten können?«, fugte er hinzu, weil ihm einfiel, dass es wohl vernünftiger wäre, Meg vom Grund und Boden des Duke of Ripon wegzubringen, bevor jemand mit juristischen Kenntnissen sie des unbefugten Eindringens beschuldigte und Meg erklärte, dass sie gar nicht mit ihm reden müsse.
Wainwright versicherte ihnen, das Castle and Bell sei ein gutes Gasthaus, worauf die Haushälterin, erbost über seinen Verrat, abzog. Sandman atmete erleichtert auf und wandte sich an das Mädchen. »Meg? Wenn Sie etwas nach London mitnehmen wollen, holen Sie es jetzt.« Sandman sah, dass das Mädchen Einwände erheben und ihn vielleicht sogar wieder schlagen wollte, gab ihr aber keine Gelegenheit dazu. »Sergeant? Sorgen Sie dafür, dass die Pferde Wasser bekommen. Vielleicht sollte die Kutsche anschließend zum Gasthaus gebracht werden? Sally, meine Liebe, sorgen Sie dafür, dass Meg alles hat, was sie braucht.« Sandman strahlte den Schlagmann von Kent an: »Mister Wainwright, es wäre mir eine Ehre, wenn Sie mir das Gasthaus zeigen könnten. Habe ich das recht in Erinnerung, dass Sie Schlagstöcke anfertigen? Darüber würde ich mich gern mit Ihnen unterhalten.«
Die Auseinandersetzung war beendet. Meg war zwar verbittert, versuchte aber nicht mehr fortzulaufen, und Sandman wagte zu hoffen, dass alles gut würde. Noch ein Gespräch, eine zügige Rückfahrt nach London und der Gerechtigkeit, der seltensten aller Tugenden, wäre Genüge getan.
Meg war wütend und schmollte. Sie nahm Sandman die Einmischung in ihr Leben übel, schien sogar das ganze Leben zu hassen, saß lange im Garten des Castle and Bell und weigerte sich, mit ihm zu reden. Sie starrte in die Ferne, trank ein Glas Gin, verlangte in jammerndem Ton ein zweites Glas, und nachdem Benjamin Wainwright gegangen war, um zu sehen, wie seine Mannschaft sich schlug, verlangte sie, Sandman solle sie nach Cross Hall zurückbringen. »Ich muss mich um meine Hühner kümmern«, schimpfte sie.
»Ihre Hühner?« Das überraschte Sandman.
»Ich habe Hühner immer gemocht.«
Sandman, dessen Wange von ihrer Ohrfeige immer noch brannte, schüttelte verwundert den Kopf. »Ich bringe Sie nicht zurück«, knurrte er, »Sie haben verdammtes Glück, wenn Sie nicht lebenslang deportiert werden. Wollen Sie das? Eine Fahrt nach Australien und ein Leben in einer Strafkolonie?«
»Scheiß doch auf Sie«, schimpfte sie. Sie trug eine weiße Haube und ein schlichtes blaues Sergekleid, an dem Hühnerfedern klebten. Es waren hässliche Kleider, aber sie passten zu ihr, weil sie wahrhaftig unansehnlich und zudem erstaunlich abweisend war. Beinahe empfand Sandman Bewunderung für ihre Streitlust, aber er wusste, dass diese Stärke den Umgang mit ihr erschweren würde. Sie beobachtete ihn mit wissendem Blick und schien sein Zögern zu spüren, denn sie lachte kurz und spöttisch auf und schaute zu der Kutsche des Seraphim Clubs, die gerade, staubig von der Reise, auf den Dorfplatz fuhr. Berrigan tränkte die Pferde an einem Ententeich, während Sally mit einigen Münzen, die der Sergeant ihr gegeben hatte, einen Krug Bier und noch einen Gin holte. Hinter der Hecke des Castle and Bell lärmten Tauben auf einem erst kürzlich abgeernteten Weizenfeld, und auf dem First des Reetdaches saßen Mauersegler.
»Sie mochten die Countess, nicht wahr?«, fragte Sandman.
Meg spuckte ihm gerade ins Gesicht, als Sally aus der Schänke kam. »Verdammte Landpomeranzen!«, schimpfte Sally. »Sie bedienen keine Frauen!«
»Ich gehe«, bot Sandman an.
»Ein Kellner bringt die Krüge«, sagte sie. »Erst wollten sie mich nicht bedienen, aber sie haben es sich anders überlegt, nachdem ich ein Wörtchen mit ihnen geredet habe.« Sie schlug nach einer lästigen Wespe, die daraufhin zu Meg flog. Das Mädchen schrie auf und fing an zu weinen, als das Insekt sie nicht in Ruhe ließ. »Was flennst du denn?«, herrschte Sally Meg an, die sie nur verständnislos anstarrte. »Warum weinst du?«, übersetzte Sally. »Du hast überhaupt keinen Grund zu weinen. Du lässt es dir hier gut gehen, während die arme kleine Schwuchtel auf den Galgen wartet.«
Der Kellner, der offenkundig Angst vor Sally hatte, brachte ein Tablett mit Bierkrügen, Gläsern, Kannen und einer Flasche. Sandman schenkte Ale in einen Krug, den er Sally reichte. »Bring das doch dem Sergeant«, schlug er vor. »Ich rede mit Meg.«
»Sie meinen, ich soll verduften«, sagte Sally.
»Lassen Sie mir ein paar Minuten Zeit«, sagte Sandman. Sally nahm das Bier, und Sandman bot Meg ein Glas Gin an, das sie ihm hastig aus der Hand nahm. »Sie mochten die Countess, nicht wahr?«, wiederholte er.