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Aber nicht für fünf Personen.

Wir waren nicht etwa müßig. Wir taten alles, was uns einfiel. Walthers und Yee-xing bastelten eigene Steuerprogramme zusammen, probierten sie aus, konnten aber die Blockierungen nicht überwinden. Essie tat mehr als wir alle, weil Albert ihr Produkt war und sie sich nicht eingestehen wollte, nicht konnte, dass sie geschlagen war. Überprüfen und nochmals überprüfen. Testprogramme schreiben und zusehen, wie sie leer herauskommen. Sie schlief kaum. Sie kopierte Alberts gesamtes Programm auf einen Reservefächer und versuchte es damit – immer noch in der Hoffnung, dass der Fehler irgendwo in der Mechanik lag. Aber wenn es so war, dann übertrug er sich auch auf die neue Speicherung. Dolly Walthers machte uns ohne zu murren Essen und blieb uns aus dem Weg, wenn wir dachten, wir würden eine Lösung finden (obwohl wir das nie taten), und ließ uns unsere Ideen ausspinnen, wenn wir am Boden zerstört waren (was oft geschah). Und ich hatte die härteste Aufgabe von allen. Albert war laut Essie mein Programm. Wenn er irgendjemandem antworten würde, dann mir. So saß ich also da und redete auf ihn ein. Redete eigentlich in die Luft, da ich keinerlei Beweise hatte, dass er mir zuhörte, wenn ich mit ihm diskutierte, mit ihm plauderte, ihn beim Namen rief, ihn anbrüllte oder anflehte.

Er antwortete nicht. Nicht der kleinste Luftzug.

Als wir eine Pause zum Essen machten, stand Essie hinter mir und massierte mir die Schultern. Es war zwar mein Kehlkopf, der langsam schlappmachte; trotzdem wusste ich den liebevollen Gedanken zu schätzen. »Wenigstens«, sagte sie leise, wobei sie mehr in die Luft als zu mir sprach, »wird er schon wissen, was er tut, glaube ich. Er muss doch wissen, dass unsere Vorräte begrenzt sind. Muss dafür sorgen, dass wir zurück in die Zivilisation kommen. Albert könnte uns nicht mit Absicht umkommen lassen.« Den Worten nach eine Aussage, nicht aber dem Tonfall nach.

»Da bin ich ganz sicher«, pflichtete ich mit niedergeschlagener Stimme bei, als ich meinen Teller wegschob. Dolly fragte in einer mütterlichen Art:

»Schmeckt Ihnen nicht, was ich gekocht habe?«

Essies Finger hörten mit der Massage auf und bohrten sich hinein. »Robin! Du isst nicht!«

Alle schauten mich an. Eigentlich war es komisch. Wir waren in der Mitte vom Nichts, ohne eine echte Möglichkeit, nach Hause zu kommen, und vier Leute starrten mich an, weil ich mein Abendessen nicht aß. Zu Beginn des Flugs hatte Essie natürlich über mich wie eine Glucke gewacht. Das war, ehe Albert verstummte. Jetzt merkten plötzlich alle, dass es mir nicht gut ging.

Und das war eine Tatsache. Ich ermüdete sehr schnell. In meinen Armen prickelte es, als ob sie eingeschlafen wären. Ich hatte keinen Appetit – hatte seit Tagen nicht viel gegessen. Das war ihrer Aufmerksamkeit nur entgangen, weil wir schnell etwas in uns hineinstopften, wenn wir gerade Zeit hatten. »Das hilft, die Vorräte zu verlängern.« Ich lächelte, aber niemand lächelte zurück.

»Dummer Robin«, zischte Essie und zog ihre Finger von meinen Schultern ab, um auf meiner Stirn die Temperatur zu messen. Die war aber nicht sehr hoch, weil ich, wenn niemand hinschaute, Aspirin geschluckt hatte. Ich setzte eine geduldige Miene auf.

»Es geht mir gut, Essie«, versicherte ich. Das war nicht wirklich eine Lüge – vielleicht ein bisschen Wunschdenken; aber ich war nicht sicher, dass ich krank war. »Ich nehme an, ich sollte mal untersucht werden, aber ohne Albert …«

»Dafür? Albert? Wer braucht ihn?« Ich verrenkte mir erstaunt den Hals, um Essie anzuschauen. »Dafür brauche ich nur ein medizinisches Unterprogramm«, belehrte sie mich bestimmt.

»Unterprogramm?«

Sie zerstampfte ihr Essen. »Medizinisches Programm, Rechtsprogramm, Sekretariatsprogramm – alle sind in Alberts Programm eingebaut, können aber getrennt erreicht werden. Du rufst sofort das Medizinprogramm auf!« Ich starrte sie mit offenem Mund an. Einen Augenblick lang konnte ich nicht reden, weil mein Verstand auf Hochtouren lief. »Tu, was ich sage!«, schrie sie mich an.

Schließlich fand ich meine Stimme wieder.

»Nicht das Medizinprogramm!«, rief ich. »Da gibt es noch etwas Besseres!« Ich drehte mich um und brüllte in die dünne Luft:

»Sigfrid Seelenklempner! Hilfe! Ich brauche dich verzweifelt!«

Es gab eine Zeit während meiner Psychoanalyse, da saß ich auf Kohlen, während ich auf das Erscheinen von Sigfrid wartete. Manchmal musste ich lange warten, da Sigfrid damals ein aus Hitschi-Schaltkreisen und menschlicher Software zusammengeflicktes Programm war; und die Software stammte nicht von meiner Frau Essie. Essie war in ihrem Beruf ausgezeichnet. Die Millisekunden bis zur Antwort schrumpften auf Nano-, Pico- und Femtosekunden, sodass Albert ohne Zeitverzögerung wie ein Mensch antworten konnte – nein, zum Teufel! Schneller als irgendein Mensch!

Als Sigfrid nun nicht sofort auftauchte, hatte ich das Gefühl, das einen beschleicht, wenn man den Schalter anknipst, und das Licht geht nicht an, weil die Birne durchgebrannt ist. Man verschwendet auch keine Zeit mit dem An- und Ausschalten, wie Sie wissen, oder? »Verschwende deine Zeit nicht«, mahnte Essie über meine Schulter. Wenn eine Stimme blass klingen kann, dann jetzt die ihre.

Ich drehte mich um und lächelte erschüttert. »Ich schätze, die Dinge liegen schlimmer, als wir angenommen hatten«, sagte ich. Ihr Gesicht war totenblass. Ich legte meine Hand auf die ihre. »Das versetzt mich zurück in die Zeit«, fuhr ich fort, um Konversation zu machen, damit wir der Tatsache nicht ins Auge blicken mussten, wie schlimm die Dinge standen, »als ich bei Sigfrid in analytischer Behandlung war. Die Warterei war am schlimmsten. Ich verkrampfte mich immer völlig und …« Nun, ich schwätzte einfach drauflos. Ich hätte ewig weitergemacht, hätte ich nicht in Essies Augen gelesen, dass es nicht mehr nötig war.

Ich drehte mich um und vernahm gleichzeitig seine Stimme: »Tut mir Leid zu hören, dass es so schwierig für dich war, Robin«, schaltete sich Sigfrid Seelenklempner ein.

Selbst für eine holographische Projektion sah Sigfrid ziemlich mickrig aus. Er hatte die Hände im Schoß gefaltet und saß unbequem auf gar nichts. Das Programm hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihn mit einem Stuhl oder einer Unterlage auszustatten. Nichts. Nur Sigfrid, der, abgesehen von einer Gelegenheit, meiner Erinnerung nach nie so befangen ausgesehen hatte. Er schaute uns alle fünf an. Wir schauten ihn an. Dann seufzte er, ehe er sich wieder mir zuwandte. »Nun, Robin«, wandte er sich an mich, »willst du mir nicht sagen, was dich quält?«

Ich konnte hören, wie Audee Walthers tief Luft holte, um zu antworten. Aber Janie schnalzte mit der Zunge, um ihn zu stoppen, weil Essie den Kopf schüttelte. Ich schaute keinen von ihnen an und erklärte: »Sigfrid, alter Blechkamerad, ich habe ein Problem, das ganz in dein Ressort gehört.«

Unter seinen Brauen schaute er mich an. »Ja, Robin?«

»Es ist ein Fall von Fugue.«

»Ernst?«

»Desolat«, gestand ich.

Er nickte, als ob er diese Antwort erwartet hätte. »Es wäre mir lieber, wenn du nicht diese Fachausdrücke verwenden würdest, Robin.« Er seufzte und seine Finger verschränkten sich in seinem Schoß ineinander und lösten sich wieder. »Sag mir. Suchst du wirklich für dich Hilfe?«

»Nicht genau, Sigfrid«, gab ich zu. Das ganze Spiel hätte in diesem Augenblick platzen können. Ich glaube, dass es beinahe so weit kam. Er schwieg einen Augenblick lang, war aber nicht ganz still – seine Finger spielten weiter, und in der Luft, die seinen Körper umgab, funkelte es bläulich, wenn er sich bewegte. Ich präzisierte: »Es handelt sich um einen Freund von mir, Sigfrid, vielleicht den engsten Freund, den ich auf der Welt habe. Er steckt ganz tief in der Tinte.«

»Verstehe«, sagte er und nickte, als ob er es wirklich verstünde  – was meiner Meinung nach auch der Fall war. »Ich nehme an«, fuhr er fort, »dass deinem Freund nicht geholfen werden kann, wenn er nicht anwesend ist.«