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Dolly betrachtete nämlich ein Schwarzes Loch. Besser gesagt, nicht wirklich das Schwarze Loch selbst; denn das konnte man Tag und Nacht anschauen, ohne je etwas zu sehen. Schwarze Löcher waren schwarz, weil man sie nicht sehen konnte. Sie blickte in Wirklichkeit in eine spiralenförmige Aura aus bläulichem und violettem Licht, das den Augen trotz der Schutzplatte über den Armaturen noch wehtat. Das Licht war nur die Spitze eines Eisberges in der Flut tödlicher Strahlung. Das Schiff war gegen solche Dinge abgeschirmt, und bis jetzt hatte der Schutzschild gehalten. Aber Wan befand sich nicht innerhalb der Abschirmung. Er war unten im Landefahrzeug, wo er Werkzeug und Apparaturen hatte, deren Funktion sie nicht kannte und die er ihr auch nicht erklären wollte. Sie war sich aber darüber im Klaren, dass sie irgendwann in einer Situation wie dieser im Hauptschiff sitzen und den kurzen Ruck spüren würde, der anzeigte, dass das Landefahrzeug abgelegt hatte. Und dann würde er sich noch näher an eines dieser schrecklichen Objekte heranmachen! Und was würde dann mit ihm passieren? Oder mit ihr? Natürlich würde sie auf keinen Fall mit ihm gehen! Aber wenn er starb und sie hunderttausend Lichtjahre vom nächsten Punkt, den sie kannte, entfernt zurückließ – was dann?

Dolly hörte ein dumpfes, wütendes Gemurmel von unten und wusste, dass diesmal wenigstens der Zeitpunkt noch nicht gekommen war. Die Luke öffnete sich, und Wan kroch aus dem Landefahrzeug. Er war wütend. »Wieder leer!«, schleuderte er ihr entgegen, als ob er sie dafür verantwortlich machen wollte.

Das tat er auch. Sie versuchte, ihre Angst zu überspielen und mitleidig dreinzuschauen. »Armer Liebling. Das tut mir Leid. Das war schon das dritte.«

»Drei! Ha! Drei, bei denen du dabei warst! Insgesamt sind es schon viel mehr!« Seine Stimme klang verächtlich; aber das machte ihr nichts aus. Sie fühlte sich erleichtert, als er an ihr vorbeischlüpfte. Dolly entfernte sich unauffällig so weit wie möglich vom Instrumentenbord – das war nicht weit in einem Hitschi-Schiff, das mühelos in ein großes Wohnzimmer gepasst hätte. Sie hielt den Mund, während er sich hinsetzte und seine elektronischen Orakel befragte.

Wenn Wan mit seinen Toten Menschen sprach, lud er Dolly nicht ein, an diesem Gespräch teilzunehmen. Wenigstens verstand sie die eine Hälfte, wenn er sich mit Worten unterhielt. Tippte er aber seine Fragen nur ein, bekam sie nicht einmal so viel mit. Diesmal war es leicht herauszufinden, was er tat. Er gab eine Frage ein, runzelte die Stirn, als einer der Toten Menschen ihm über Kopfhörer antwortete, nahm dann eine Korrektur vor und bestimmte einen Kurs auf dem Hitschi-Brett. Danach legte er die Kopfhörer ab, reckte sich und wandte sich Dolly zu. »Das hätten wir«, sagte er. »Los! Du kannst mal wieder eine Rate für deine Reise bezahlen.«

»Aber gern, Liebling«, stimmte sie bereitwillig zu, obwohl es sehr viel netter gewesen wäre, wenn er es anders ausgedrückt hätte. Trotzdem hatte sich ihre Stimmung ein wenig gebessert. Sie spürte den winzigen Ruck, der anzeigte, dass das Raumschiff wieder Fahrt aufgenommen hatte. Das große blaue und violette Schreckensbild auf dem Bildschirm wurde immer kleiner. Das war schon viel wert!

Natürlich bedeutete es nur, dass sie auf dem Weg zum nächsten Loch waren.

»Nimm den Hitschi!«, verlangte Wan. »Und – warte mal – ja, Robinette Broadhead.«

»Gern«, sagte Dolly und holte ihre Puppen aus der Ecke hervor, in die sie Wan geworfen hatte. Sie stülpte auf jede Hand eine Figur. Der Hitschi sah natürlich nicht wie ein echter Hitschi aus, und auch Robinette Broadhead war ziemlich verunstaltet. Aber Wan hatte seinen Spaß daran. Da er alles bezahlte, war das für Dolly am wichtigsten. Am Tag nach dem Abflug von Port Hegramet hatte er Dolly großspurig seine Kontoauszüge gezeigt. Jeden Monat gingen dort sechs Millionen Dollar ein! Die Zahlen überwältigten Dolly. Dafür konnte man schon einiges einstecken! Es musste einen Weg geben, früher oder später von diesem Goldregen ein paar Tropfen aufzufangen. Dolly hielt solche Gedanken nicht für unmoralisch. In früheren Zeiten hätten Amerikaner sie vielleicht als Goldgräber bezeichnet. Die meisten Menschen hätten sie jedoch zu allen Zeiten eher arm genannt.

Sie fütterte und umhätschelte also Wan. Wenn er schlecht gelaunt war, versuchte sie, sich unsichtbar zu machen, und wenn er Unterhaltung wünschte, war sie bemüht, ihm diese zu verschaffen.

»Tagchen, Mr. Hitschi«, sagte die Broadhead-Hand. Dollys Finger drehten sich, um der Puppe ein einfältiges Grinsen zu verleihen. Dazu ließ sie ihn wie einen neureichen Schieber reden. »Kolossal erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

Jetzt die Hitschi-Hand und Dollys Stimme in dünner, einschmeichelnder Tonlage. »Seid gegrüßt, tollkühner Erdling! Ihr kommt gerade recht zur Abendmahlzeit.«

»Is ja Klasse, Mann!«, freute sich die Broadhead-Hand mit noch breiterem Grinsen. »Ich hab’ richtigen Kohldampf. Was gibt’s denn?«

»Schnapp!«, kreischte die Hitschi-Hand, wobei Dollys Finger ein offen stehendes Maul formten. »Dich!« Und dann schlossen sich die Finger der rechten Hand über der Puppe in der linken.

»Hä! Hä! Hä!«, lachte Wan. »Das ist ausgezeichnet! Wenn auch ein echter Hitschi ganz anders aussieht. Niemand weiß genau, was ein Hitschi ist.«

»Weißt du es?«, fragte Dolly mit ihrer eigenen Stimme.

»Beinahe! Jedenfalls eher als du!«

Dolly hob lächelnd die Hitschi-Hand. »O nein, Mr. Wan. Sie irren sich«, ertönte die alberne Hitschi-Piepsstimme. »Ich sehe so aus und werde am nächsten Schwarzen Loch auf Ihren Besuch warten.«

Krachend flog der Stuhl, auf dem Wan gesessen hatte, zu Boden, als er aufsprang. »Das ist ganz und gar nicht lustig!«, brüllte er. Zu Dollys Erstaunen zitterte er. »Mach was zu essen!«, verlangte er und stapfte vor sich hinmurmelnd zu seinem privaten Landefahrzeug.

Es war nicht ratsam, ihn auf den Arm zu nehmen. Dolly bereitete ihm das Abendessen und servierte es mit einem Lächeln, obwohl ihr nicht danach zumute war. Das Lächeln brachte ihr aber nichts ein. Seine Stimmung war übler als sonst. Er schrie sie an. »Blödes Weib! Hast du das ganze gute Essen aufgefressen, während ich nicht hingeschaut habe? Ist denn nichts Genießbares übrig?«

Dolly war den Tränen nahe. »Aber du magst doch Steak«, erwiderte sie.

»Steak! Natürlich mag ich Steak! Aber sieh doch mal, was du als Nachtisch anbringst!« Er schob Steak und Broccoli beiseite und griff nach dem Teller mit den Schokoladentropfenplätzchen. Den hielt er ihr unter die Nase, wobei die Plätzchen in alle Richtungen davonsegelten. Dolly versuchte sie einzusammeln. »Ich weiß, dass du sie nicht besonders magst, Liebling. Aber es ist kein Eis mehr da.«

Er warf ihr einen wütenden Blick zu. »So! Kein Eis mehr! Na schön! Ein Schokoladensoufflé … oder Obsttorte …«

»Wan, davon ist auch kaum noch etwas übrig. Du hast es aufgegessen.«

»Du blödes Stück! Das ist unmöglich!«

»Aber es ist fast alles weg. Außerdem ist das süße Zeug sowieso nicht gut für dich.«

»Ich hab’ dich nicht als Krankenschwester eingestellt! Wenn meine Zähne verfaulen, kaufe ich mir neue.« Er schlug ihr den Teller aus der Hand, dass die Plätzchen nur so herumflogen. »Schmeiß diesen Mist über Bord! Mir ist jetzt der Appetit vergangen!«, fuhr er sie an.

So endete eine typische Mahlzeit an den Grenzen der Galaxis. Typisch war auch, dass Dolly weinte und alles sauber machte. Er war ein schrecklicher Kerl! Und er schien es nicht einmal zu wissen.

Tatsache war aber, dass Wan sehr wohl wusste, wie er war: böse, unsozial, ausbeuterisch – die psychoanalytischen Programme hatten eine lange Liste aufgeführt. In mehr als dreihundert Sitzungen. Sechs Tage die Woche, beinahe ein Jahr lang. Am Schluss hatte er die Analyse mit einem Scherz beendet. »Ich habe eine Frage«, wandte er sich an den holographischen Analytiker, der sich ihm als fesche Frau darstellte, alt genug, um seine Mutter und jung genug, um anziehend zu sein. »Und das ist die Frage: Wie viele Psychoanalytiker braucht man, um eine Glühbirne auszuwechseln?«