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»Du siehst auch so gesund aus, wie man nur sein kann«, sagte ich und muss wohl gelächelt haben, weil die hellen, vollkommenen Brauen sich zusammenzogen.

»Lachst du über den Zirkus, den eine lüsterne Ehefrau aufführt?«, fragte sie scharf.

»O nein! Nein, das ist es ganz und gar nicht«, sagte ich und legte den Arm um sie. »Ich habe mich vorhin nur gefragt, woher es kommt, dass irgendein Mensch so leben möchte, wie ich jetzt lebe. Aber nun weiß ich es.«

Tja. Wir liebten uns vorsichtig und langsam, und als ich sah, dass sie nicht zerbrechen würde, machten wir es noch einmal, grober und wilder. Dann aßen wir fast alles, was auf dem Sideboard für uns angerichtet worden war, lungerten herum und umarmten uns immer wieder, bis wir uns noch einmal liebten. Danach dösten wir einfach einige Zeit vor uns hin, wie die Löffel aneinander geschmiegt, bis Essie zu meinem Nacken sagte: »Für einen alten Bock eine sehr eindrucksvolle Leistung, Robin. Nicht einmal schlecht für einen Siebzehnjährigen.«

Ich reckte mich und gähnte im Liegen und rieb meinen Rücken an ihrem Bauch und den Brüsten.

»Du bist wirklich enorm schnell gesund geworden«, meinte ich.

Sie antwortete nicht und rieb nur die Nase an meinem Hals. Ich verfüge über eine Art Radar, unsichtbar und unhörbar, der mir die Wahrheit verrät. Ich blieb kurz liegen, dann machte ich mich los und setzte mich auf.

»Liebste Essie«, sagte ich, »warum erzählst du es mir nicht?«

Sie lag in meinem Arm, das Gesicht an meinen Rippen. »Was denn?«, fragte sie unschuldig.

»Komm schon, Essie.« Als sie nicht antwortete, sagte ich: »Muss ich Wilma aus dem Bett holen, damit sie es mir sagt?«

Sie gähnte und setzte sich auf. Es war ein unechtes Gähnen; als sie mich ansah, waren ihre Augen hellwach.

»Wilma ist sehr konservativ«, sagte sie achselzuckend. »Es gibt manche Medizin, die Heilung fördert, Kortikosteroide und dergleichen, die sie mir nicht geben wollte. Bei diesen Medikamenten besteht die Gefahr, dass sich viele Jahre später Folgeschäden einstellen – aber bis dahin wird der medizinische Vollschutz sicher damit zurechtkommen. Ich bestand also darauf. Ich habe sie sehr, sehr zornig gemacht.«

»Folgeschäden! Du meinst Leukämie!«

»Ja, vielleicht. Aber höchstwahrscheinlich nicht. Gewiss nicht bald.«

Ich stieg aus dem Bett und setzte mich nackt auf die Kante, damit ich sie besser ansehen konnte.

»Essie, warum?«

Sie legte die Daumen unter ihr langes Haar und schob es aus ihrem Gesicht zurück, während sie meinen scharfen Blick erwiderte.

»Weil ich es eilig hatte«, sagte sie. »Weil du schließlich Anspruch auf eine gesunde Frau hast. Weil es unbequem ist, durch einen Katheter zu pinkeln, um nicht zu sagen, unästhetisch. Weil es meine Entscheidung war und ich sie getroffen habe.« Sie warf die Bettdecke zurück und sank auf die Kissen. »Schau mich an, Robin«, sagte sie. »Nicht einmal Narben! Und innerlich, unter der Haut, alles völlig in Ordnung. Kann essen, verdauen, ausscheiden, lieben, dein Kind empfangen, wenn wir das wünschen sollten. Nicht nächsten Frühling oder vielleicht nächstes Jahr. Jetzt.«

Und alles stimmte. Ich konnte es selbst sehen. Ihr langer, hellhäutiger Körper war ohne Narben – nein, nicht ganz; an ihrer linken Körperseite sah man einen unregelmäßigen, helleren Streifen neuer Haut. Aber man musste genau hinsehen, um ihn zu erkennen, und es gab sonst nichts, was verriet, dass sie vor Wochen zerfetzt, verstümmelt und sogar tot gewesen war.

Mir wurde kalt. Ich stand auf, um Essie den Morgenmantel zu geben und meinen eigenen anzuziehen. Auf dem Sideboard stand noch Kaffee, und er war auch noch heiß.

»Für mich auch«, sagte Essie, als ich eingoss.

»Solltest du dich nicht ausruhen?«

»Wenn ich müde bin«, sagte sie sachlich, »wirst du das merken, weil ich mich herumdrehe und schlafe. Ist sehr lange her, seit wir beide das miteinander hatten. Ich genieße es.« Sie ließ sich von mir eine Tasse geben und sah mich über den Rand hinweg an, während sie schlürfte. »Aber du nicht«, meinte sie dann.

»Doch!« Und so war es auch, aber die Ehrlichkeit veranlasste mich hinzuzufügen: »Ich gebe mir manchmal selbst Rätsel auf, Essie. Woher kommt es, dass in meinem Kopf ein Schuldgefühl entsteht, wenn du mir Liebe zeigst?«

Sie stellte ihre Tasse hin und ließ sich zurücksinken.

»Möchtest du mir davon erzählen, lieber Robin?«

»Das habe ich eben getan.« Dann sagte ich: »Wenn überhaupt jemanden, dann sollte ich wohl den alten Sigfrid Seelenklempner rufen und es ihm sagen.«

»Er ist immer verfügbar«, gab sie zurück.

»Hm. Wenn ich mit ihm anfange, weiß der Himmel, wann ich je fertig bin. Außerdem ist er nicht das Programm, mit dem ich reden will. Es ist so vieles im Gange, Essie. Und alles geschieht ohne mich. Ich komme mir vergessen vor.«

»Ja«, sagte sie, »mir ist klar, was in dir vorgeht. Gibt es etwas, das du tun möchtest, damit du dieses Gefühl verlierst ?«

»Tja … vielleicht«, erwiderte ich. »Was Peter Herter angeht, zum Beispiel. Ich habe mich mit einer Idee befasst, die ich gern mit Albert Einstein besprechen würde.«

Sie nickte.

»Also gut, warum nicht?« Sie setzte sich auf die Bettkante. »Gib mir bitte die Hausschuhe. Machen wir das gleich.«

»Jetzt? Aber es ist schon spät … du solltest nicht …«

»Robin«, sagte sie zärtlich, »ich habe auch mit Sigfrid Seelenklempner gesprochen. Ist ein gutes Programm, selbst wenn es nicht von mir geschrieben wurde. Es sagt, dass du ein guter Mann bist, Robin, gut angepasst, großzügig, und das kann ich alles nur bestätigen, um zu ergänzen: ausgezeichneter Liebhaber und sehr lustige Gesellschaft. Komm mit ins Arbeitszimmer.« Sie griff nach meiner Hand, als wir den großen Raum über dem Tappan-See betraten und uns vor meiner Konsole auf das kleine Sofa setzten. »Sigfrid meint aber, dass du großes Talent dazu hast, Gründe zu erfinden, um etwas nicht zu tun«, fuhr sie fort. »Deshalb will ich dir helfen, dass du dich aufraffst. Daite gorod Polymath.« Das sagte sie nicht zu mir, sondern zur Konsole, die sofort aufleuchtete. »Zeig Albert- und Sigfrid-Programm gleichzeitig!«, befahl sie. »Zugang zu beiden im interaktiven Modus. Also, Robin! Gehen wir den Fragen nach, die du aufgeworfen hast. Schließlich interessiert mich das auch alles sehr.«

Diese Frau, die ich geheiratet habe, überrascht mich am meisten, wenn ich es am wenigsten erwarte. Sie saß ganz behaglich neben mir und hielt meine Hand, während ich ganz offen davon sprach, jene Dinge zu tun, die ich am liebsten unterlassen hätte. Es ging nicht einfach darum, zum Hitschi-Himmel und zur Nahrungsfabrik zu fliegen und den alten Peter Herter daran zu hindern, dass er die ganze Welt aus dem Gleichgewicht brachte. Es ging darum, wohin ich anschließend fliegen wollte.

Aber am Anfang sah es nicht so aus, als käme ich überhaupt irgendwohin.

»Albert«, sagte ich, »du hast mir erzählt, du hättest eine Kurseinstellung zum Hitschi-Himmel nach den Gateway-Aufzeichnungen erarbeitet. Kannst du das für die Nahrungsfabrik auch?«

Die beiden saßen nebeneinander im PV-Tank, Albert an seiner Pfeife saugend, Sigfrid, die Hände ineinander verflochten und stumm, aufmerksam zuhörend. Er würde nichts sagen, bis ich ihn ansprach, und das gedachte ich nicht zu tun.

»Fürchte, nein«, sagte Albert bedauernd. »Wir haben nur eine bekannte Kurseinstellung für die Nahrungsfabrik, die von Trish Bover, und das genügt nicht, um sicherzugehen. Vielleicht sechzig Prozent Wahrscheinlichkeit, dass ein Schiff dort eintrifft. Aber was dann, Robin? Es könnte nicht zurückkommen. Oder jedenfalls kam Trish Bovers Schiff nicht wieder.« Er setzte sich bequemer zurecht und fuhr fort: »Es gibt natürlich bestimmte Alternativen.« Er warf einen Blick auf Sigfrid Seelenklempner. »Man könnte Herters Verstand durch Suggestionen so beeinflussen, dass er seine Pläne ändert.«