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Walthers’ Verdacht, dass Robin Broadhead die Prospektoren finanzierte, war durchaus begründet. Walthers’ Ansicht über Robins Motive … nicht so sehr. Robin war ein sehr moralischer Mann, wenn er es auch meistens mit dem Gesetz nicht so genau nahm. Er war außerdem jemand (wie Sie sehen), dem es viel Spaß machte, versteckte Andeutungen über sich zu machen, vor allem, wenn er von sich in der dritten Person sprach.

Auch der, der Shameem hieß, bekundete, dass er gleicher Meinung war. »Programme«, lautete sein weiser Rat. »Als ich nur eine Frau hatte, hab’ ich ihr mehrere gute Programme zur Unterhaltung gekauft. Ich erinnere mich, dass ihr ›Frau Irene gibt Rat‹ und ›Fatimas Freunde‹ besonders gut gefallen haben.«

»Ich wünschte, ich könnte das auch. Aber bis jetzt gibt es nichts Vergleichbares auf Peggys Planet. Sie hat es nicht leicht. Ich kann ihr wirklich keinen Vorwurf machen, wenn ich bestimmte Bedürfnisse habe und sie keine …« Walthers brach ab, weil die Libyer schallend lachten.

»In der Zweiten Sure steht geschrieben«, platzte der junge Fawzi heraus, »dass die Frau unser Acker ist und wir diesen Acker pflügen können, wann immer wir auch wollen. So spricht Al-Baqara, die Kuh.«

Walthers schluckte seine Verärgerung runter und machte einen kleinen Scherz. »Unglücklicherweise ist aber meine Frau keine Kuh.«

»Unglücklicherweise ist Ihre Frau keine Frau«, wies ihn der Araber zurecht. »Zu Hause in Houston haben wir für einen Mann wie Sie einen ganz bestimmten Ausdruck: Pussy-Frustling. Ein beschämender Zustand für einen Mann.«

»Aber hören Sie mal«, fing Walthers an, der rot geworden war. Aber dann schluckte er auch diesen Ärger hinunter. Drüben beim Küchenzelt schaute Luqman, der dabei war, die tägliche Brandyration peinlich genau abzumessen, mit finsterem Gesicht herüber. Walthers zwang sich zu einem versöhnlichen Lächeln. »Wir werden uns nie einigen«, meinte er. »Lassen Sie uns trotzdem Freunde bleiben.« Dann versuchte er, das Thema zu wechseln. »Ich hab’ mir so meine Gedanken gemacht«, sagte er. »Warum Sie hier direkt am Äquator nach Öl bohren wollen.«

Fawzi schürzte die Lippen und sah Walthers eindringlich an, ehe er antwortete. »Wir hatten viele Hinweise auf die richtigen geologischen Bedingungen.«

»Aber sicher haben Sie die – die ganzen Satellitenfotos wurden ja veröffentlicht. Sie sind kein Geheimnis. Aber auf der nördlichen Hälfte, um das Glasmeer herum, sieht die Geologie noch viel ergiebiger aus.«

»Das reicht!«, unterbrach ihn Fawzi und erhob die Stimme. »Walthers, Sie werden nicht dafür bezahlt, dass Sie dumme Fragen stellen!«

»Ich wollte doch nur …«

»Sie haben Ihre Nase in Angelegenheiten gesteckt, die Sie nichts angehen!«

Wieder waren die Stimmen laut geworden. Diesmal kam Luqman mit den achtzig Millilitern Brandy für jeden herüber. »Was ist denn los?«, fragte er. »Was will der Amerikaner wissen?«

»Spielt keine Rolle. Ich habe nicht geantwortet.«

Luqman musterte Walthers, dessen Brandyration er in der Hand hielt. Dann hob er plötzlich das Glas hoch und kippte es hinunter. Walthers unterdrückte seinen Protest. Es war ja nicht so wichtig. Er wollte diese Leute nicht als Saufkumpane. Außerdem schien Luqman trotz seines genauen Abmessens der Milliliter den einen oder anderen schon hinter die eigene Binde gegossen zu haben. Sein Gesicht war gerötet und die Zunge schwer. »Walthers«, sagte er, »wenn es wichtig wäre, würde ich Sie für Ihre Schnüffelei bestrafen. Ist es aber nicht. Sie wollen wissen, warum wir uns hier umsehen, hundertsiebzig Kilometer von der Stelle entfernt, wo die Schlaufe gebaut wird? Dann schauen Sie mal nach oben!« Mit theatralischer Geste zeigte er mit ausgestrecktem Arm zum dunklen Himmel hinauf. Dann stolperte er lachend weg. Über die Schulter warf er noch eine Bemerkung zurück. »Spielt doch überhaupt keine Rolle mehr!«

Walthers schaute ihm nach. Dann wandte er die Augen zum Nachthimmel.

Eine strahlend blaue Perle glitt durch die unbekannten Sternbilder. Der Transporter! Das interstellare Schiff S. Ya. Broadhead war gerade in den hohen Orbit eingetreten und ging bald darauf in die niedrige Umlaufbahn, um dort als riesiger, kartoffelförmiger, blau schimmernder kleinerer Mond am wolkenlosen Himmel von Peggys Planet zu parken. Walthers verfolgte dieses Manöver. In neunzehn Stunden würde das Schiff geparkt sein. Vorher musste er sich aber in seiner Raumfähre einfinden, um bei den hektischen Pendelflügen zwischen Peggys Planet und Raumschiff dabei zu sein. Der zerbrechliche Teil der Ladung und die Passagiere mit Sonderstatus mussten befördert werden. Die aus dem Orbit frei fallenden Kapseln mussten etwas gestupst werden, damit die völlig verängstigten Immigranten darin ihr neues Zuhause auch sicher erreichten.

Walthers dankte im Stillen Luqman, dass er ihm seinen Drink nicht gegönnt hatte. Er konnte sich heute Nacht keinen Schlaf leisten. Während die vier Araber schliefen, baute er Zelte ab, verstaute die Ausrüstung, belud sein Flugzeug und sprach mit dem Flughafen in Port Hegramet, um sicherzugehen, dass er einen Auftrag für den Shuttle hatte. Er hatte. Wenn er bis morgen Mittag zur Stelle war, würden sie ihm einen Liegeplatz zuweisen und damit eine Chance geben, sich an der Hetzjagd der Rundflüge zu beteiligen. Der riesige Transporter musste völlig entladen werden, ehe er seine Rückfahrt antreten konnte. Beim ersten Morgengrauen hatte er die Araber auf den Beinen. Sie fluchten und stolperten herum. Eine halbe Stunde später waren sie an Bord des Flugzeuges und auf dem Heimweg.

Es war noch reichlich Zeit, als er auf dem Flughafen landete. Trotzdem flüsterte eine Stimme in seinem Inneren unaufhörlich: Zu spät. Zu spät …

Zu spät, wofür? Das fand er bald heraus. Als er den Treibstoff bezahlen wollte, leuchtete auf dem Bank-Monitor eine rote Null auf. Sein gemeinsam mit Dolly unterhaltenes Konto war leer. Unmöglich! – oder doch nicht unmöglich, dachte er. Er schaute hinaus auf das Rollfeld, wo vor zehn Tagen noch Wans Landefahrzeug gestanden hatte. Jetzt war es nicht mehr dort. Als er sich die Zeit nahm und zum Appartement raste, war er eigentlich nicht überrascht: Das Bankkonto war geplündert. Dollys Kleiderschrank war leer. Die Handpuppen waren weg.

Und Dolly selbst war auch verschwunden.

Ich habe zu diesem Zeitpunkt nicht an Audee Walthers gedacht. Hätte ich es getan, wären mir sicher die Tränen über sein schweres Los gekommen – oder über meines. Ich hätte mir eingebildet, dass es wenigstens eine gute Entschuldigung wäre, um zu weinen. Die Tragödie, wenn ein geliebtes Wesen weggegangen ist, kannte ich nur zu gut. Vor vielen Jahren hatte sich meine große Liebe in ein Schwarzes Loch zurückgezogen und war auf immer verloren.

Aber wie gesagt, schenkte ich ihm keinen Gedanken. Ich war mit mir selbst beschäftigt. Mein Denken kreiste hauptsächlich um das Stechen in meinem Bauch. Darüber hinaus dachte ich noch viel über die Bösartigkeit der Terroristen nach, die mich und alles in meiner Umgebung bedrohten.

Das war aber nicht das einzig Böse um mich herum. Ich sann über meine abgenutzten Eingeweide nach, weil sie mich dazu zwangen. Die künstlichen Arterien wurden langsam härter, und jeden Tag starben sechstausend Zellen in meinem nicht ersetzbaren Gehirn ab. Und während dieser Zeit verlangsamten die Sterne ihre Bahn, und das Universum schleppte sich seinem endgültigen, entropischen Tod entgegen. Und unterdessen – unterdessen ging alles, wenn man es bedachte, unweigerlich den Bach hinunter. Doch ich dachte niemals darüber nach.

Aber so sind wir nun einmal. Wir machen weiter, weil wir uns darauf dressiert haben, nicht an diese »Unterdessen« zu denken, bis sie sich – wie mein Bauch – uns aufdrängen.

Eine Bombe auf Kyoto, die tausend Jahre alte hölzerne Buddhastatuen in Brand steckte, ein Schiff ohne Besatzung, das auf dem Gateway-Asteroiden im Heimathafen lag und eine Wolke Anthrax-Sporen freisetzte, als es geöffnet wurde, eine Schießerei in Los Angeles und Plutoniumstaub im Staines-Reservoir von London – das waren Ereignisse, die uns alle in Atem hielten. Terrorismus. Sinnlose Gewalttaten. »Es geht schon seltsam auf der Welt zu«, bemerkte ich zu meiner lieben Frau Essie. »Einzelwesen verhalten sich besonnen und vernünftig. In Gruppen werden sie zu krakeelenden Jugendlichen – wie können Menschen nur so kindisch sein, sobald sie sich zu Gruppen zusammengeschlossen haben?«