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»Soll das heißen, daß Sie mich verhaften?«

»Verhaften?« Masters schien zu überlegen. »Nein, Dr. Richmond. Noch nicht.«

»Das habe ich mir gedacht.« Jack lachte und erhob sich unvermittelt. »Sie müssen mich jetzt entschuldigen. Dies alles hat midi ein wenig angestrengt.«

Ohne ein weiteres Wort machte er kehrt und ging ins Haus. Vera folgte ihm eilig; sie machte ein besorgtes Gesicht. Masters blieb noch eine Weile sitzen, dann schlug er sich auf den Schenkel und sagte: »Tut mir leid. Verdammt, es tut mir wirklich leid.« Doch ob das nun auf die beiden Richmonds gemünzt war, oder auf seine eigene Lage, war nicht herauszuhören. Er sprang auf und ging. Nach diesen plötzlichen Abgängen blieben die Walters und die Howells hilflos und einsam auf der Richmondschen Terrasse sitzen.

»Ich wußte es ja«, sagte Mae. »Ich habe von Anfang an gewußt, daß Lila ‘ne Schlampe war.«

»Halt den Mund, Mae«, sagte Stanley.

»Mit der mußte es ja ein schlimmes Ende nehmen.«

»Halt den Mund, Mae«, sagte Stanley.

»Ja, Mae«, sagte Nancy. »Bitte, sei still.«

»Komm, Stanley«, sagte Mae. »Es ist wohl besser, wir gehen nach Hause.«

Stanley erhob sich ohne Hast und ging mit Mae auf das Seitengäßchen zu. Mae nahm seinen Arm.

»Armer Stanley«, murmelte Nancy. »Dabei ist er so naiv.«

»Mae ist unmöglich. Ich möchte lieber nicht über sie sprechen.«

»Da ist Vera anders. Vera ist großartig. Ich frage mich nur, was ich getan hätte, wenn ich dich bei einem Seitensprung erwischt hätte.«

»Genau dasselbe, was ich getan habe, als ich dich und Stanley im Gäßchen erwischte«, sagte David. »Den Mund gehalten.«

»Aber ich habe doch nur Spaß gemacht, David. Das weißt du genau!«

»So? Na, dann Schwamm drüber. Ich bin total erledigt, mein Herz, und ich sehne mich nach meinem gemütlichen Heim und ein paar schönen Drinks.«

Und so gingen die Howells hinüber in ihr gemütliches Heim und machten sich ein paar schöne Drinks, und so weiter, und hielten sich schließlich eng umschlungen und vergaßen alles, was sie an diesem Abend gehört hatten von Tod, Zerfall und Ehebruch.

15

Masters war unzufrieden. Drei Nächte hatte er schlecht geschlafen; seine Laune war miserabel, seine Nerven überreizt. ]a, wenn er allein war, hörte er sogar, gewissermaßen bei klarer Vernunft, Stimmen, oder vielmehr eine Stimme. Er hörte sie immer wieder. Die Stimme von Jade Richmond. Er hörte sie auch jetzt, während er finster vor sich hinbrütend am Schreibtisch saß.

»Die zwei Stunden im Krankenhaus habe ich in jenem leeren Zimmer verbracht. Ich habe geschlafen, und versuchen Sie, mir das Gegenteil zu beweisen.«

Und jedesmal, wenn er diese imaginären Worte hörte, klangen sie mehr nach der Anmaßung eines, der sich schuldig fühlte. Nach seinem Gefühl klangen sie keinesfalls wie die verzweifelten Worte eines Unschuldigen. Sie kamen ihm vor wie die überflüssigen Beteuerungen eines Mannes, der etwas getan hat und damit durchgekommen ist. Masters fühlte sich wirklich herausgefordert.

Das Teuflische daran – das grausam Teuflische, das einen zur Verzweiflung trieb – war nur, daß der Doktor in einer Hinsicht absolut recht hatte: er hatte einige Zeit vor Larry Connors Tod ein leeres Zimmer im Krankenhaus betreten und war dort über eine Stunde später angetroffen worden. Und es gab keine Möglichkeit zu beweisen, daß er nicht die ganze Zeit dort gewesen war. Seit drei Tagen versuchte Masters vergeblich, einen Zeugen aufzutreiben, der Dr. Richmond während der fraglichen Zeit gesehen hatte. Er war anscheinend weder, als er das Connorsche Büro betrat, noch als er es verließ, gesehen worden, und ebensowenig, als er am Sonntagmorgen wiederkam, um den Trick mit der Klimaanlage zu inszenieren. Das war Pech. Am frühen Sonntagmorgen hätten die Straßen der Stadt praktisch leer sein müssen. Vermutlich waren sie es auch gewesen.

Masters saß reglos hinter seinem Schreibtisch und brütete vor sich hin, als sein Chef eintrat und sich einen Stuhl nahm.

»Wie geht’s, Gus?«

»Überhaupt nicht«, sagte Masters. »Es steht. Das heißt, es geht eben nicht weiter.«

»Sie wollen aufgeben? Sind Sie jetzt auch zu der Ansicht gekommen, daß es Mord durch Connor und Selbstmord war?«

Der Ton, in dem der Chef dies sagte, verriet den Wunsch hinter seinen Gedanken, und das ärgerte Masters noch mehr.

»Verdammt noch mal, nein! Weder war es Mord durch Connor und Selbstmord, noch werde ich aufgeben! Verdammt, man kann einen Mordfall doch nicht einfach aufgeben.«

»Regen Sie sich nicht auf, Gus«, sagte der Chef mit dem Mitgefühl eines Menschen, der fest im Sattel sitzt und es sich leisten kann, ruhig und überlegen zu sein. »Haben Sie irgendwelche Pläne?«

»Höchstens den, mir die Gurgel durchzuschneiden. Ich weiß genau, was geschehen ist, und wer der Täter war, und kann nichts unternehmen.«

»Sie wissen, wer der Täter war?« wiederholte der Chef verblüfft. »Ja, wer denn? Wer?«

»Dr. Jack Richmond. Und darauf wette ich meinen letzten Cent«, sagte Masters. »Obwohl ich vermutlich keinen finde, der dagegen setzt.«

»Aber wenn Sie wissen, daß er der Täter war…«

»Es ist ein großer Unterschied zwischen Wissen und Beweisen können. Ich kann nichts beweisen.«

»Aber wir müssen sichergehen«, sagte der Chef aufgeregt. »Wir können uns einen so schwerwiegenden Irrtum nicht leisten.«

Masters knurrte nur.

»Ich hab’ einen Vorschlag, Gus. Hören Sie zu?«

»Schicken Sie alles, was Sie haben, dem Kreisanwalt. Überlassen Sie ihm die Entscheidung, ob er die Sache vor Gericht bringen will.«

»Der Kreisanwalt«, entgegnete Masters müde, »hat gerade die Universität hinter sich und noch keinerlei Erfahrung in Mordsachen. Erwarten Sie von einem solchen Greenhorn, daß er das Risiko eingeht und eine Niederlage herausfordert? Der wird schön die Finger davon lassen.«

»Verdammt noch mal, Gus, tun Sie was, oder machen Sie Schluß. Sie können nicht Ihr ganzes Leben an dieser Sache herumknobeln.«

»Hören Sie, Chef. Geben Sie mir Zeit, den Burschen unter Druck zu setzen. Vielleicht wird er weich. Wenn ich nur wüßte, wie ich ihm eine Falle stellen kann!«

»Auf Ihr Haupt komme es herab«, sagte der Chef mit Orakelstimme. Er stemmte sich auf die Füße, wobei seine Knochen verdächtig knackten. »Denn das verlieren Sie, wenn Sie nur einen Fehler machen, Masters.«

Er ging, und Masters, alleingelassen mit sich selbst, dachte über den ominösen Wechsel in der Anrede nach, die der Chef gebraucht hatte: Erst >Gus,< dann >Masters<. Die Drohung, die darin lag, war nicht zu überhören. Nun ja, der Chef hatte sein Amt nicht während sechzehn langer Jahre behauptet, weil er es an Deutlichkeit mangeln ließ. Holzhammer, das war seine Methode.

Jetzt, dachte Masters, steht also auch noch mein Job auf dem Spiel.

Doch Augustus Masters war ein Dickschädel. Wie er es sah, blieb ihm keine Wahl. Also, auf in den Kampf!

Er beschloß, seine Gedanken von allen Vorurteilen freizumachen und den ganzen Fall noch einmal von vorn bis hinten zu durchdenken. Dr. Jack Richmond und alle neunmalklugen, logischen Schlüsse bezüglich Klimaanlagen zu vergessen. Alles zu vergessen außer den nackten Tatsachen, und selbst diese genauestens auf unklare Stellen und Fehlerquellen hin zu untersuchen.

Das Sinnvollste wäre, fand er, mit Larry Connors Büro zu beginnen. Er hatte es verschlossen; es war noch im selben Zustand wie nach der Untersuchung. Verbissen griff sich Masters seinen Hut, marschierte hinüber zu dem großen Bürohaus und lenkte seine Schritte in das schmale Gäßchen dahinter.

Durch die Hintertür trat er ein und blieb einen Augenblick in dem dumpfigen Lagerraum hinter Connors Büro stehen. Die Luft war heiß und erstickend, und automatisch öffnete er den Hemdkragen und lockerte die Krawatte. Die Klimaanlage im Fenster neben der Tür war stumm, und er ertappte sich dabei, daß er in die Stille hineinlauschte. Er verspürte eine deutliche, unerklärbare Unruhe. Das war natürlich albern, und er begann zu lachen; doch dann lauschte er noch einmal und duckte sich unwillkürlich ein wenig. Da war ein Geräusch; ein seltsames Geräusch, und eigentlich kaum mehr als ein heftiges Atmen. Und dann wurde ihm klar, daß irgendwo hier im Haus jemand weinte.