Albert gab mir keine Antwort. Jeder Flug, den ein Hitschi-Schiff erfolgreich bewältigte, hatte zwischen zwei Körpern stattgefunden, die mehr oder weniger im Ruhezustand waren – ein paar Dutzend oder höchstens ein paar hundert Kilometer Unterschied in ihrer relativen Beschleunigung. Nicht mehr. Nicht genug, um ins Gewicht zu fallen. Aber mein Flug hatte ein Objekt verfolgt, das sich selbst in sehr schneller Bewegung befand. Er hatte beinahe nur aus Beschleunigung bestanden. Das Abbremsen hatte nur einen Bruchteil der Beschleunigungsphase gedauert. Und so blieb ich am Leben.
Und das war alles sehr zufriedenstellend, aber trotzdem …
Trotzdem zahlt man immer einen Preis.
Immer. Jeder große Sprung nach vorn hat einen verborgenen Preis gefordert, die ganze Geschichte hindurch. Der Mensch erfand die Landwirtschaft. Das bedeutete, dass jemand die Baumwolle pflücken und den Mais pflanzen musste. Und so kam’s zur Sklaverei. Der Mensch erfand das Automobil und bekam dafür Luftverschmutzung und Unfalltote. Der Mensch wurde neugierig darauf, wie die Sonne scheint, und seiner Neugier entsprang die Wasserstoffbombe. Der Mensch fand die Hitschi-Konstruktionen und kam einigen ihrer Geheimnisse auf die Spur. Und was erhielten wir? Zum einen Peter, der fast eine Welt tötete, mit einer Macht, die vor ihm noch niemand besessen hatte. Zum anderen erhielten wir ein paar nagelneue Fragen, mit deren Antworten zu befassen ich bisher den Nerv nicht hatte. Fragen, die Albert zu beantworten versuchen möchte, über Machs Prinzip, und Fragen, die Henrietta zur Sprache brachte, mit ihrem Gerede von Punkt X und der »verschwundenen Masse«. Und eine sehr große Frage in meinem Inneren: Als der Älteste den Hitschi-Himmel aus seiner Bahn holte und durch den Raum zum Kern der Galaxis jagte, wohin genau war er unterwegs?
Der erschreckendste, denke ich, und auch der befriedigendste Augenblick, das weiß ich, meines ganzen Lebens, das weiß ich, war der, in dem wir dem Ältesten die Fühler weggebrannt hatten und uns, ausgerüstet mit Henriettas Anweisungen, vor der Steuertafel des Hitschi-Himmels niederließen. Man braucht zwei Leute, damit das geht. Lurvy Herter-Hall und ich waren die beiden erfahrensten Piloten, die sich an Ort und Stelle befanden – wenn man Wan nicht mitrechnete, der mit Janine unterwegs war, um die aufwachenden Alten zusammenzutreiben und ihnen mitzuteilen, dass es einen Regierungswechsel gegeben habe. Lurvy ließ sich auf dem rechten Sitz nieder und ich auf dem linken (wobei wir uns erneut fragten, was für ein sonderbar geformtes Gesäß dort früher Platz genommen hatte). Und wir flogen los. Es dauerte über einen Monat, um zurückzukommen und den Mond zu umkreisen, die Stelle, die ich mir ausgesucht hatte. Es war kein verlorener Monat, im Hitschi-Himmel gab es genug zu tun, aber er verging ziemlich langsam, weil ich es furchtbar eilig hatte heimzukommen.
Ich brauchte meinen ganzen Mut, um die Startwarze zu drücken, aber ganz so schwer war es gar nicht. Als wir begriffen hatten, dass die Hauptsteuerung die Kodes für alle schon eingegebenen Ziele enthielt – es gibt mehr als fünfzehntausend in der ganzen Galaxis, und ein paar außerhalb –, kam es nur noch darauf an zu wissen, welcher Kode welches Ziel bezeichnete. Dann beschlossen wir, hoch erfreut von uns selbst, uns aufzuspielen. Wir erhielten eine Klage der Radioastronomen auf der Rückseite, weil unsere Mondumlaufbahn bei jeder Umkreisung ihre Peilantennen störte. Wir zogen also ab. Man macht das mit der Nebensteuerung, die im Flug bisher niemand zu berühren gewagt hat und die beim ersten Start nicht viel zu leisten scheint. Hauptsteuerung für vorausprogrammierte Ziele; Nebensteuerung für jeden Punkt, den man anfliegen will, vorausgesetzt, man kann die galaktischen Koordinaten angeben. Aber der Witz dabei ist, dass man die Nebensteuerung nicht benützen kann, bis die Hauptsteuerung auf Null gestellt wurde – was bei jedem Element auf eine klare, dunkelrote Farbe hinausläuft –, und wenn irgendein Prospektor das früher auf eigene Faust getan hatte, verlor er die Programmierung, um nach Gateway zurückfliegen zu können. Wie einfach alles ist, sobald man sich auskennt. Und so brachten wir dieses Riesending, eine halbe Million Tonnen schwer, in eine nahe Erdumlaufbahn und luden Gesellschaft ein.
Die Gesellschaft, die ich am dringendsten wünschte, war die meiner Frau. Was ich als Nächstes haben wollte, war mein Wissenschaftsprogramm Albert Einstein – das bezieht sich in keiner Weise auf Essie, wohlgemerkt, denn sie hat es geschrieben. Für mich gab es noch die Frage, ob ich zu ihr hinunter- oder sie zu mir heraufkam, aber nicht für sie. Sie wollte sich mit den Maschinenintelligenzen im Hitschi-Himmel abgeben, mindestens so dringend, schätzte ich, wie ich mich mit ihr. In einer Erdumlaufbahn von 100 Minuten ist die Sendezeit auch nicht schlecht. Sobald wir in Reichweite waren, sprach die Maschine, die Albert für mich programmiert hatte, mit ihm, pumpte alles in ihn hinein, was sie gelernt hatte, und bis ich Zeit hatte, mit ihm zu reden, konnte er auch schon antworten.
Es war natürlich nicht dasselbe. Albert in Farbe und drei Dimensionen im Holotank zu Hause war ein viel unterhaltsamerer Gesprächspartner als der Albert in Schwarzweiß auf einem Flachbildschirm im Hitschi-Himmel. Aber bis von der Erde neues Gerät heraufkam, war das alles, was ich hatte, und außerdem war es derselbe Albert.
»Gut, Sie wieder zu sehen, Robin«, sagte er wohlwollend und richtete seinen Pfeifenstiel auf mich. »Sie wissen wohl, dass ungefähr eine Million Mitteilungen auf Sie warten?«
»Die haben Zeit.« Außerdem hatte ich schon ungefähr eine Million erhalten, so sah es jedenfalls aus. Zumeist hieß es darin nur, dass jedermann tief verärgert sei, auf lange Sicht aber erfreut, und dass ich wieder schwerreich geworden war.
»Was ich zuerst hören will«, sagte ich, »ist, was du mir sagen möchtest.«
»Klare Sache, Robin.« Er klopfte seine Pfeife aus, während er mich betrachtete. »Nun«, sagte er, »zuerst Technologie. Wir kennen die allgemeine Theorie des Hitschi-Antriebs und finden uns mit dem Überlichtgeschwindigkeitsfunk zurecht. Was die Informationsverarbeitung in den Toten Menschen und so weiter betrifft … Sie wissen sicherlich«, meinte er augenzwinkernd, »dass Gosposcha Laworowna-Broadhead auf dem Weg zu Ihnen ist. Ich glaube, auf diesem Gebiet können wir zuversichtlich mit beträchtlichen Fortschritten rechnen. In wenigen Tagen wird eine Besatzung von Freiwilligen zur Nahrungsfabrik fliegen. Wir sind ziemlich sicher, dass auch sie gesteuert werden kann, dann bringen wir sie in eine nahe Umlaufbahn, um sie zu studieren und, wie ich glaube mit Gewissheit versprechen zu können, nachzubauen. Von technisch weniger wichtigen Einzelheiten wollen Sie jetzt sicher nichts hören, nehme ich an.«
»Eigentlich nicht«, sagte ich. »Oder jedenfalls nicht gleich.«
»Dann kommen wir zu theoretischen Überlegungen«, meinte er nickend, während er sich erneut die Pfeife stopfte. »Zuerst die Frage der Schwarzen Löcher. Wir haben eindeutig dasjenige gefunden, in dem sich Ihre Bekannte, Gelle-Klara Moynlin, befindet. Ich halte es für möglich, ein Schiff hinzuschicken, mit einer vernünftigen Wahrscheinlichkeit, dass es ohne ernsthaften Schaden ankommt. Die Rückkehr ist dagegen eine andere Frage. In den Hitschi-Speichern scheint sich nichts zu befinden, das uns ein Kochbuchrezept dafür liefern könnte, wie man etwas aus einem Schwarzen Loch herausholt. Theorie, ja. Aber wenn man versuchen wollte, die Theorie in Praxis umzuwandeln, bedarf es der Forschung und Entwicklung. Und zwar umfangreicher Bemühungen. Ich halte Ergebnisse nicht früher als, sagen wir, in ein paar Jahren für möglich. Eher dürften es Jahrzehnte sein. Ich weiß«, sagte er mit Nachdruck und beugte sich vor, »dass das für Sie eine Frage von persönlicher Bedeutung ist, Robin. Es könnte auch große Bedeutung für uns alle haben, und damit meine ich nicht nur die Menschheit, sondern auch Maschinenintelligenzen.« Ich hatte ihn noch nie so ernst gesehen. »Wissen Sie«, erklärte er, »das Ziel des Hitschi-Himmels ist ebenfalls eindeutig identifiziert worden. Darf ich Ihnen etwas zeigen?«