»An Gorman und Ketchin, Bauunternehmer. Sehr geehrte Herren, das von Ihnen vorgeschlagene Datum – 1. Oktober – für die Fertigstellung meines Schiffes ist vollkommen inakzeptabel. Es ist auch völlig unzumutbar. Ich hatte Ihnen bereits einen Aufschub gewährt. Das ist alles, was Sie bekommen. Ich erinnere Sie an die hohen, im Vertrag festgelegten Konventionalstrafen, falls es zu einer weiteren Verzögerung kommen sollte.«
»An den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Lieber Ben, wenn das Terroristenschiff nicht umgehend ausgemacht und neutralisiert wird, ist der Friede der gesamten Welt bedroht, gar nicht zu reden von den Verlusten an Vermögen, dem Verlust von Leben und allem anderen, das auf dem Spiel steht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Brasilianer einen Richtungsfinder für Signale von einem Schiff im ÜLG-Flug entwickelt haben und dass unsere eigenen Militärs über ein Verfahren für die ÜLG-Navigation verfügen, mit dem sie einfliegen können. Sollte da keine Zusammenarbeit möglich sein? Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte brauchen Sie doch nur dem Hohen Pentagon diese Zusammenarbeit zu befehlen. Auf die Brasilianer wird auch starker Druck ausgeübt, ihren Teil beizutragen. Aber die warten auf ein Zeichen von uns.«
»An Wie-heißt-er-Gleich, Luqman. Lieber Luqman, danke für die guten Nachrichten. Ich bin der Meinung, wir sollten das Ölfeld umgehend erschließen. Bringen Sie deshalb bei Ihrem nächsten Besuch die Pläne für Förderung und Verschiffung samt Kostenvoranschlägen und Kapitalertragsplan mit. Jedes Mal, wenn die S. Ya. leer zurückkommt, verlieren wir Geld …«
Und so ging es immer weiter – ich war beschäftigt! Ich musste mich wirklich um eine Menge Dinge kümmern. Hier zähle ich noch gar nicht die Kontrolle über meine Investitionen und das Rudel meiner Manager mit. Dabei verbringe ich keineswegs viel Zeit mit geschäftlichen Angelegenheiten. Ich sage immer, dass der verrückt sein muss, der etwas nur wegen des Geldes macht, obwohl er seine ersten hundert Millionen schon verdient hat. Man braucht natürlich Geld. Denn ohne Geld fehlt einem die Freiheit, sich den Dingen zu widmen, an denen einem wirklich etwas liegt. Aber wenn man diese Freiheit bereits hat? Wozu braucht man dann noch mehr Geld? Ich überließ daher die meisten meiner Geschäfte meinen Finanzprogrammen und meinen Angestellten – bis auf die, welche ich nicht so sehr das Geldes wegen betrieb, sondern weil sie etwas darstellten, das ich wirklich erreichen wollte.
Wenn auch der Begriff Hitschi nirgends auf der Liste meiner täglichen Angelegenheiten auftauchte, war er immer vorhanden. Am Ende lief doch alles immer auf die Hitschi hinaus. Mein Schiff, das ich draußen im Orbitaldock bauen ließ, war von Menschenhand geplant und wurde von Menschen gebaut; aber der Großteil der Bauweise sowie der gesamte Antrieb und alle Kommunikationssysteme gingen auf Hitschi-Entwürfe zurück. Die S. Ya., die ich auf den beinahe leeren Rückfahrten von Peggys Planet mit Öl beladen wollte, war ein Hitschi-Artefakt. Ja, eigentlich war Peggys Planet auch ein Geschenk der Hitschi, da sie die Navigation ermöglicht hatten, den Planeten zu finden und Schiffe dorthin zu schicken. Essies Schnellimbisskette verwendete Hitschi-Maschinen, um CHON-Nahrung aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff in den gefrorenen Gasen von Kometen herzustellen. Wir haben auch auf der Erde einige dieser Nahrungsfabriken gebaut – eine steht vor der Küste von Sri Lanka. Sie bezieht Stickstoff und Sauerstoff aus dem Indischen Ozean und den Kohlenstoff aus allem, was an unglücklichen Pflanzen, Tieren oder kohlensauren Salzen durch die Ansaugventile schlüpft. Jetzt, da die Gateway AG so viel Geld besaß, dass sie nicht mehr wusste, wohin damit, konnte sie einiges davon sinnvoll investieren – in systematische Erkundungsfahrten. Als einer der Hauptaktionäre der Gateway AG ermutigte ich sie weiterzumachen. Sogar die Terroristen verwendeten ein gestohlenes Hitschi-Schiff und einen gestohlenen Hitschi-Telempathisch-Psychokinetischen Sender-Empfänger, um der Welt die fürchterlichsten Wunden beizubringen – alles Hitschi!
Kein Wunder, dass es auf der ganzen Erde religiöse Kultverbände gab, welche die Hitschi anbeteten. Schließlich trafen auf sie sämtliche objektiven Kriterien von Göttlichkeit zu. Sie waren launisch, mächtig – und unsichtbar. Es gab Zeiten, vor allem in den langen Nächten, in denen mein Bauch wehtat und alles nicht so richtig zu laufen schien, wo ich beinahe versucht war, auch ein kleines Gebet an den Vater Unser, Der Du Bist Im Kern, loszuschicken. Schaden konnte es nicht, oder?
Doch. Es könnte. Es könnte meine Selbstachtung verletzen. Und für uns menschliche Wesen in dieser quälenden, reichen Galaxis, welche die Hitschi uns – wenn auch nur Stückchen um Stückchen – überlassen hatten, wurde es immer schwieriger, Selbstachtung zu bewahren.
Natürlich war mir zu diesem Zeitpunkt noch kein echter, lebendiger Hitschi unter die Augen gekommen.
Ich hatte überhaupt noch keinen getroffen. Aber der, welcher später in meinem Leben (ich werde keine weiteren Haarspaltereien wegen der Terminologie betreiben!) eine große Rolle spielen sollte, der Kapitän genannt wurde, der war schon auf halbem Weg zum Durchbruchspunkt, wo das normale All begann. Unterdessen bekam Audee Walthers an Bord der S. Ya. einen solchen Riesenanschiss, dass er es für wenig aussichtsreich hielt, feste Pläne für eine zukünftige Anstellung auf dem Schiff zu schmieden. Und unterdessen …
Nun, wie immer, gab es eine Menge Unterdessen. Von diesen hätte Audee am meisten interessiert, dass unterdessen seine herumvagabundierende Frau immer mehr wünschte, sie wäre nicht durchgebrannt.
Mit einem Verrückten durchzubrennen, war im Grunde nicht viel besser, als sich in Port Hegramet zu Tode zu langweilen. Es war nur anders. Du lieber Himmel, ganz anders! Manchmal langweilte sie sich wie früher. Aber dann gab es auch Zeiten, in denen sie sich zu Tode fürchtete. Da das Schiff ein Fünfer war, gab es für beide Platz – hätte es jedenfalls geben sollen. Da Wan jung, reich und auf eine gewisse Art beinahe gut aussehend war – wenn man ihn aus dem richtigen Blickwinkel betrachtete –, hätte der Ausflug eigentlich recht unterhaltsam werden müssen. Wurde er aber nicht.
Vor allem waren da diese Angstpartien.
Jedes menschliche Wesen wusste zumindest das eine über den Weltraum: dass man sich von Schwarzen Löchern fern halten sollte. Nicht aber Wan. Er war direkt scharf auf sie. Und dann machte er noch Schlimmeres.
Dolly hatte keine Ahnung, wozu der technische Krimskrams, mit dem Wan spielte, diente. Als sie ihn fragte, antwortete er nicht. Da nahm sie eine ihrer Puppen und wiederholte einschmeichelnd noch einmal ihre Frage. Er aber verzog nur das Gesicht und meinte: »Wenn du unbedingt etwas vorführen musst, dann aber etwas Lustiges und Schmutziges. Steck deine Nase nicht in Dinge, die dich nichts angehen!« Als sie herauszufinden versuchte, warum sie das nichts anging, hatte sie mehr Erfolg. Sie erhielt zwar keine klare Antwort; aber aus der aufbrausenden und verlegenen Art, mit der Wan antwortete, konnte man leicht schließen, dass die Dinger gestohlen waren.
Und sie hatten etwas mit den Schwarzen Löchern zu tun. Obwohl Dolly ziemlich sicher war, irgendwann gehört zu haben, dass man in ein Schwarzes Loch weder hineinnoch aus ihm herauskonnte, war sie ebenfalls ziemlich sicher, dass Wan ein bestimmtes Schwarzes Loch zu finden versuchte, um dort hineinzufliegen. Das war der Teil, der ihr Angst einflößte.
Wenn sie nicht gerade vor Angst halb tot war, langweilte sie sich zu Tode, denn Kapitän Juan Henriquette Santos-Schmitz, der stürmische, exzentrische, junge Multimillionär, dessen Heldentaten die Leser von Klatschspalten erschauern ließen, war ein miserabler Begleiter. Nach drei Wochen mit ihm konnte Dolly seinen Anblick kaum noch ertragen. Dabei musste sie sich eingestehen, dass sein Anblick weniger Furcht einflößend war als der, den sie gerade vor sich hatte.