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Wenigstens trug er nicht sein Generalsgesicht oder den Roten-Baron-Seidenschal. Trotzdem fühlte ich mich nicht wohl. Am liebsten hätte ich mich bei Audee und den beiden Frauen entschuldigt. Stattdessen sagte ich: »Essie? Glaubst du nicht auch, dass diese Erinnerungen ein bisschen überhand nehmen?«

»Möglich«, entgegnete sie nachdenklich. »Möchtest du, dass er damit aufhört?«

»Nicht aufhören. Er ist jetzt viel interessanter, aber wenn du seine persönlichkeitsbezogene Datenspeicherung etwas herunterdrehen oder das Potentiometer der Nostalgieschaltkreise …«

»Wie albern du bist, lieber Robin«, unterbrach sie mich und lächelte verzeihend. Dann gab sie die Anweisung: »Albert! Lass das viele Geschwätz! Robin mag es nicht.«

»Selbstverständlich, liebe Semya«, gehorchte er höflich. »Zweifellos möchten Sie aber trotzdem etwas über das Segelschiff erfahren.« Er stand hinter seinem Schreibtisch auf – das heißt, sein holographisches Abbild erhob sich hinter dem ebenfalls nicht existierenden Hologramm eines Schreibtisches. Ich musste mir das immer wieder ins Gedächtnis rufen. Er nahm einen Schwamm und begann, die Kreide abzuwischen. Dann besann er sich und griff mit einem um Verzeihung bittenden Blick auf Essie nach einem Schalter auf dem Schreibtisch. Die Tafel verschwand. Sie wurde durch die vertraute kieselfarbene graugrüne Oberfläche eines Bildschirms auf einem Hitschi-Schiff ersetzt. Dann drückte er auf einen anderen Schalter, worauf das Kieselgrau verschwand und den Blick auf eine Sternkarte freigab. Auch das war realistisch – um irgendeinen Gateway-Bildschirm in ein brauchbares Bild zu verwandeln, musste man lediglich eine einfache Vorspannung vor die Schaltkreise setzen. (Allerdings waren tausend Forscher gestorben, ohne das herauszufinden.) »Was Sie hier sehen«, erklärte er zuvorkommend, »ist der Ort, an dem Kapitän Walthers das Segelschiff geortet hat. Wie Sie sehen, ist hier nichts.«

Walthers hatte ruhig auf einem Kissen vor dem imitierten Kamin gesessen – so weit wie möglich von Dolly und Janie entfernt, die ebenfalls so weit wie möglich auseinander saßen. Alle waren still. Aber jetzt rief Walthers wie angestochen: »Unmöglich! Die Aufzeichnungen waren korrekt! Sie haben die Daten!«

»Selbstverständlich waren sie korrekt«, beruhigte Albert ihn. »Aber, Sie müssen wissen, dass zu dem Zeitpunkt, als die Aufklärungsdrohne dort ankam, das Segelschiff längst weg war.«

»Es konnte aber nicht weit sein, wenn es nur durch Sternenlicht angetrieben wurde.«

»Nein, das konnte es nicht. Aber es war verschwunden. Trotzdem«, fuhr Albert fröhlich fort, »hatte ich für alle Eventualitäten vorgesorgt. Wenn Sie sich erinnern, mein Ruhm – der meines früheren Ichs, will ich sagen – beruhte auf der Annahme, dass die Geschwindigkeit des Lichts eine fundamentale Konstante war, die aber gewissen Erweiterungen im Kontext dessen unterworfen war, was wir von den Hitschi gelernt haben«, fügte er nachsichtig im Zimmer herumblinzelnd hinzu. »Ja, die Geschwindigkeit ist immer gleich – fast dreihunderttausend Kilometer pro Sekunde. Ich gab daher der ferngesteuerten Drohne Anweisung, sich im Falle, dass das Segelschiff nicht aufzufinden sein würde, in einer Entfernung von dreihunderttausend Kilometern mal der Zahl der Sekunden seit der Ortung zu suchen.«

»Großartiges, ausgekochtes, selbstgefälliges Programm«, bemerkte Essie liebevoll. »Das war ein besonders gewitzter Pilot, den du für die Drohne angeheuert hast, nicht wahr?«

Albert hustete. »Es war ja auch ein außergewöhnlicher Flug«, gab er zu bedenken. »Da ich voraussah, dass besondere Anforderungen auftreten könnten, waren auch die Aufwendungen ziemlich hoch. Nun denn! Als die Drohne diese Anweisung befolgt hatte, sah sie Folgendes …« Er machte eine Handbewegung, und auf dem Schirm zeigte sich das Gebilde mit den vielen Gazeflügeln. Es hatte nicht mehr seine ursprüngliche Form, sondern faltete sich und zog sich vor unseren Augen zusammen. Albert ließ es schneller ablaufen, als es von Bord des Aufklärers aus zu sehen war. Wir beobachteten, wie sich die großen Flügel zusammenrollten … und verschwanden.

Nun. Was wir sahen, haben Sie bereits gesehen. Sie hatten dabei auch den Vorteil, dass Sie wussten, was Sie sahen. Da waren wir nun – Walthers und sein Harem und Essie und ich. Wir hatten die mühselige menschliche Welt verlassen, um einem mühseligen Rätsel nachzujagen. Und jetzt mussten wir mit ansehen, wie das Ding, hinter dem wir her waren, von etwas anderem aufgefressen wurde! Genauso stellte es sich für unsere auf diesen Augenblick nicht vorbereiteten Augen dar. Wir saßen da wie versteinert und starrten auf die zerknautschten Flügel und die riesige blau leuchtende Kugel, die aus dem Nichts gekommen war und sie verschlang.

Ich wurde mir bewusst, dass jemand leise kicherte. Mein zweiter Schock kam, als ich feststellte, wer es war.

Es war Albert, der auf der Kante des Schreibtisches saß und sich eine Freudenträne aus den Augen wischte. »Ich bitte vielmals um Verzeihung«, sagte er. »Aber Sie müssten Ihre Gesichter sehen!«

»Verdammtes, großartiges, selbstgefälliges Programm!«, stieß Essie gar nicht mehr liebevoll hervor. »Stopp den Scheiß sofort! Was ist dort los?«

Albert sah meine Frau an. Ich konnte seinen Ausdruck nicht ganz entschlüsseln: Der Blick war liebevoll und tolerant und drückte noch so viele Dinge aus, die ich mit einem durch Computer hergestellten Hologramm nicht in Verbindung bringen konnte. Nicht einmal mit Albert. Er war aber auch unsicher. »Liebe Mrs. Broadhead«, brachte er zu seiner Entschuldigung hervor. »Wenn Sie nicht wollen, dass ich Sinn für Humor zeige, hätten Sie mich nicht so programmieren sollen. Wenn ich Sie in Verlegenheit gebracht habe, bitte ich um Entschuldigung.«

»Befolge die Anweisungen!«, fuhr Essie ihn an und sah verwirrt drein.

»Oh, selbstverständlich! Was Sie eben gesehen haben«, erklärte er der Gruppe, wobei er sich ganz offensichtlich von Essie abwandte, »halte ich für das erste bekannte Beispiel eines tatsächlich stattfindenden bemannten Hitschi-Unternehmens in Realzeit. Es bedeutet, dass das Segelschiff entführt wurde. Beobachten Sie dies kleinere Fahrzeug!« Nachlässig winkte er mit der Hand, und das Bild drehte sich und wurde unscharf, um dann stark vergrößert zu erscheinen. Die Vergrößerung ging über die optischen Möglichkeiten des Aufklärungsschiffes hinaus, daher wurde der Rand der Kugel unscharf.

Aber dahinter war etwas.

Etwas, das sich langsam in den Schlagschatten hinter der Kugel schob. Gerade als es wieder verschwand, schaltete Albert auf Standbild, und wir sahen ein verschwommenes, fischförmiges Objekt, sehr winzig und nicht deutlich erkennbar. »Ein Hitschi-Schiff«, äußerte Albert. »Wenigstens habe ich keine andere Erklärung.«

Janie Yee-xing gab einen Laut von sich, als würde sie ersticken. »Ist das sicher?«

»Nein, natürlich nicht«, schränkte Albert ein. »Es ist bis jetzt nur eine Theorie. Man sagt niemals ›Ja‹ zu einer Theorie, Miss Yee-xing, nur ›vielleicht‹, da bestimmt eine bessere Theorie auftauchen wird und die, welche bis dahin die beste schien, ablöst. Aber meine Theorie ist, dass die Hitschi sich dafür entschieden haben, das Segelschiff zu entführen.«

Das müssen Sie sich mal vorstellen! Hitschi! Echte – nach Aussagen des klügsten Datenbeschaffungssystems, dem jemals einer begegnet ist. Seit zwei Dritteln eines Jahrhunderts hatte ich auf die eine oder andere Weise nach Hitschi Ausschau gehalten. Ich hoffte verzweifelt, sie zu finden, hatte aber auch schreckliche Angst, dass es mir gelingen könnte. Als dies Ereignis nun eintrat, überwog in meinem Kopf der Gedanke an das Datenbeschaffungssystem, nicht an die Hitschi. Ich sagte: »Albert, warum benimmst du dich so komisch?«