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Es gab Tage, an denen ich mich beinahe dazu aufgerafft hätte, Klara zu bitten, mit mir hinauszufliegen. Und es gab Tage, an denen ein Schiff mit zwei halb verhungerten, ausgedörrten Überlebenden zurückkam – oder ohne Überlebende  – oder ein paar Starts vom vergangenen Jahr als vermisst eingestuft wurden. An solchen Tagen war ich beinahe so weit, Gateway für immer zu verlassen.

An den meisten Tagen zogen wir es vor, die Entscheidung einfach zu verschieben. So schwer war das nicht. Es war eine recht angenehme Art zu leben, Gateway und einander zu erforschen. Klara stellte ein Dienstmädchen ein, eine stämmige, junge blonde Frau aus den Nahrungsgruben von Carmarthen, die Hywa hieß. Abgesehen davon, dass der Grundstoff für die walisischen Einzeller-Proteinfabriken Kohle statt Ölschiefer war, hatte ihre Welt große Ähnlichkeit mit der meinen gehabt. Ihr Ausweg war kein Lotterieschein gewesen, sondern zwei Jahre Dienst auf einem Handelsraumschiff. Sie konnte nicht einmal nach Hause. Sie war auf Gateway von Bord gegangen und hatte ihre Kaution verloren. Und Prospektor konnte sie auch nicht werden, weil sie sich bei einem Raumschiffstart eine Herzarrhythmie zugezogen hatte, die sich manchmal zu bessern schien und sie dann wieder eine ganze Woche ins Hospital brachte. Hywas Aufgabe bestand darin, für mich und Klara sauber zu machen und zu kochen sowie auf die kleine Kathy Francis aufzupassen, wenn ihr Vater Dienst hatte und Klara ihre Ruhe haben wollte. Klara hatte im Kasino ziemlich viel verloren, sodass sie sich Hywa eigentlich gar nicht leisten konnte, aber mich konnte sie sich auch nicht leisten.

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Was es uns erleichterte, der Selbsterkenntnis auszuweichen, war, dass wir voreinander und manchmal jeder sogar vor sich selbst so taten, als bereiteten wir uns besonders genau auf den Tag vor, an dem der richtige Flug sich anbieten würde.

Das zu tun, fiel nicht schwer. Zwischen den Flügen taten viele richtige Prospektoren das Gleiche. Es gab eine Gruppe, die sich ›Hitschi-Sucher‹ nannte und sich jeden Mittwochabend traf; gegründet worden war sie von einem Prospektor namens Sam Kahane, fortgeführt von anderen, während er auf einer Reise war, die nichts erbrachte, und wieder zusammengerufen von ihm zwischen Flügen, wenn er darauf wartete, dass die beiden anderen Mitglieder seiner Besatzung sich für den nächsten Flug wieder in Form brachten. (Unter anderem hatten sie infolge eines Defekts im Nahrungsmittelkühlschrank Skorbut mitgebracht.) Sam und seine Freunde waren homosexuell und anscheinend in einer festen Dreierbeziehung verbunden, aber das wirkte sich auf sein Interesse an Hitschi-Kunde nicht aus. Er hatte Tonbänder von allen Vorträgen mehrerer Lehrgänge über Exostudien vom East Texas-Reservat besorgt, wo Professor Hegramet sich zur höchsten Autorität in der Hitschi-Forschung auf der ganzen Welt aufgeschwungen hatte. Ich erfuhr vieles, was ich nicht gewusst hatte, wenngleich die wesentliche Tatsache – nämlich die, dass es, was die Hitschi anging, viel mehr Fragen als Antworten gab – bestehen blieb.

Und wir traten Gruppen zur körperlichen Ertüchtigung bei, wo wir Muskelstärkungsübungen machten, wobei man jedes Glied nur wenige Zentimeter bewegen musste, und Massagetechniken erlernten. Es machte uns viel Spaß, vor allem auf sexuellem Gebiet. Klara und ich lernten, mit unseren Körpern erstaunliche Dinge anzustellen. Wir besuchten einen Kochkurs (mit Standardrationen kann man allerhand anfangen, wenn man mit Kräutern und Gewürzen umzugehen versteht). Wir erwarben eine Auswahl an Sprachenbändern, für den Fall, dass unsere zukünftigen Crew-Mitglieder kein Englisch sprachen, und übten miteinander Taxifahrer-Italienisch und -Griechisch. Wir traten sogar einer Astronomengruppe bei. Sie hatte Zugang zu den Teleskopen Gateways; wir verbrachten allerhand Zeit damit, uns außerhalb der Ekliptikebene die Erde und die Venus anzusehen. Francy Hereira schloss sich dieser Gruppe an, wenn er Freigang hatte. Klara mochte ihn, ich auch, und wir machten es uns zur Gewohnheit, in unseren Zimmern – nun ja, in Klaras Zimmern, aber da war ich eben oft – nach dem Gruppenabend ein Glas zu trinken. Francy war tief, beinahe sinnlich, an dem interessiert, was sich dort draußen befand. Er wusste alles über Quasare und Schwarze Löcher und Seyfert-Galaxien, ganz zu schweigen von Dingen wie Doppelsternen und Novae. Wir spekulierten oft darüber, wie es sein mochte, aus einem Transit in die Wellenfront einer Supernova einzutreten. Das konnte vorkommen. Die Hitschi waren bekannt dafür, dass sie ein Interesse daran gehabt hatten, astrophysikalische Ereignisse aus erster Hand zu beobachten. Manche ihrer Kurse waren zweifellos so programmiert, dass sie die Besatzungen in die Nähe interessanter Vorgänge brachten, und eine Supernova im Entstehen war gewiss ein interessanter Vorgang. Nur war es jetzt sehr viel später, und die Supernova mochte nicht mehr bloß im Entstehen sein.

»Ich möchte wissen, ob es das nicht sein könnte, was manchen von den vermissten Expeditionen zugestoßen ist«, meinte Klara und lächelte, um zu zeigen, dass sie das nur in abstraktem Sinn meinte.

»Es ist eine absolute statistische Gewissheit«, sagte Francy und erwiderte das Lächeln, um zu zeigen, dass er die Spielregeln anerkannte. Er hatte sein an sich schon gutes Englisch so verbessert, dass er es nahezu akzentfrei sprach. Außerdem beherrschte er Deutsch, Russisch und eine ganze Reihe anderer romanischer Sprachen neben seinem Portugiesisch. »Trotzdem fliegen die Leute.«

Klara und ich schwiegen kurze Zeit, dann lachte sie. »Manche tun es«, sagte sie.

»Das hört sich so an, als wollten Sie selbst hinaus, Francy«, meinte ich hastig.

»Haben Sie je daran gezweifelt?«

»Hm, ja, eigentlich schon. Ich meine, Sie sind in der brasilianischen Marine. Sie können doch nicht einfach aufhören, oder?«

»Ich kann jederzeit aufhören«, erklärte er. »Ich kann hinterher nur nicht mehr nach Brasilien zurück.«

»Und lohnt sich das für Sie?«

»Mehr als das«, erwiderte er.

»Selbst bei dem Risiko, nicht zurückzukommen oder so auszusehen wie die Rückkehrer heute?« Das war ein Fünfer-Schiff gewesen, gelandet auf einem Planeten mit Pflanzen ähnlich dem Giftsumach. Es sei sehr schlimm gewesen, hatten wir gehört.

»Ja, versteht sich«, erklärte er.

Klara wurde unruhig.

»Ich glaube, ich möchte jetzt schlafen«, sagte sie.

In ihrer Stimme schwang etwas Besonderes mit. Ich sah sie an und sagte: »Ich begleite dich zu deinem Zimmer.«

»Das ist nicht nötig, Bob.«

»Ich mache es trotzdem«, erklärte ich. »Gute Nacht, Francy. Wir sehen uns nächste Woche.«

Klara war schon halb den Fallschacht hinunter, und ich musste mich beeilen, um sie einzuholen. Ich packte das Kabel und rief ihr nach: »Wenn du wirklich willst, gehe ich in mein Zimmer.«

Sie schaute nicht hinauf, sagte aber auch nicht, dass es das war, was sie wollte, also stieg ich an ihrer Etage aus und folgte ihr zu ihren Räumen. Kathy schlief fest im Vorraum, Hywa döste vor einer Holoscheibe in unserem Schlafzimmer. Klara schickte sie nach Hause und vergewisserte sich noch einmal, dass das Kind bequem lag. Ich setzte mich auf die Bettkante und wartete auf sie.

»Vielleicht bekomme ich meine Periode«, sagte Klara, als sie zurückkam. »Tut mir Leid. Ich bin einfach nervös.«

»Ich gehe, wenn du das willst.«

»Menschenskind, Bob, hör auf, das immer wieder zu sagen!« Sie setzte sich neben mich und lehnte sich an, damit ich den Arm um sie legen konnte. »Kathy ist so süß«, meinte sie nach einer Weile beinahe sehnsüchtig.