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»Ich muß zugeben, daß sie interessant sind. Und beängstigend. Was kommt nun?«

»Etwas, das mir auch noch Kopfzerbrechen macht, ist, warum Larry Connor seine Frau umgebracht haben und dann in sein Büro gefahren sein soll, um sich umzubringen. Warum hat er’s nicht einfach zu Hause getan?«

»Er hat sicher den Kopf verloren. Vielleicht wollte er davonlaufen und hat erst später erkannt, daß es sinnlos war.«

»Ja, ich weiß. Selbstmörder machen oft die verrücktesten Sachen. Trotzdem muß man das im Auge behalten. Sie haben Connor wegfahren sehen. Machte er einen verstörten Eindruck? Handelte er wie ein Mann, der nach einem Mord davonläuft?«

»Nein.« Nancy starrte in ihre Tasse, in der der Kaffee kalt wurde. »Nein, eigentlich nicht.«

»Sehen Sie, da haben Sie wieder etwas, das nicht paßt. Gut, nehmen wir an, daß Lila noch lebte, als er fortging. Nehmen wir an, daß er tatsächlich, wie er zu Ihnen sagte, in sein Büro fuhr, um dort zu übernachten. Wäre es möglich, daß ihm der Mörder folgte, ihn tötete, dann mit Connors Hintertürschlüssel zurückkehrte und Lila umbrachte?«

»Halt, Augenblick! Das wird ja immer absurder. Wollen Sie unterstellen, daß der Mörder, falls es einen gibt, eine Person aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft ist?«

»Aber ja. Falls es, wie Sie ganz richtig sagen, einen Mörder gibt, befindet er sich ganz gewiß hier in der Nähe. Vermutlich hat er auch an der Party am Samstagabend teilgenommen.«

»Und darf ich fragen, wen von uns Sie in Verdacht haben?«

»Es kann jeder einzelne von Ihnen gewesen sein. Es kommt darauf an, inwieweit jeder die Wahrheit gesagt hat. Und es kommt vermutlich weiterhin darauf an, wer wen deckt. Denken Sie einmal nach. Sie sagen, Sie haben Stanley Walters am Zaun zurückgelassen, nachdem Sie ihm erzählt hatten, daß Connor in sein Büro gefahren sei. Walters kommt also durchaus in Frage. Dr. Richmond wohnt auf der anderen Seite neben den Connors. Er hätte sehr gut sehen können, wie Connor wegfuhr, oder auch hören, wie Sie beide sich vor der Einfahrt unterhielten. Überdies hat der Doktor zugegeben, daß er später in der Nacht auf längere Zeit ins Krankenhaus gerufen wurde. Ist er direkt dort hingefahren? Ist er die ganze Zeit dort geblieben? Wie dem auch sei, auch Dr. Richmond kommt in Frage. Soll ich fortfahren?«

»Lieber nicht«, sagte Nancy leise. »Mir wird richtig schlecht dabei. Gleich werden Sie noch behaupten, ich selbst hätte den Mord auch begehen können.«

»Hätten Sie auch. Sie kommen ebenfalls in Frage.« Nancy war sichtlich entsetzt, und rasch fügte Masters hinzu: »Aber wenn ich Sie auch nur einen Moment für schuldig gehalten hätte, säße ich jetzt nicht hier und unterhielte mich mit Ihnen.«

»Nun, Leutnant, ich glaube, ich habe mich schon viel zu lange und viel zuviel mit Ihnen unterhalten, und habe keine Lust, mich noch weiter mit Ihnen zu unterhalten.«

»Das ist bedauerlich.«

Masters erhob sich und warf einen sehnsüchtigen Blick auf seine leere Tasse; er hatte gehofft, Nancy würde sie noch einmal füllen. Doch auch sie hatte sich erhoben und stand da – die Inkarnation gekränkter Weiblichkeit. In der Absicht, sie zu besänftigen, sagte er: »Das alles ist ja nur Theorie, Mrs. Howell.« Doch da sie weiterhin Salzsäule spielte, fiel er in seinen alten Ton zurück und fügte hinzu: »Bis jetzt, jedenfalls.« Dann verließ er sie, den bitteren Geschmack des Triumphes im Mund.

10

Als Verdächtiger war Masters’ liebstes Kind Dr. Jack Richmond. Zum ersten kam ihm die Tatsache, daß der gutaussehende Arzt die Gelegenheit zum Mord gehabt hatte… nun, äußerst gelegen. Zum zweiten war er genau der Typ, der auf Frauen so anziehend wirkt, und dem man psychisch ein Motiv sofort zutrauen würde. Drittens hatte er als Arzt die ideale Gelegenheit, eine tödliche Droge zu verabreichen. Unter dem Vorwand, sich Sorgen um das Befinden seines Nachbarn zu machen, hätte er gut zu Larry Connor ins Büro gehen können, vielleicht sogar auf dem Weg ins Krankenhaus, um ihm ein >Beruhigungsmittel< zu geben, das Larry, erregt von seinem Streit mit Lila, unbesehen genommen hätte. Gewiß, ein Arzt hätte kaum Chloralhydrat gewählt; andererseits würde ein Arzt, der sich mit Mordgedanken trug, bestimmt zu einem Medikament greifen, das nicht auf einen Arzt schließen ließ. Auf jeden Fall wäre es bestimmt interessant und auch sicher aufschlußreich, Dr. Richmonds besagten Krankenhausbesuch einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Und genau das hatte Masters jetzt vor.

Er hatte sich natürlich die schlechteste Zeit dafür ausgesucht. Nicht einer der Ärzte und Schwestern, die jetzt Dienst taten, war in den frühen Morgenstunden im Krankenhaus gewesen. Masters konnte nichts tun als im Empfang der Entbindungs-Station nachzuprüfen, ob Dr. Richmond sich an- und abgemeldet hatte. Und das hatte er. An: ein Uhr zwanzig morgens, ab: drei Uhr dreißig morgens. Ein hieb- und stichfestes Alibi, falls es standhielt. Falls nicht, reichlich Zeit für zwei Morde. Oder, wahrscheinlicher, einen Mord. Soviel hatte er bestimmt nicht riskiert, überlegte Masters. Wenn seine Theorie mit den Klimaanlagen zutraf, hatte Richmond Larry Connor zuerst ermordet. Dann später, einige Zeit nach drei Uhr dreißig, hatte er sich Lila vorgenommen. Was Masters wirklich suchte, waren Name und Adresse der Schwester, die auf dieser Station Nachtdienst gehabt hatte. Ohne zuviel von der Wahrheit durchblicken zu lassen, konnte er sich beides am Empfang beschaffen. Die Schwester hieß Agnes Morrow; sie wohnte in einem kleinen Appartementhaus in der Nähe des Krankenhauses.

Masters parkte in einiger Entfernung vom Haus. Auf seiner Uhr war es nach eins – lange nach seiner gewohnten Essenszeit. Doch Masters war nicht hungrig; außerdem wollte er, wie gewöhnlich, abnehmen. Angenommen, Schwester Morrow, die um sieben Uhr früh Dienstschluß hatte, war um acht Uhr ins Bett gekommen, dann hatte sie über fünf Stunden geschlafen. Fünf Stunden Schlaf waren genug für Masters, der niemals sehr gut schlief, aber vermutlich nicht für Agnes Morrow, die vermutlich sehr gut schlief. Er beschloß, es trotzdem zu versuchen und stieg aus. Auf der Orientierungstafel in der Halle suchte er Agnes Morrows Appartementnummer, ging hinauf und klingelte.

Er hatte Glück. Schwester Morrow war auf, wenn auch nicht angezogen. Das heißt, sie war in Schlafanzug und Bademantel, welch intime Aufmachung jedoch auf Masters keineswegs stimulierend wirkte. Agnes Morrow hatte seit über vierzig Jahren erfolgreich ihren Junggesellinnenstatus verteidigt und machte den deprimierenden Eindruck, das gleiche mit ihrer Keuschheit getan zu haben. Dürr, grauhaarig und nüchtern. Sie sah aus, als sei ihre Rede kurz und bündig und dem Bellen einer Bulldogge nicht unähnlich. Und so war es denn auch.

»Bitte?«

»Miss Agnes Morrow?«

»Bin ich.«

»Mein Name ist Masters. Leutnant. Kriminalpolizei. Ich möchte Sie sprechen. Die Angelegenheit ist vertraulich.« Seine kurze, bündige Redeweise war eine automatische Reaktion auf die ihre. Masters besaß die Wandlungsfähigkeit eines Chamäleons, eine Eigenschaft, die ihm in seinem Beruf sehr zustatten kam.

»Treten Sie ein.«

Masters setzte sich auf die Kante des grauen Sofas, während Miss Morrow einen unbequemen, hochlehnigen Armstuhl wählte. Sie saß kerzengerade, ohne die Lehne des Stuhls zu berühren, und sie packte die Armstützen, als sei sie bereit, beim ersten Anzeichen einer Attacke auf ihre Jungfräulichkeit sofort auf die Füße zu springen.

»Im Krankenhaus sagte man mir«, begann Masters, »daß Sie von elf Uhr abends bis sieben Uhr morgens Dienst haben.«

»Das stimmt.«

»Und in der Nacht vom vergangenen Samstag auf Sonntag waren Sie ebenfalls im Dienst?«

»Selbstverständlich. Ich habe seit fünfzehn Jahren nicht einmal den Dienst versäumt.«

»Sie hatten, glaube ich, während jener Nacht eine Entbindung?«

»Wir hatten zwei Entbindungen.«

»Ich meine die, zu der Dr. Jack Richmond als behandelnder Arzt zugezogen wurde?«