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»Das würde dich ruinieren«, sagte Vera. »Was kann ein Arzt anfangen, den man vom Mordverdacht freigesprochen hat?«

»Mehr als einer, den man verurteilt hat. Mir bliebe immer noch die Forschung oder die Tiermedizin.«

In diesem Augenblick ging nebenan das Licht aus. Die drei Ehepaare saßen schweigend in der zunehmenden Dunkelheit. Sie warteten. Nach einer Weile wurde die Hintertür des Connorschen Hauses geöffnet, und Leutnant Masters erschien. Es war jetzt ziemlich dunkel, und Masters war nur als undeutlicher Schatten zu erkennen. Er schien an der Hintertür, die er hinter sich ins Schloß gezogen hatte, herumzumanipulieren, und schon bald wurde allen der Sinn seines mysteriösen Tuns klar: Die Tür öffnete sich wieder. Er hatte sie von außen aufgeschlossen.

»Er hat ihn gefunden!« rief Nancy. »Er hat den Schlüssel gefunden!«

Als Masters sich umwandte, sah er, daß man ihn von der Terrasse der Richmonds her beobachtete und ging hinüber. Er machte den Eindruck, als habe er schwere, körperliche Arbeit geleistet. Die Krawatte hing ihm schlaff um den offenen Hemdkragen, sein Gesicht war voller schweißverkrusteter Schmutzstreifen. In der rechten Hand hielt er den Schlüssel. Vielsagend warf er ihn in die Luft und fing ihn wieder auf.

»Guten Abend«, sagte er mit eigenartiger Betonung.

»Irgendwie«, sagte Nancy, »werde ich das Gefühl nicht los, daß es gar kein guter Abend ist.«

»Ich möchte Ihre Unterhaltung nicht stören, Mrs. Howell. Wenn es Ihnen lieber ist, komme ich später wieder. Oder vielmehr zu demjenigen, den ich vor allem sprechen will.«

»Nein, danke. Ich jedenfalls möchte lieber nicht länger warten und mich auf die Folter spannen lassen. Könnten Sie den Hinrichtungstermin nicht vorverlegen?«

»Ganz meine Meinung«, sagte Jade Richmond. »Selbst der Schuldige schläft besser, wenn alles vorüber ist.«

»Wenn das so ist«, sagte Masters, »und da Sie, Doktor, derjenige sind, den ich vor allem sprechen möchte, komme ich Ihrer Aufforderung gerne nach.«

»Das klingt reichlich ominös. Wollen Sie mich etwa verhaften?«

»Haben Sie etwas zu gestehen?«

»Durchaus nicht. Nehmen Sie Platz, Leutnant.«

»Danke.«

»Wie wohlerzogen wir doch alle sind«, spöttelte Mae Walters.

»Halt den Mund«, sagte Stanley Walters ärgerlich. Sein Ton überraschte seine Frau dermaßen, daß sie augenblicklich schwieg. David Howell sagte: »Meine Frau nimmt an, daß Sie Larrys Schlüssel zur Hintertür gesucht haben, Leutnant. Wie ich sehe, haben Sie ihn gefunden.«

»Ganz recht, Mr. Howell.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, wo«, sagte Nancy. »Neulich, als wir beide stundenlang danach gesucht haben, Leutnant, haben wir nichts gefunden.«

»Aber nur, weil wir nicht an der richtigen Stelle gesucht haben.«

»Wo war denn die richtige Stelle, falls diese Auskunft nicht unter das Geheimhaltegebot fällt?«

»Genau, wo ich sie vermutete«, sagte Masters nicht ohne Befriedigung. »Wissen Sie noch, daß mir, gerade als wir gehen wollten, etwas einfiel? Und zwar, als ich oben war, im Badezimmer? Als ich das Apothekenschränkchen über dem Waschbecken öffnete, entdeckte ich einen kleinen Schlitz im Schränkchen, der für gebrauchte Rasierklingen bestimmt ist. Da fiel mir ein, daß das ein ideales Versteck für einen Schlüssel wäre, der nicht gefunden werden sollte, und vorhin ging ich hinüber, um den Rasierklingenbehälter herauszuholen. Ich hatte recht. Mitten unter den alten Klingen fand ich den Schlüssel.«

»Das war ein sehr kluger Schluß, den Sie gezogen haben, Leutnant«, sagte Vera Richmond.

»Es war mehr als ein logischer Schluß, Mrs. Richmond. Der Schlitz ist sehr schmal, und eine sorgfältige Untersuchung ergab, daß kürzlich gewaltsam etwas hindurchgezwängt worden war.«

»Gute Arbeit, Leutnant«, lobte Jack Richmond. »Wie meine Frau schon sagte: Das war sehr klug von Ihnen.«

»Schade, daß man das nicht auch von unserem Mörder sagen kann«, entgegnete Masters heiter. »Er hat mehrere schwerwiegende Fehler begangen, und einer davon war der Versuch, diesen Schlüssel zu verstecken. Hätte er ihn einfach herumliegen lassen, hätte ich ihm vermutlich gar keine besondere Bedeutung beigemessen. Doch der Versuch, ihn verschwinden zu lassen, mußte unbedingt meine Aufmerksamkeit erregen. Nun wissen wir mit Bestimmtheit, daß er mit Hilfe des Schlüssels ins Haus gelangt ist.«

»Und dann die Tür unverschlossen ließ, als er sich davonmachte?« fragte Dr. Jack Richmond.

»Das mußte er. Er wollte, daß Lila Connors Leiche, so schnell wie mit dem Täuschungsversuch bezüglich des Todeszeitfaktors vereinbar, gefunden werden sollte. Er verließ sich darauf, daß irgend jemand unruhig werden und darauf bestehen würde, ins Haus einzudringen, und die unverschlossene Tür sollte das erleichtern. Übrigens bin ich der Ansicht, daß, wenn Mrs. Howell nicht auf Untersuchung des Hauses bestanden hätte, der Mörder selbst die Initiative ergriffen haben würde.«

»Mit anderen Worten: Der Mörder befindet sich hier in der Gegend.«

»Mehr noch, Doktor. Er befindet sich hier auf der Terrasse.«

Lähmende Stille. Dann sagte Jack Richmond: »Tja, dann… Was nun?«

»Ich habe keine Eile, Doktor«, sagte Masters gelassen. Nancy haßte ihn direkt. »Sie alle möchten doch sicher gern wissen, wie der Mörder vorgegangen ist.«

»Ich möchte wissen, wie Sie glauben, daß er vorgegangen ist«, fuhr Nancy ihn an. »Und das ist möglicherweise nicht dasselbe.«

»Wenn ich fertig bin, würde ich mich freuen, andere Theorien zu hören, Mrs. Howell«, nickte der kleine Kriminalbeamte. »Also, nehmen wir einmal an – nur um einen Ausgangspunkt zu haben – , nehmen wir einmal an, der Mörder wären Sie, Dr. Richmond.«

»Ich?« sagte Jack. »Na schön, meinetwegen.«

»Sie sahen in der – wie sich später herausstellte – Mordnacht Larry Connor das Haus verlassen. Sie müssen gehört haben, wie er draußen mit Mrs. Howell sprach, denn die folgenden Ereignisse beweisen, daß Sie genau wußten, wohin er wollte, und außerdem… Sagten Sie nicht, daß die Fenster Ihres Hauses in jener Nacht offenstanden? Zu dem Zeitpunkt hatten Sie sich vermutlich noch keinen Mordplan und kein Täuschungsmanöver zurechtgelegt; das kam erst später, als Sie ins Krankenhaus gerufen wurden und, dort angekommen, feststellen mußten, daß Sie eine lange Wartezeit vor sich hatten. Diese Tatsache verschaffte Ihnen die Gelegenheit zum Mord; alles andere war Gedankenarbeit.«

»Das hört sich ja an, als wäre ich ein richtiggehendes Ungeheuer«, sagte Jack.

Masters lächelte. »Es war nicht schwer für Sie, ein leeres Zimmer zum >Ausruhen< zu bekommen. Die Lage dieses Zimmers erleichterte es Ihnen, ungesehen zu gehen und wieder zu kommen. Darin lag natürlich ein gewisses Risiko, doch wenn Sie zurück waren, bevor man Sie zu Ihrer Patientin rief, befanden Sie sich in Sicherheit, und die Patientin hatten Sie selbst untersucht und konnten den Zeitpunkt, zu dem man Sie rufen würde, mit ziemlicher Präzision bestimmen. Sie schätzten, daß Sie etwas über eine Stunde Zeit hatten. Sie schlichen sich aus dem Haus und fuhren zu Larry Connors Büro.

Die Aufregungen hatten ihn ziemlich mitgenommen, und Sie waren Arzt und außerdem sein >Freund<. Sie überredeten ihn, ein Beruhigungsmittel zu nehmen und bereiteten es selbst zu. Nur war es kein Beruhigungsmittel. Entgegen allem, was man von einem Arzt erwarten würde, gaben Sie ihm einen hochdosierten Mickey Finn, damit man Ihnen nicht so schnell auf die Spur kam. Dann arrangierten Sie alles so, daß es wie Selbstmord aussah, erledigten außerdem noch dreierlei und fuhren schleunigst zum Krankenhaus zurück, damit man Sie dort nicht vermißte.

Die drei Dinge, die Sie außerdem erledigten, waren der Kern Ihres ganzen Planes. Lila Connor, und nicht ihrem Ehemann, galt dieser Plan. Darum mußte es so aussehen, als sei Larry nach Lila gestorben, und zwar trotz der Tatsache, daß Lila zu dem Zeitpunkt noch lebte. Der erste Teil Ihres Täuschungsmanövers bestand darin, die Klimaanlage in Larrys Büro so weit aufzudrehen, wie es ging, um den Zerfall des Körpers zu verlangsamen; das bedeutete natürlich, daß Sie früh am Sonntagmorgen, bevor Larrys Leiche entdeckt werden konnte, wieder ins Büro zurückkehren und die Klimaanlage abschalten mußten, um so den Anschein zu erwecken, sie sei nie angewesen; sonst hätte man nämlich beim Bestimmen der Todeszeit den Kaltluftfaktor mit in Betracht gezogen, und Ihre ganze Mühe wäre umsonst gewesen. Zweitens mußte die Waffe, durch die Lila sterben sollte, seine Fingerabdrücke tragen. Das war einfach: Sie nahmen den metallenen Brieföffner von seinem Schreibtisch, preßten die Finger seiner rechten Hand um den Griff, packten den Brieföffner vorsichtig ein, um die Abdrücke nicht zu verwischen, und trugen ihn in Ihrer Instrumententasche mit hinaus. Drittens nahmen Sie den Schlüssel zur Hintertür aus Connors Schlüsseletui, um sich damit Einlaß in das Connorsche Haus zu verschaffen, nachdem Sie Ihre Patientin im Krankenhaus versorgt hatten und nach Hause fahren konnten.«