Liebe und Furcht herrschten im Universum. Aus Liebe (was man so bei den Schlammbewohnern Liebe nannte) ruinierte TsuTsuNga seine Gesundheit und riskierte sein Leben. Ich lag in meiner Krankenstation und träumte auch von der Liebe. Pro Tag war ich kaum eine Stunde wach. Währenddessen schlossen meine käuflich erworbenen Eingeweide mit dem Rest von mir Frieden. Der Kapitän musste mitansehen, wie Twice durch die Qualen der Liebe immer dünner und dunkler wurde.
Twice hatte sich nicht erholt, nachdem die Frachtblase die Fahrt aufgenommen hatte. Die Ruhepause war zu spät gekommen. Burst, der Schwarze-Loch-Operator, besaß die meisten medizinischen Kenntnisse an Bord.
Aber selbst zu Hause, selbst bei der besten Pflege konnten nur ganz wenige Weibchen unerwiderte Liebe und gleichzeitig schreckliche Anspannung überleben.
Daher war der Kapitän auch nicht überrascht, als Burst mit hängenden Ohren erschien und ihm mit Bedauern mitteilte: »Es tut mir Leid. Sie geht jetzt zu den Geballten Gehirnen ein.«
Liebe ist keine billige Gebrauchsware. Manche von uns werden ihrer teilhaftig und sehen niemals eine Rechnung, aber nur, wenn jemand anderer bezahlt.
Alle hatten sich gegen mich verschworen, sogar mein über alles geliebtes Weib, sogar mein treues Datenbeschaffungsprogramm. In den kurzen Augenblicken, die sie mich wach sein ließen, stellten sie mich vor die Entscheidung: »Du kannst in die Klinik zu einer kompletten Untersuchung gehen«, schlug Albert vor und zog verständnisvoll an seiner Pfeife.
»Du kannst aber auch verdammt noch mal so lange schlafen, bis du verdammt sicher bist, dass es dir wieder gut geht«, bot Essie als Alternative an.
»Ah-ha«, hielt ich ihr vor. »Das habe ich mir gedacht! Du hast mich bewusstlos gehalten, stimmt’s? Wahrscheinlich sind es schon einige Tage, seit du mich hast ausschalten und aufschneiden lassen!« Essie vermied es, mir in die Augen zu sehen. Edelmütig fügte ich hinzu: »Ich mache dir ja keine Vorwürfe deswegen. Aber verstehst du denn nicht? Ich will mir dieses Ding ansehen, das Walthers gefunden hat. Kannst du das wirklich nicht verstehen?«
Sie schaute mich immer noch nicht an, stattdessen funkelte sie das Hologramm von Albert Einstein an. »Scheint verdammt munter heute. Gibst du dem Chuligan auch genug Beruhigungsmittel?«
Alberts Bild hustete. »Nun ja, Mrs. Broadhead, das medizinische Programm ist gegen unnötige Ruhestellung zu diesem Zeitpunkt.«
»O Gott! Er wird wach sein und uns beide Tag und Nacht ärgern! Sache erledigt! Du, Robin, gehst morgen in die Klinik!« Während der ganzen Zeit, die sie mich anfauchte, streichelte sie mit der Hand meinen Nacken. Worte können lügen, die Berührung der Liebe kann man spüren.
Daher machte ich den Vorschlag: »Ich komme dir auf halbem Weg entgegen. Ich gehe in die Klinik und lasse mich vollständig untersuchen; aber nur unter der Bedingung, dass du mir keine Schwierigkeiten mehr machst, ins All zu fliegen, wenn das Ergebnis günstig ist.«
Essie schwieg und überlegte. Albert zog eine Augenbraue hoch. »Ich glaube, du machst einen Fehler, Robin.«
»Dazu sind wir Menschen ja da – um Fehler zu machen. Und jetzt, was gibt’s zum Abendessen?«
Wissen Sie, ich hatte mir ausgerechnet, dass sie es als günstiges Zeichen werten würden, wenn ich einen guten Appetit entwickelte. Vielleicht taten sie es auch. Ich hatte ferner überlegt, dass mein neues Schiff erst in mehreren Wochen fertig sein würde – also kein Grund zur Eile. Ich hatte keine Lust, wieder in so einem engen, stinkenden Fünfer loszufliegen, wenn ich bald eine eigene Jacht haben würde. Was ich nicht bedacht hatte, war, wie sehr ich Krankenhäuser hasste.
Wenn Albert mich untersuchte, maß er die Temperatur bolometrisch, tastete meine Augen auf Klarheit und meine Haut auf äußere Veränderungen wie geplatzte Äderchen ab, pumpte Ultraschall durch meinen Körper, um in die inneren Organe zu schauen, und nahm Proben der von mir in der Toilette gelassenen milden Gaben, um sie auf ihr biochemisches Gleichgewicht zu untersuchen und die Bakterien zu zählen. Albert nannte diese Methode nichtzudringlich. Ich nannte sie höflich. Die diagnostischen Methoden im Krankenhaus waren keineswegs so höflich, aber auch nicht wirklich schmerzhaft. Man betäubte die Oberfläche meiner Haut, ehe man tiefer ging. Sobald man durch die Oberfläche durch ist, gibt es nicht mehr viele Nervenenden, um die man sich Sorgen machen muss. Eigentlich spürte ich nur Zwicken, Drücken und Kitzeln. Aber davon eine Menge. Hinzu kam, dass ich wusste, was man mit mir machte. Haarfeine Lichtröhrchen schauten sich im Inneren meines Bauches um. Ganz dünne spitze Pipetten nahmen Gewebepfropfen zur Analyse ab. Meine Körpersäfte wurden abgesaugt, Wundnähte überprüft und Narben beurteilt. Die ganze Sache dauerte nicht einmal eine Stunde, aber mir kam es viel länger vor, und ehrlich gesagt, hätte ich lieber etwas anderes gemacht.
Dann durfte ich mich wieder anziehen. Man gestattete mir, mich in einem bequemen Sessel in Gegenwart eines echten, lebenden Arztes niederzulassen. Auch Essie durfte dabei sein. Ich ließ ihr aber keine Chance, sich zu äußern, sondern fing gleich an. »Na, was sagen Sie, Doktor?«, fragte ich. »Wann kann ich wieder ins All? Ich meine nicht Raketen. Ich meine die Lofstromschlaufe, die ja so traumatisch wie ein Fahrstuhl ist. Sie zieht einen auf einem magnetisierten Band …«
Der Arzt hob die Hand. Er war ein untersetzter, weißhaariger Nikolaustyp mit einem gepflegten weißen Bart und blitzenden blauen Augen. »Ich weiß, was eine Lofstromschlaufe ist.«
»Gut! Freut mich zu hören! Na und?«
»Nun«, sagte er. »Nach einer Operation wie der Ihren raten wir für gewöhnlich, solche Unternehmungen erst drei bis vier Wochen später durchzuführen, aber …«
»O nein, Doc! Nein!«, unterbrach ich ihn. »Bitte! Ich will doch nicht fast einen ganzen Monat so rumhängen!«
Er schaute mich an, dann Essie. Dann lächelte er. »Mr. Broadhead«, sagte er. »Ich glaube, Sie sollten zwei Dinge wissen. Erstens, dass es oft wünschenswert ist, den Patienten nach einer Operation einige Zeit lang ohne Bewusstsein zu lassen. Mit elektrisch stimuliertem Muskeltraining, Massagen, richtiger Ernährung und guter Pflege kommt es zu keiner Beeinträchtigung der Funktionen. Außerdem ist es für die Nerven des Patienten sehr viel leichter. Und für seine Umgebung.«
»Ja, ja«, nahm ich dies nicht besonders interessiert zur Kenntnis. »Was ist das zweite?«
»Das zweite ist, dass Ihre Operation heute bereits dreiundvierzig Tage zurückliegt. Sie können praktisch alles machen, wozu Sie Lust haben. Auch einen Star auf der Schlaufe.«
Früher, als die Straße zu den Sternen über Guayana, Baikonur oder das Kap führte, musste man etwa für eine Million Dollar flüssigen Wasserstoff verbrennen, um in die Umlaufbahn zu gelangen, in der man auf ein anderes Fahrzeug umstieg, das einen noch weiter hinausbrachte. Jetzt hatten wir die Lofstrom-Startschlaufen rund um den Äquator. Das waren riesige Gazegebilde, die man erst sehen konnte, wenn man schon fast daneben stand – nun, innerhalb von zwanzig Kilometern. Dort war auch die Satelliten-Landebahn. Ich betrachtete das Gefilde mit Freude und Stolz, als wir kreisten und zur Landung ansetzten. Essie saß neben mir und murmelte mit gerunzelter Stirn dauernd vor sich hin. Sie arbeitete ein neues Projekt aus – eine Art Computerprogramm, vielleicht einen Pensionsplan für ihre Big CHON-Angestellten. Da sie Russisch sprach, konnte ich nichts verstehen. Ich klappte den Bildschirm vor mir herunter und ließ mir von Albert mein neues Schiff vorführen. Er nannte alle technischen Daten, wie Kapazität, Zubehör, Masse und Komfort, während er langsam das Bild drehte. Da ich einige Millionen Dollar und einen Haufen Zeit in das Spielzeug gesteckt hatte, war ich interessiert, aber nicht so sehr wie an dem, was jetzt kam. »Später, Albert«, sagte ich. Gehorsam zog er sich zurück. Ich reckte meinen Hals, um die Schlaufe beim Anflug nicht aus den Augen zu verlieren. Über dem Teil vor ihr, die einer Sprungschanze glich, konnte ich schwach die Kapseln erkennen, die mit dreifacher Erdbeschleunigung hinaufrasten, sich dann bildschön und leicht lösten und am steilsten Teil des Abhangs ins Blaue hinein verschwanden. Herrlich! Keine Chemikalien, keine Verbrennung, keine Schädigung der Ozonschicht. Nicht einmal die Energieverschwendung wie beim Start eines Hitschi-Landefahrzeugs. Manche Sachen konnten wir sogar besser als die Hitschi!