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Na so was, dachte ich, der Mistkerl hat mich gedopt!

Und unterdessen drehte sich die große Galaxis, und winzige Teilchen organischer Materie schoben noch kleinere Teilchen aus Metall und Kristall durch die Räume zwischen den Sternen. Und die organischen Teilchen erlebten – jedes auf seine Weise – Schmerz, Verlassenheit, Schrecken und Freude. Aber ich schlief die ganze Zeit. Es kümmerte mich kein bisschen. Damals.

Ein kleines organisches Teilchen mit Namen Dolly Walthers erlebte alle diese Gefühle am eigenen Leibe – na ja, mit Ausnahme der Freude. Bei ihr kam aber noch eine Menge anderer Gefühle hinzu – Abneigung und Langeweile. Langeweile überwog, außer in den Augenblicken, in denen ihr armes kleines Herz von Furcht beherrscht wurde. Das Innere von Wans Schiff glich einer Kammer in einer vollautomatischen Fabrik, in der man nur ganz wenig Raum ausgespart hatte, damit Menschen hineinkriechen und die nötigen Reparaturen ausführen konnten. Sogar die flackernde goldene Spirale, die einen Teil des Hitschi-Antriebssystems darstellte, war nur teilweise sichtbar. Wan hatte Schränke darumgebaut, in denen man Nahrungsmittel aufbewahren konnte. Dollys persönliche Habe – die hauptsächlich aus ihren Puppen und einem Vorrat an Tampons für sechs Monate bestand – war in einem winzigen Schränkchen in der Toilette verstaut. Alles andere gehörte Wan. Es gab nicht viel zu tun und auch keinen Platz, um es zu tun. Lesen war die einzige Möglichkeit, sich die Zeit zu vertreiben. Die einzig lesbaren Datenfächer, die Wan besaß, waren Kindergeschichten. Sie waren, wie er sagte, für ihn aufgezeichnet worden, als er noch klein war. Sie langweilten Dolly auch zu Tode. Trotzdem waren sie noch besser als gar nichts. Sogar Kochen und Saubermachen waren noch besser als das untätige Herumsitzen. Aber auch dafür waren die Möglichkeiten begrenzt. Einige Kochgerüche trieben Wan dazu, im Landefahrzeug Zuflucht zu suchen – meistens aber tobte er und beschimpfte sie. Wäsche zu waschen war leicht. Man steckte die Kleidung lediglich in einen Dampfkochtopf, der heißen Dampf hindurchjagte. Beim Trocknen allerdings erhöhte sich die Luftfeuchtigkeit, was wieder Anlass zu Beschimpfungen und Wutanfällen gab. Er schlug sie zwar nie – wenn man das nicht mitzählte, was er anscheinend für Liebesspiel hielt –, jagte ihr aber schreckliche Angst ein.

Trotzdem fürchtete sie sich vor ihm weniger als vor den Schwarzen Löchern, die sie aufsuchten, eines nach dem anderen. Diese flößten auch Wan Angst ein. Aber Furcht hielt ihn nicht auf. Sie machte es nur noch unmöglicher, mit ihm zu leben.

Als Dolly erkannte, dass die ganze irrsinnige Expedition nur eine hoffnungslose Suche nach Wans vor langer Zeit verschwundenem und sicher schon lange totem Vater war, fühlte sie echte Zärtlichkeit für ihn. Sie wünschte sich, dass er ihr erlauben würde, diese auch auszudrücken. Es geschah aber nur selten, dass er nach dem Liebesakt nicht sofort einschlief oder sie mit verletzenden und unverzeihlich kritisierenden Bemerkungen über Intimes wegschickte. Trotzdem gab es Zeiten, in denen sie sich, zumindest einige Minuten lang, schweigend umarmt hielten. Dann spürte Dolly ein brennendes Verlangen, menschlichen Kontakt mit ihm herzustellen. Es gab Augenblicke, in denen sie ihren Mund an sein Ohr halten und ihm zuflüstern wollte: »Wan? Ich weiß, wie du wegen deines Vaters fühlst. Ich wünschte, ich könnte dir helfen.«

Aber das wagte sie natürlich nie.

Ebenso wenig brachte sie den Mut auf, ihm zu sagen, dass er sie beide ihrer Meinung nach umbringen würde – bis sie an das achte Loch kamen. Da blieb ihr keine andere Wahl. Als sie noch zwei Tage davon entfernt waren – zwei Tage bei Überlichtgeschwindigkeit, beinahe ein Lichtjahr Entfernung –, kamen ihr ernsthafte Zweifel. »Warum sieht es so komisch aus?«, wollte sie wissen. Wan drehte sich nicht einmal um. Er hockte vor dem Bildschirm und gab ihr die Antwort, die sie erwartet hatte:

»Halt’s Maul!« Dann brabbelte er weiter mit seinen Toten Menschen. Sobald er herausgefunden hatte, dass sie weder Spanisch noch Chinesisch sprach, unterhielt er sich ganz offen mit ihnen. Allerdings nicht in einer Sprache, die sie hätte verstehen können.

»Nein, bitte, Liebling!«, bat sie mit flauem Gefühl im Magen. »Das geht schief!« Warum es schief gehen sollte, konnte sie nicht erklären. Das Objekt auf dem Schirm war winzig. Es war auch nicht sehr deutlich und tanzte auf dem Schirm umher. Es fehlten aber die schnellen Energieblitze, bei denen sich herumfliegende Materieteilchen als Niederschlag selbst zerstörten. Dafür sah man etwas anderes: eine Art von verschwommenem, bläulichem Schein, der mit Sicherheit nicht schwarz war.

»Quatsch!«, sagte er. Er schwitzte. Da er aber auch Angst hatte, befahl er: »Sag dem Dreckstück, was es wissen will. Auf Englisch!«

»Mrs. Walthers?« Die Stimme klang zögernd und schwach. Wenn überhaupt, dann war es die Stimme eines Toten. »Ich habe gerade Wan erklärt, dass man das eine isolierte Singularität nennt. Das bedeutet, dass es sich nicht dreht und daher auch nicht richtig schwarz ist. Wan? Hast du es mit den Hitschi-Karten verglichen?«

Ruppig antwortete er: »Natürlich! So was Blödes, wollte ich gerade machen!« Aber seine Hände zitterten, als er die Schalttafel berührte. Es erschien ein zweites Bild. Auf der einen Seite sah man das bläuliche verschwommene Objekt, kaum erkennbar. Auf der anderen Hälfte des Bildschirms war dasselbe Objekt, umgeben von einem Haufen heller, kurzer roter Linien und flackernden grünen Kreisen.

Der Tote Mensch warnte mit düsterer Genugtuung: »Es ist ein gefährliches Objekt, Wan. Die Hitschi haben es als solches gekennzeichnet.«

»Idiot! Alle Schwarzen Löcher sind gefährlich!« Wan schaltete den Lautsprecher aus und drehte sich wütend und herablassend zu Dolly um. »Du hast auch Schiss!«, warf er ihr vor und stapfte zu den gestohlenen und Furcht einflößenden Apparaten im Landefahrzeug.

Es tröstete Dolly keineswegs zu sehen, dass Wan auch zitterte. Ohne jede Hoffnung starrte sie auf den Bildschirm und wartete auf den Kontakt mit den Gehirnströmen, den Wan mithilfe seines TPSE herzustellen versuchte. Es dauerte lange, weil der TPSE nicht über interstellare Entfernungen funktionierte. Sie nickte ein. Als sie aufwachte und durch die Luke ins Landefahrzeug hinunterspähte, sah sie Wan regungslos vor dem glitzernden Drahtnetz und dem strahlend hellen Korkenzieher hocken. Dann schlief sie wieder ein.

Sie schlief auch noch, als ihre Träume jäh durch den hasserfüllten, ängstlichen und besessenen Stich aus Wans Gehirn durch den TPSE unterbrochen wurden.

Sie war noch nicht ganz wach, als er in die Hauptkabine stürzte und über ihr stand. »Eine Person!«, stammelte er. Seine Augen funkelten wild, Schweiß rann über seine Stirn. »Jetzt muss ich nach innen vordringen!«

Unterdessen träumte ich von einem tiefen Gravitationsloch und einem Schatz, der dort verborgen war. Während Wan, vor Angst schwitzend, seine gestohlenen Geräte betätigte, schwitzte ich vor Schmerzen. Während Dolly verständnislos mit großen Augen das große unheimliche Ding auf dem Bildschirm anstarrte, starrte ich auf dasselbe Objekt. Sie hatte es nie zuvor gesehen. Ich schon. Ich hatte über meinem Bett ein Bild davon, das ich zu einer Zeit aufgenommen hatte, als ich noch mehr Schmerzen litt und noch verstörter war als jetzt. Ich versuchte, mich aufzusetzen. Aber Essies starke Hand drückte mich behutsam wieder zurück. »Du bist immer noch an Lebenserhaltungssysteme angeschlossen, Robin«, schimpfte sie. »Du darfst dich nicht so viel bewegen!« Ich war in der kleinen Krankenstation, die wir an das Haus am Tappan-See angebaut hatten, als es uns zu mühsam erschien, jedes Mal in eine andere Klinik zu gehen, wenn einer von uns repariert werden musste. »Wie bin ich hierher gekommen?«, brachte ich mühsam hervor.

»Mit dem Flugzeug, wie sonst?« Sie beugte sich über mich, um auf dem Bildschirm über meinem Kopf irgendetwas zu studieren. Dann nickte sie.