Выбрать главу

»Man hat mich also operiert«, schloss ich. »Dieser Saukerl, Albert, hat mich aus dem Verkehr gezogen. Du hast mich dann nach Hause geflogen, während ich noch nicht ganz da war.«

»Sehr gescheit! Ja. Es ist alles vorbei. Der Doktor sagt, du bist gesund wie ein Bauernschwein und bald wieder auf Beinen«, fuhr sie fort. »Nur mit Bauchschmerzen noch eine Weile, wegen der zwei Komma drei Meter neuen Eingeweiden. Iss jetzt! Dann schlaf noch weiter!«

Ich ließ mich zurücksinken, während Essie mit dem Küchenchefprogramm verhandelte, und betrachtete die Holographie. Sie hing dort, um mich immer daran zu erinnern, dass, ganz egal wie unangenehm die Flickarbeiten waren, die mich am Leben erhielten, es Zeiten gegeben hatte, die noch viel schlimmer waren. Darüber hinaus erinnerte sie mich aber auch noch an etwas anderes – an die Frau, die ich verloren hatte. Ich will nicht behaupten, dass ich seit Jahren nicht an sie gedacht habe. Das wäre gelogen. Ich dachte oft an sie – aber als entfernte Erinnerung. Jetzt aber dachte ich an sie als Person. »Zeit jetzt für eine nahrhafte Fischbrühe«, sagte Essie einschmeichelnd. Bei Gott! Sie hatte nicht übertrieben. Es war wirklich Fischbrühe. Sie roch zum Kotzen. Aber laut Essie enthielt sie alles, was ich brauchte und in meinem gegenwärtigen Zustand vertrug.

Unterdessen fischte Wan mit den komplizierten und raffinierten Apparaten der Hitschi im Schwarzen Loch. Und unterdessen kam mir der Gedanke, dass dieses ekelhafte Zeug, das ich aß, noch mehr als Arznei enthielt. Und unterdessen führte der raffinierte Apparat noch eine andere Aufgabe durch, von der Wan keine Ahnung hatte. Und unterdessen zwang ich mich, so lange wach zu bleiben, um Essie zu fragen, wie lange ich geschlafen hatte und wie lange ich noch schlafen müsste. Sie antwortete nur: »Ziemlich lange, sowohl – als auch, mein lieber Robin.« Dann schlief ich weiter.

Diese andere Aufgabe war Benachrichtigung. Von allen ihren Artefakten hatten die Hitschi am meisten vor dem Unterbrecher der Ordnung benachbarter Systeme Angst. Bei falscher Handhabung könnte er ihre eigene Ordnung entscheidend und gefährlich stören, befürchteten sie. Deshalb war in jedem eine Alarmanlage eingebaut.

Wenn man Angst hat, dass sich in der Dunkelheit jemand anschleichen könnte, stellt man Fallen auf – einen Fallstrick mit klappernden Blechdosen, eine Falle, bei der dem Eindringling etwas auf den Kopf fällt oder ähnliches. Nirgendwo herrscht größere Dunkelheit als zwischen den Sternen. Daher stellten die Hitschi ihr Frühwarnsystem auf. Die Warnanlagen der Hitschi waren sehr zahlreich, anpassungsfähig und überaus laut. Als Wan seinen Korkenzieher ausfuhr, wurde das sofort weitergegeben. Sofort war in dem Augenblick, als der Kommunikationsoffizier dem Kapitän die Meldung überbrachte: »Der Fremde hat’s getan!« Kapitän stieß einen Fluch aus, dessen Übersetzung einem menschlichen Wesen nicht viel sagen würde, weil es sich auf den Akt der Kopulation bezog zu einer Zeit, in der das Weibchen nicht verliebt war. Der Kapitän wollte auch nicht die technische Seite dieser Handlung erläutern. Er gebrauchte ihn, weil er so unheimlich obszön war und er sich durch nichts anderes Luft machen konnte. Als er aber sah, dass Twice an ihrer Fernbedienungskonsole nervös wurde, tat es ihm sofort Leid.

Der Kapitän hatte die größten Sorgen, weil er der Kapitän war; aber Twice hatte am meisten Arbeit. Sie bediente drei Fernsteuerungen gleichzeitig: das Befehlsschiff, das sie aufnehmen sollte, den Lastenschlepper, der das Segelschiff verstecken sollte, und ein Fernlenkflugzeug im Planetensystem der Erde, das den Auftrag hatte, alle Sendungen aufzunehmen und alle Artefakte im Weltraum zu lokalisieren. Dabei erlaubte ihr Zustand keine dieser Arbeiten. Die Zeit der Liebe war für sie gekommen. Steroide strömten durch ihre drahtigen Adern, das biologische Programm lief, und ihr Körper war bereit. Nicht nur ihr Körper. Twices Persönlichkeit reifte ebenfalls und wurde weicher. Die Anstrengung, ihre ferngesteuerten Flugkörper richtig zu lenken, war reine Qual mit diesem Körper und Nervensystem, die sich ganz auf sexuelle Paarung eingestellt hatten. Kapitän beugte sich zu ihr. »Alles in Ordnung?«, fragte er. Sie gab keine Antwort. Das war Antwort genug.

Er seufzte und wandte sich dem nächsten Problem zu. »Nun, Shoe?«

Der Kommunikationsoffizier schaute beinahe so verzweifelt wie Twice drein. »Ein paar begriffliche Übereinstimmungen konnten gefunden werden, Kapitän«, meldete er. »Aber das Übersetzungsprogramm ist noch längst nicht fertig.«

Der Kapitän zuckte mit seinen Backenmuskeln. Gab es noch irgendeine unerwartete, unlogische Sache, die schief gehen konnte, die noch nicht schief gegangen war? Diese Nachrichtenübermittlungen – es war nicht nur gefährlich, dass es sie überhaupt gab; aber sie erfolgten auch in mehreren Sprachen! Mehreren! Nicht nur zwei, wie es dem Plan der Hitschi entsprochen hätte. Nicht nur in der Sprache »Tun« und der Sprache »Fühlen«, welche die Hitschi selbst benutzten, sondern in buchstäblich einer Unzahl von wechselseitig unverständlichen Sprachen. Es hätte die Qual, dieses endlose Geschnatter mitanhören zu müssen, gelindert, wenn er den Inhalt verstanden hätte.

So viele Sorgen und Probleme! Da war der Anblick von Twice, die von Stunde zu Stunde schwächer und hektischer wurde. Da war der grauenvolle Schock, dass irgendein Nicht-Hitschi-Geschöpf den Mechanismus zum Eindringen in ein Schwarzes Loch in Gang setzte. Des Kapitäns größte Sorge war aber, ob er auch imstande sein würde, alle sich daraus ergebenden Aufgaben zu lösen. Aber zuerst stand ihm noch eine andere Arbeit bevor. Sie orteten das Segelschiff und steuerten es an. Kein Problem. Sie schickten eine Nachricht an die Besatzung, warteten aber in weiser Voraussicht nicht auf Antwort. Das Befehlsschiff tauchte auch pünktlich nach seinem tausendjährigen, energiesparenden Schlaf auf. Sie wechselten auf das größere und stärkere Schiff. Auch das geschah fast problemlos. Lediglich Twice raste keuchend und wimmernd von einem Schiff aufs andere. Trotzdem nahm sie ihre Funktion an der Fernsteuerung des neuen Schiffs etwas zu spät auf. Aber das war nicht schlimm. Auch die schwerfällige Lastblase erschien zur rechten Zeit am rechten Ort.

Das alles hatte fast zwölf Stunden gedauert. Für Twice waren das Stunden pausenlosen Schuftens. Der Kapitän hatte weniger zu tun. Das gab ihm reichlich Zeit, sie im Auge zu behalten. Er beobachtete, wie sich ihre kupferfarbene Haut aus ungestilltem Liebesbedürfnis lila färbte und sie vor Erschöpfung immer dunkler wurde. Das machte ihm Sorge. Sie waren auf diese Anforderungen überhaupt nicht vorbereitet gewesen! Wenn sie mit der Möglichkeit eines Notfalls gerechnet hätten, wäre es leicht gewesen, einen zweiten Fernsteuerungsspezialisten mitzunehmen, der Twice hätte ablösen können. Wäre es ihnen auch nur im Traum notwendig erschienen, hätten sie gleich ein Befehlsschiff nehmen und sich die ganze Aufregung des Überwechselns sparen können. Wenn sie gedacht hätten … wenn sie vermutet hätten … wenn sie auch nur den geringsten Hinweis gehabt hätten …

Hatten sie aber nicht gehabt. Wie sollten sie auch? Selbst nach menschlicher Zeitrechnung waren nur ein paar Dekaden vergangen, seit sie das letzte Mal aus ihrem Versteck im Kern einen Blick riskiert hatten – nur ein Wimpernschlag nach astronomischer Zeit. Wie hätte sich jemand vorstellen können, dass inzwischen so viel passieren konnte?

Der Kapitän durchwühlte die Nahrungspäckchen, bis er das schmackhafteste und am leichtesten verdauliche gefunden hatte. Damit fütterte er liebevoll Twice an ihrem Schaltpult. Sie hatte wenig Appetit. Ihre Bewegungen wurden von Stunde zu Stunde langsamer, unsicherer und mühsamer. Aber sie machte mit ihrer Arbeit weiter. Endlich waren die Segel des Photonenschiffs eingeholt. Der gewaltige Rachen des Frachters ging auf, und die mottengroße Kapsel mit den Passagieren des Segelschiffs glitt langsam in die Blase hinein. Erst jetzt konnte der Kapitän etwas freier atmen. Für Twice war dies das härteste Stück Arbeit gewesen. Jetzt würde auch sie eine Chance haben, sich auszuruhen – ja, vielleicht sogar eine Chance, mit ihm das zu tun, wofür ihr Körper und ihre Seele längst mehr als bereit waren.