Выбрать главу

»Ich glaube nicht, dass ich Feinde habe. Konkurrenten im Geschäft, vielleicht, aber die bringen keine Leute um.«

Er wartete geduldig, daher fügte ich hinzu: »Und was meine Anwesenheit in Rotterdam betrifft – der Grund ist, glaube ich, allgemein bekannt. Meine Geschäftsinteressen schließen auch ein paar Aktien bei der Auswertung einiger Hitschi-Artefakte ein.«

»Das ist bekannt«, bemerkte er, nicht mehr so geduldig.

Ich zuckte mit den Achseln. »Ich bin als Partei bei dem Prozess am Internationalen Gerichtshof beteiligt.«

Der Commissaire öffnete eine der Schreibtischschubladen, schaute hinein und schob sie missmutig wieder zu. »Mijnheer Broadhead«, fuhr er fort. »Sie haben sehr viele Besprechungen hier in Rotterdam geführt, die mit diesem Prozess nichts zu tun hatten, sondern mit der Frage des Terrorismus. Sie wollen diese Bedrohung beenden.«

»Das wollen wir alle«, ergänzte ich; aber das Gefühl in meinem Magen kam nicht nur von den kaputten Därmen. Ich hatte gedacht, dass ich sehr diskret gearbeitet hatte.

»Wir wollen es alle. Aber Sie tun etwas, Mijnheer. Daher glaube ich, dass Sie sehr wohl Feinde haben. Die Feinde von uns allen. Die Terroristen.« Er stand auf und brachte uns zur Tür. »Während Sie meiner Zuständigkeit unterstehen, werde ich Ihnen Polizeischutz geben. Danach kann ich Sie nur zu größter Vorsicht auffordern. Ich glaube, dass Ihnen von denen Gefahr droht.«

»Jeder ist in Gefahr«, sagte ich.

»Es kann jeden zufällig treffen, stimmt; aber Sie sind jetzt ein besonderer Fall.«

Unser Hotel war noch in den Zeiten gebaut worden, als die Ölscheichs mit den dicken Brieftaschen und der Jet-Set als Touristen herkamen. Die besten Suiten waren so eingerichtet, dass es ihrem Geschmack entsprach. Der deckte sich aber nicht mit unserem. Weder Essie noch ich waren über Strohmatten und Holzblöcke als Kopfkissen begeistert. Die Hotelleitung ließ das aber alles wegbringen und stellte uns ein richtiges Bett herein, rund und riesig. Ich freute mich schon darauf, es möglichst häufig zu benützen. Nicht so die Hotelhalle, deren Ausstattung ich einfach scheußlich fand: freitragende Aufgänge, mehr Brunnen als in Versailles und so viele Spiegel, dass man sich beim Hinaufschauen wie im äußeren All vorkam. Durch die guten Beziehungen des Commissaire – oder einen anderen günstigen Umstand – blieb uns dieser Anblick erspart. Die junge Polizistin, die uns nach Hause geleitete, führte uns durch den Hintereingang. Wir sausten in einem gepolsterten Lift, der nach Essen roch, nach oben in unser Stockwerk, wo sich die Dekoration etwas verändert hatte. Genau gegenüber dem Eingang zu unserer Suite stand eine geflügelte Venus auf dem Flur. Jetzt hatte sie einen Gefährten in einem blauen Anzug bekommen, einen ganz unauffällig wirkenden Mann, der sich größte Mühe gab, mir nicht ins Gesicht zu sehen. Ich schaute auf die Polizistin, die uns begleitete.

Sie lächelte verlegen und nickte ihrem Kollegen zu. Dann schloss sie die Tür hinter uns.

Wir waren ein Sonderfall; das stand fest.

Ich setzte mich und betrachtete Essie. Ihre Nase war immer noch etwas geschwollen, schien ihr aber keine Schwierigkeiten zu machen. Dennoch. »Vielleicht solltest du ins Bett gehen«, schlug ich vor.

Sie sah mich mit nachsichtiger Zuneigung an. »Wegen einer blutigen Nase, Robin? Wie dumm du bist! Oder hast du etwas Besonderes im Auge?«

Ich muss meiner lieben Frau alle Achtung aussprechen. Sobald sie das Thema anschnitt, kam ich trotz meines ruinierten Tages und meiner ruinierten Eingeweide auf andere Gedanken. Nach fünfundzwanzig Jahren hätte man meinen können, dass Sex langweilig würde. Mein Datensammelfreund Albert hatte mir über Experimente mit Tieren im Labor erzählt, die bewiesen, dass das unausbleiblich war. Männliche Ratten wurden bei ihren Partnern gelassen, dann maß man die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs. Mit der Zeit nahm sie immer mehr ab. Langeweile. Dann nahm man die alten Partner heraus und gab ihnen neue. Die Ratten wurden sofort munter und waren eifrig bei der Sache. Damit war diese Tatsache wissenschaftlich bewiesen – bei Ratten. Ich halte mich aber, jedenfalls nicht in dieser Beziehung, für eine Ratte. Nein, mir machte die Sache ausgesprochen Freude. Da stieß mir jemand ohne Vorwarnung einen Dolch in den Bauch.

Ich konnte nicht anders. Ich schrie.

Essie schob mich beiseite. Sie setzte sich schnell auf und rief Albert auf Russisch herbei. Gehorsam erwachte das Hologramm zum Leben. Er warf einen Blick auf mich und nickte. »Ja«, sagte er. »Bitte, Mrs. Broadhead, halten Sie Robins Handgelenk gegen den Verteiler am Nachttisch.«

Ich krümmte mich vor Schmerzen und hatte die Arme um mich geschlungen. Einen Augenblick lang dachte ich, ich müsste mich übergeben; aber das Essen in meinem Bauch war zu schlecht, als dass man es so leicht losgeworden wäre. »Unternimm doch etwas!«, schrie Essie und zog mich in Panik an ihre bloße Brust, während sie meinen Arm gegen den Tisch drückte.

»Ich tue bereits etwas, Mrs. Broadhead«, erwiderte Albert. Und tatsächlich, ich konnte ein plötzliches Gefühl der Benommenheit spüren, als die Injektionsnadel etwas mit Gewalt in meinen Arm schoss. Die Schmerzen wurden schwächer und erträglich. »Du musst dir keine übermäßigen Sorgen machen, Robin«, beruhigte mich Albert liebevoll. »Sie auch nicht, Mrs. Broadhead. Ich habe diese plötzlichen ischaemischen Schmerzen seit Stunden erwartet. Es ist nur ein Symptom.«

»Verdammtes, arrogantes Programm!«, schrie Essie, die es geschrieben hatte. »Symptom wovon?«

»Für das Einsetzen des endgültigen Abstoßungsprozesses, Mrs. Broadhead. Es ist noch nicht kritisch, vor allem, da ich den Analgetica auch andere Arzneistoffe beigemischt habe. Trotzdem schlage ich eine Operation für morgen vor.« Ich fühlte mich bereits so viel besser, dass ich mich auf der Bettkante aufsetzen konnte. Mit meinem Zeh zog ich das Pfeilmuster im Teppich nach, das nach Mekka zeigte. Man hatte es vor langer Zeit für die Ölscheichs einweben lassen. Dann fragte ich: »Was ist mit dem Gewebevergleich?«

»Das ist alles arrangiert, Robin.«

Ich ließ probeweise meinen Bauch los. Er explodierte nicht. »Ich habe morgen einen Haufen Verabredungen.«

Essie hatte mich sanft geschaukelt. Jetzt ließ sie mich los und seufzte. »Eigensinniger Mann! Warum aufschieben? Du hättest die Transplantation vor Wochen durchführen lassen können, und der ganze Blödsinn hier wäre nicht nötig.«

»Ich wollte aber nicht«, erklärte ich ihr. »Außerdem hat Albert gesagt, es sei noch Zeit.«

»War Zeit! Ja, natürlich, war Zeit. Ist das ein Grund, Zeit mit Lappalien zu vertrödeln, bis plötzlich ein unerwartetes Ereignis eintritt und die Zeit vorbei ist und du stirbst? Ich mag dich warm und lebendig, Robin, nicht als Jetzt-und-Später-Programm!«

Ich stupste sie mit Nase und Kinn. »Kranker Mann! Geh weg von mir!«, fuhr sie mich an, zog sich aber nicht zurück. »Ha? Du fühlst dich jetzt besser?«

»Sehr viel besser.«

»Gut genug, um vernünftig zu reden und einen Termin im Hospital zu machen?«

Ich blies in ihr Ohr. »Essie«, versprach ich. »Werde ich ganz bestimmt. Aber nicht sofort, weil du und ich, wenn ich mich recht erinnere, noch eine Kleinigkeit zu erledigen haben. Aber ohne Albert. Würdest du dich bitte ausschalten, alter Freund?«

»Selbstverständlich, Robin.« Er grinste und verschwand. Aber Essie hielt mich zurück. Sie betrachtete lange mein Gesicht, ehe sie den Kopf schüttelte.

»Robin«, sagte sie. »Du willst, dass ich für dich ein Jetzt-und-Später-Programm schreibe?«