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Ich lächelte ihr zu und ließ mich von ihr küssen. Essie schimpft sehr viel. Aber Essie liebt auch vieles, und sie ist ein Prachtstück von einer Frau. Hoch gewachsen. Schlank. Langes, goldblondes Haar, das sie in einem strengen, sowjetischen Knoten trägt, wenn sie Professorin oder Geschäftsfrau ist; das sie bis zur Taille fallen lässt, wenn sie ins Bett kommt. Ehe ich richtig nachgedacht hatte, was ich wohl vorbringen könnte, das unverfänglich wäre, platzte ich schon heraus: »Ich habe mit Sigfrid Seelenklempner gesprochen.«

»Ach«, sagte Essie und richtete sich auf. »Oh!«

Während sie nachdachte, zog sie die Nadeln aus dem Knoten. Wenn man mit jemandem einige Jahrzehnte zusammengelebt hat, fängt man an, den anderen zu kennen. Ich konnte ihrem inneren Gedankengang ebenso gut folgen, als hätte sie laut gesprochen. Sie machte sich natürlich Sorgen, weil ich das Bedürfnis gehabt hatte, mit einem Psychoanalytiker zu reden. Aber sie hatte auch großes Vertrauen in Sigfrid. Essie fühlte sich immer in Sigfrids Schuld, da sie wusste, dass ich es nur mit Sigfrids Hilfe geschafft hatte, vor langer Zeit zuzugeben, dass ich sie liebte. (Außerdem liebte ich noch Gelle-Klara Moynlin. Das war das Problem gewesen.) »Möchtest du mir darüber mehr erzählen?«, fragte sie höflich.

Ich antwortete: »Alter und Depression, Liebes. Nichts Ernstes. Nur hoffnungslos! Und wie war dein Tag?«

Sie betrachtete mich mit ihren alles sehenden, diagnostischen Augen und löste mit den Händen das lange, blonde Haar, bis es frei hinunterfiel. Dann passte sie ihre Antwort der Diagnose an. »Grauenvoll aufreibend«, sagte sie, »bis zu dem Punkt, wo ich jetzt unbedingt einen Drink brauche – du auch, wie es scheint.«

Wir schlürften unsere Drinks. Auf dem Sofa war Platz für uns beide. Wir schauten zu, wie der Mond am Strand von Jersey unterging. Essie berichtete mir von ihrem Tagesablauf, ohne in mich zu dringen.

Essie lebt ihr eigenes Leben. Es ist ziemlich anstrengend – ich wundere mich, dass sie immer so viel Zeit für mich erübrigen kann. Außer ihre Geschäfte zu kontrollieren, musste sie auch noch eine zermürbende Stunde im Forschungslabor verbringen, das wir eingerichtet hatten, um Hitschi-Technologie in unsere eigenen Computer zu integrieren. Die Hitschi schienen keine Computer zu benutzen, abgesehen von primitiven Dingen wie Navigationssteuerung auf ihren Schiffen. Aber sie hatten in angrenzenden Bereichen ziemlich raffinierte Ideen. Das war Essies Spezialität. Darin hatte sie auch ihren Doktor gemacht. Als sie über ihre Forschungsprogramme sprach, konnte ich ihren Verstand arbeiten sehen: Nicht nötig, den alten Robin auszufragen. Kann mir alles durch einen Befehl aus Sigfrids Programm abrufen. Dann habe ich sofort Zugang zum ganzen Gespräch. Liebevoll meinte ich: »Du bist nicht so gescheit, wie du denkst.« Sie brach mitten im Satz ab. »Der Inhalt meines Gesprächs mit Sigfrid ist unter Verschluss«, erklärte ich.

»Ha!« Selbstgefällig.

»Nichts ha!«, gab ich ebenso selbstgefällig zurück. »Weil ich Alberts Versprechen habe. Es ist so gespeichert, dass nicht einmal du es herausholen kannst, ohne das ganze System zu ruinieren.«

»Ha!«, sagte sie noch einmal und drehte sich um, damit sie mir in die Augen schauen konnte. Diesmal war das »Ha!« lauter und hatte eine gewisse Schärfe, die man so auslegen konnte: Darüber werde ich Albert aber in ein Gespräch verwickeln!

Ich ziehe Essie gern auf, aber ich liebe Essie. Ich ließ sie nicht länger zappeln. »Ich will wirklich nicht das Siegel aufbrechen«, erklärte ich. »Es ist … na ja, Eitelkeit. Ich klinge wie ein Klageweib, wenn ich mit Sigfrid rede. Aber ich erzähle dir alles ganz genau.«

Befriedigt ließ sie sich zurücksinken und hörte mir zu. Als ich fertig war, dachte sie einen Augenblick lang nach. »Deshalb bist du also deprimiert? Weil du nicht mehr viel zu erwarten hast?«

Ich nickte.

»Aber Robin! Vielleicht hast du nur eine begrenzte Zukunft, aber, mein Gott, dafür eine so herrliche Gegenwart! Galaktischer Reisender! Stinkreicher Nabob! Unwiderstehliches Sexobjekt für eine liebende und auch sehr attraktive Frau!«

Ich lächelte und zuckte mit den Achseln. Gedankenvolles Schweigen. »Das ist eine moralische Frage«, meinte sie schließlich. »Nicht unvernünftig. Es ehrt dich, über solche Probleme zu grübeln. Ich hatte auch Bedenken. Erinnerst du dich, als vor kurzem unappetitliche weibliche Teile in mich eingesetzt wurden, um die kaputten zu ersetzen?«

»Dann verstehst du mich?«

»Versteh’ dich vollkommen! Ich verstehe auch, lieber Robin, dass die Tatsache, eine moralische Entscheidung gefällt zu haben, kein Grund zur Beunruhigung ist. Depression ist dumm! Glücklicherweise«, sagte sie und stand auf, wobei sie meine Hand festhielt, »gibt es ein ausgezeichnetes Antidepressivum. Willst du mit ins Schlafzimmer kommen?«

Natürlich wollte ich. Tat es auch. Ich stellte fest, dass meine Depression langsam verging. Kein Wunder! Wenn es etwas gibt, das mir Freude macht, dann ist es, das Bett mit S. Ya. Lawarowna-Broadhead zu teilen. Ich hätte es noch mehr genossen, wenn ich damals gewusst hätte, dass mir bis zu dem Tod, der mich so deprimiert hatte, weniger als drei Monate blieben.

Inzwischen suchte mein Freund Audee Walthers auf Peggys Planet nach einer bestimmten Spelunke, um einen bestimmten Mann zu finden.

Ich sage, er ist mein Freund, obwohl ich seit Jahren nicht mehr an ihn gedacht habe. Er hatte mir einmal einen großen Gefallen erwiesen. Das habe ich nicht vergessen. Wenn jemand mich auf ihn angesprochen hätte: »Sag mal, Robin, erinnerst du dich, wie Audee Walthers seinen Kopf dafür hingehalten hat, dass du dir ein Schiff ausborgen konntest, als du es dringend brauchtest?«, hätte ich unwirsch geantwortet: »Ja, zum Teufel! Wie könnte ich so etwas vergessen!« Nun war es aber nicht so, dass ich pausenlos daran gedacht hätte. Ich hatte keine Ahnung, wo er sich im Augenblick aufhielt oder ob er überhaupt noch lebte.

Es war nicht schwer, sich an Walthers zu erinnern, schon wegen seines auffälligen Äußeren. Er war klein und nicht besonders gut aussehend. Die untere Gesichtshälfte war breiter als die Schläfenpartie, was ihn ein bisschen wie einen freundlichen Frosch aussehen ließ. Er war mit einer schönen, unzufriedenen Frau verheiratet, die nur halb so alt war wie er. Sie war neunzehn und hieß Dolly. Er bemühte sich verzweifelt, alles gut zu machen, weil er seine Frau so liebte. Daher schuftete er wie ein Sklave für Dolly. Audee Walthers war Pilot. Er flog alles, sogar Raumschiffe auf die Venus. Wenn sich der große Erdtransporter (der ihn ständig an meine Existenz erinnerte, da ich daran Anteile besaß und ihn nach meiner Frau benannt hatte) in der Umlaufbahn um Peggys Planet befand, war er als Pilot des Shuttles zum Be- und Entladen im Einsatz. Dazwischen flog er alles, was er auf Peggys Planet mieten konnte, um jeden Charter mitzunehmen, ganz egal, worum es sich handelte. Wie die meisten auf Peggys Planet war er 4 x 1010 Kilometer von dem Ort entfernt, an dem er geboren worden war, um hier mühsam seine Brötchen zu verdienen. Manchmal reichte es, manchmal nicht. Als er nun von einem Charterflug zurückkam und ihm Adjangba mitteilte, dass er einen neuen Auftrag für ihn hätte, wollte er sich diesen unter keinen Umständen entgehen lassen. Auch wenn das bedeutete, jede Bar in Port Hegramet abzugrasen, um seine Auftraggeber zu finden. Das war nicht leicht. Port Hegramet, eine »Stadt« mit viertausend Einwohnern, war mit Bars überreichlich gesegnet. Es gab jede Menge davon. In denen, die als Erstes infrage kamen – das Hotel-Café, das Flughafen-Pub und das große Spielcasino mit Port Hegramets einziger Nachtclubvorstellung –, waren die Araber nicht, die den Charterflug machen wollten. Auch Dolly war nicht im Casino, wo sie mit ihrer Puppenbühne aufzutreten pflegte. Sie war auch nicht zu Hause. Jedenfalls ging sie nicht ans Telefon. Eine halbe Stunde später streifte Walthers noch immer durch die finsteren Straßen der Stadt und suchte seine Araber. Er befand sich nicht mehr in den reicheren, westlichen Teilen der Stadt. Als er sie schließlich aufspürte, saßen sie in einer Spelunke am Stadtrand und stritten sich.