Das sah Harriet gar nicht ähnlich, aber sie hatte in der Regel Recht, und deshalb schlenderte ich über den Rasen hinauf, wusch mir vor den Terrassentüren die nackten Füße und lud den Mann in mein Arbeitszimmer ein. Er war schon ziemlich alt, glatzköpfig, mit rosiger Haut, flotten, weißen Bartkoteletten und einem deutlichen amerikanischen Akzent – keinem, wie ihn Leute zu haben pflegen, die in den Vereinigten Staaten geboren sind.
»Vielen Dank für Ihre Bereitschaft, mich zu empfangen, Mr. Broadhead«, sagte er und gab mir eine Karte. Auf dieser stand:
Dr. jur. Wm. J. Haagenbusch
»Ich bin Peter Herters Rechtsanwalt«, fuhr er fort. »Ich komme direkt aus Frankfurt, weil ich zu einer Einigung gelangen will.«
Wie wunderlich von ihm, dachte ich; kommt persönlich, um Geschäfte zu besprechen! Aber wenn Harriet wünschte, dass ich mit dem alten Knaben sprach, musste sie das wohl mit meinem juristischen Programm besprochen haben, und aus diesem Grund sagte ich: »Was für eine Einigung?«
Er wartete darauf, dass ich ihm eine Sitzgelegenheit anbot. Das tat ich. Ich vermutete, dass er auch darauf wartete, ich würde noch Kaffee oder Kognak bestellen, aber das wollte ich nicht so gerne tun. Er zog schwarze Lederhandschuhe aus, betrachtete seine manikürten Fingernägel und sagte: »Mein Klient hat verlangt, dass ihm 250 Millionen Dollar auf ein Sonderkonto überwiesen werden und ihm absolute Straffreiheit zugesichert wird. Ich habe diese Mitteilung gestern verschlüsselt erhalten.«
Ich lachte laut heraus.
»Mensch, Haagenbusch, warum erzählen Sie mir das? So viel Geld habe ich nicht!«
»Nein, das haben Sie nicht«, gab er zu. »Abgesehen von Ihrer Beteiligung an der Herter-Hall-Expedition und Anteilen an Fischfarmen haben Sie nichts als zwei Wohnhäuser und ein paar persönliche Dinge. Ich glaube, Sie könnten sechs oder sieben Millionen aufbringen, die Investition in die Herter-Halls nicht mitgerechnet. Weiß der Himmel, was die derzeit wert sein mag, wenn man alles bedenkt.«
Ich lehnte mich zurück und sah ihn an.
»Sie wissen, dass ich meine Tourismusaktien verkauft habe. Sie haben mich also überprüft. Nur die Nahrungsgruben vergessen Sie.«
»Nein, ich glaube nicht, Mr. Broadhead. Soviel ich weiß, sind diese Aktien heute Nachmittag verkauft worden.«
Es war nicht gerade erfreulich festzustellen, dass er über meine finanzielle Lage besser unterrichtet war als ich. Morton hatte also auch diese Anteile verkaufen müssen. Es blieb mir keine Zeit, darüber nachzudenken, was das bedeutete, weil Haagenbusch seinen Backenbart strich und fortfuhr: »Die Lage ist die, Mr. Broadhead: Ich habe meinem Klienten klar gemacht, dass ein unter Zwang zustande gekommener Vertrag nichtig ist. Er hat deshalb keine Aussicht, seine Zwecke durch eine Vereinbarung mit der Gateway-Gesellschaft oder auch mit Ihrem Syndikat zu erreichen. Deshalb habe ich neue Anweisungen erhalten: sofortige Zahlung der genannten Summe zu erreichen, sie in seinem Namen auf Nummernkonten anzulegen und ihm das Geld zu übergeben, sobald und falls er zurückkommt.«
»Gateway wird es nicht schätzen, erpresst zu werden«, meinte ich. »Aber vielleicht bleibt den Leuten keine andere Wahl.«
»Allerdings nicht«, bestätigte er. »Was an Mr. Herters Plan nicht stimmt, ist, dass er nichts einbringen wird. Ich bin sicher, dass man das Geld bezahlen wird. Ich bin auch davon überzeugt, dass man mich streng überwachen und Wanzen in meinem Büro anbringen wird, und dass die Justizministerien aller am Gateway-Vertrag beteiligten Länder Strafverfahren gegen Mr. Herter vorbereiten werden, sobald er zurückkommt. Ich will in diesen Verfahren nicht als Mittäter genannt werden, Mr. Broadhead. Ich weiß, was geschehen wird. Man wird das Geld finden und es ihm wieder wegnehmen. Man wird Mr. Herters früheren Vertrag für nichtig erklären, weil er sich selbst nicht daran gehalten hat. Und man wird ihn – zumindest ihn – ins Gefängnis stecken.«
»Sie sind in einer schwierigen Lage, Mr. Haagenbusch«, sagte ich.
Er lachte leise und trocken. Seine Augen wirkten nicht belustigt. Er strich sich kurz den Backenbart und platzte dann heraus: »Sie haben ja keine Ahnung! Jeden Tag lange verschlüsselte Instruktionen! Fordern Sie das, garantieren Sie das, ich ziehe Sie dafür persönlich zur Verantwortung! Dann schicke ich eine Antwort, die fünfundzwanzig Tage braucht, um anzukommen, und er hat mir inzwischen fünfzig neue Anweisungen geschickt, seine Gedanken sind weiß Gott wo, er macht mir Vorwürfe und droht mir. Er ist kein gesunder und ganz gewiss kein junger Mensch mehr. Ich glaube gar nicht, dass er es erleben wird, von dem erpressten Geld etwas zu sehen – aber möglich wäre es doch.«
»Warum geben Sie nicht auf?«
»Das würde ich tun, wenn ich könnte. Aber was ist, wenn ich aufhöre? Dann hat er niemanden mehr auf seiner Seite. Was würde er dann tun, Mr. Broadhead? Außerdem …« Er zuckte die Achseln, »ist er ein sehr alter Freund, Mr. Broadhead. Er ist mit meinem Vater zur Schule gegangen. Nein. Ich kann nicht aufhören. Ich kann jedoch auch nicht tun, was er verlangt. Aber vielleicht können Sie es. Nicht, indem Sie eine Viertelmilliarde Dollar bezahlen, nein – Sie hatten nie so viel Geld. Aber Sie können ihn zu Ihrem gleichberechtigten Teilhaber machen. Ich glaube, das würde er … nein. Ich glaube, er könnte das akzeptieren.«
»Aber ich habe doch schon …« Ich verstummte. Wenn Haagenbusch nicht wusste, dass ich die Hälfte meines Besitzes schon Bover übergeben hatte, wollte ich es ihm nicht verraten. »Weshalb würde ich diesen Vertrag nicht auch für nichtig erklären lassen?«, fragte ich.
Er zog die Schultern hoch.
»Das würden Sie vielleicht tun, aber ich glaube es nicht. Sie sind ein Symbol für ihn, Mr. Broadhead, und ich schätze, Ihnen würde er vertrauen. Sehen Sie, ich glaube zu wissen, was er sich von alledem erhofft. Er möchte für den Rest seines Daseins so leben wie Sie.« Er stand auf. »Ich erwarte nicht, dass Sie sofort zustimmen«, erklärte er. »Ich habe vielleicht vierundzwanzig Stunden, bevor ich Mr. Herter antworten muss. Bitte, denken Sie darüber nach, und ich melde mich morgen wieder.«
Ich gab ihm die Hand, ließ ihm von Harriet ein Taxi rufen und stand mit ihm in der Einfahrt, bis es heranrollte und ihn rasch in die frühe Dunkelheit davontrug.
Als ich in mein Zimmer zurückkam, stand Essie am Fenster und blickte auf die Lichter am Ufer des Tappan-Sees hinaus. Es war mir plötzlich klar, wer sie an diesem Tag besucht hatte. Eine Person war auf jeden Fall ihre Friseuse gewesen; der lohfarbene Wasserfall von Haaren hing wieder glänzend und dicht bis zu ihren Hüften herab, und als sie sich umdrehte und mich anlächelte, war sie wieder dieselbe Essie, die vor so vielen Wochen nach Arizona gefahren war.
»Du hast mit dem kleinen Mann so lange gesprochen«, meinte sie. »Du musst hungrig sein.« Sie sah mich einen Augenblick an und lachte. Die Fragen in meinem Inneren waren meinem Gesicht wohl abzulesen, denn sie antwortete darauf. »Erstens, das Abendessen steht bereit. Etwas Leichtes, das wir jederzeit essen können. Zweitens, es ist in unserem Zimmer serviert, und du kannst kommen, wann du möchtest. Und drittens, ja, Robin, ich habe Wilmas Versicherung, dass das alles völlig in Ordnung ist. Geht mir viel besser, als du glaubst, Robin, Schatz.«