Und doch – sie war meine Angebetete, wirklich.
Wir hatten in den endlosen Stunden im Landefahrzeug nicht nur gebumst; wir hatten uns unterhalten. Ich habe keines Menschen Schädelinneres auch nur andeutungsweise so gut kennen gelernt wie das von Klara. Ich musste sie lieben. Ich konnte nicht anders, und ich konnte nicht aufhören.
Niemals.
Am dreiundzwanzigsten Tag spielte ich auf Hams elektronischem Klavier, als ich plötzlich seekrank wurde. Die schwankende Schwerkraft, die mir kaum noch aufgefallen war, verstärkte sich plötzlich.
Ich hob den Kopf und begegnete Klaras Blick. Sie lächelte schüchtern, beinahe weinerlich. Sie deutete mit dem Finger, und in den Sinuskurven der Glasspirale jagten goldene Funken einander wie glitzernde Elritzen in einem Bach.
Wir packten einander und hielten uns fest, wir lachten, als der Raum sich um uns drehte und oben zu unten wurde. Wir hatten die Umkehr erreicht. Und es blieb Spielraum genug.
Sigfrids Büro befindet sich natürlich unter der Kuppel, wie alle. Es kann nicht zu heiß oder zu kalt werden. Aber manchmal fühlt es sich so an. Ich sage zu ihm: »Mensch, ist das heiß hier. Deine Klimaanlage ist defekt.«
»Ich habe keine Klimaanlage, Robbie«, erwidert er geduldig. »Um auf deine Mutter zurückzukommen …«
»Die kann mich mal«, sage ich. »Und die deine auch.«
Es gibt eine Pause. Ich weiß, was in seinen Schaltkreisen vorgeht, und ich habe das Gefühl, dass ich diese voreilige Bemerkung bedauern werde. Deshalb füge ich schnell hinzu: »Ich meine, ich fühle mich wirklich unbehaglich, Sigfrid. Es ist heiß hier.«
»Du bist heiß«, verbesserte er.
»Was?«
»Meine Sensoren zeigen an, dass deine Temperatur fast um einen ganzen Grad ansteigt, sobald wir über bestimmte Themen sprechen: deine Mutter, Gelle-Klara Moynlin, deinen ersten Flug, deinen dritten Flug, Dane Metschnikow und die Ausscheidung.«
»Das ist ja großartig!«, schreie ich plötzlich wütend. »Soll das heißen, dass du mich bespitzelst?«
»Du weißt, dass ich deine äußeren Reaktionen messe, Robbie«, sagt er vorwurfsvoll. »Nichts dabei. Es ist nicht bedeutungsvoller, als wenn ein Freund beobachtet, dass du rot wirst oder stammelst oder mit den Fingern trommelst.«
»Sagst du.«
»Das sage ich, Rob. Ich sage es dir, weil ich glaube, du solltest wissen, dass diese Themen für dich emotional belastet sind. Möchtest du darüber sprechen, warum das so sein könnte?«
»Nein! Worüber ich sprechen möchte, bist du, Sigfrid! Was für kleine Geheimnisse enthältst du mir noch vor? Zählst du meine Erektionen? Hast du eine Wanze in meinem Bett oder in meiner Telefonleitung?«
»Nein, Bob. So etwas mache ich nicht.«
»Ich hoffe sehr, dass das stimmt, Sigfrid. Ich habe meine Methoden festzustellen, wann du lügst.«
Pause.
»Ich glaube, ich verstehe nicht, was du meinst, Rob.«
»Brauchst du auch nicht«, sage ich höhnisch. »Du bist nur eine Maschine.« Es genügt, dass ich es verstehe. Es ist mir sehr wichtig, vor Sigfrid dieses kleine Geheimnis zu haben. In meiner Tasche steckt der Papierstreifen, den mir S. Ya. Laworowna nachts einmal gegeben hat, in einer Nacht voller Marihuana, Wein und herrlichem Sex. Eines Tages, bald, werde ich ihn aus der Tasche ziehen, und dann werden wir sehen, wer hier der Chef ist. Dieser Wettbewerb mit Sigfrid macht mir wirklich Spaß. Er macht mich wütend. Wenn ich wütend bin, vergesse ich die große Stelle, wo es wehtut, immer wehtut und nicht weiß, wie es aufhören soll.
Nach sechsundvierzig Tagen Überlichtgeschwindigkeit fiel die Kapsel auf eine Geschwindigkeit zurück, die keine mehr zu sein schien: Wir befanden uns in einer Umlaufbahn um irgendeinen Körper, und der Antrieb stand still.
Wir stanken wie die Pest und hatten einander gründlich satt, aber wir drängten uns Arm in Arm um die Bildschirme, wie die intimsten Liebespaare, und starrten in der Null-Schwerkraft hinaus auf die Sonne vor uns. Es war ein größerer und mehr ins Orangerote gehender Stern als Sol; entweder größer – oder wir waren näher herangekommen als eine AE. Aber es war nicht der Stern, den wir umkreisten. Unser Primärkörper war ein Gasriese mit einem großen Mond, um die Hälfte größer als Lima.
Weder Klara noch die Jungs jubelten und jauchzten, also wartete ich, solange ich konnte, dann sagte ich: »Was ist denn?«
Klara meinte geistesabwesend: »Ich bezweifle, dass wir darauf landen können.« Sie schien nicht enttäuscht zu sein. Es schien ihr überhaupt nichts auszumachen.
Sam Kahane blies einen langen, leisen Seufzer durch seinen Bart und sagte: »Tja. Als Erstes sollten wir saubere Spektra beschaffen. Bob und ich machen das. Die anderen suchen nach Hitschi-Spuren.«
»Da sind die Aussichten aber groß«, sagte einer von den anderen, aber so leise, dass ich nicht sicher sein konnte, wer es gewesen war. Es konnte sogar Klara gewesen sein. Ich wollte mehr fragen, aber ich hatte das Gefühl, wenn ich fragen würde, warum sie nicht glücklich wären, würde einer von ihnen es mir sagen, und die Antwort würde mir nicht gefallen. So zwängte ich mich hinter Sam ins Landefahrzeug, und wir standen einander im Weg, während wir in unsere Raumanzüge schlüpften, unsere Lebenserhaltungssysteme und die Funkverbindungen überprüften und die Anzüge abdichteten. Sam winkte mich in die Schleuse; ich hörte Blitzpumpen die Luft absaugen, dann blies mich der kleine Rest hinaus in den Weltraum, als die Schleusentür aufging.
Einen Augenblick lang war ich von nacktem Entsetzen gepackt, ganz allein in einem Bereich des Weltalls, in dem noch nie ein Mensch gewesen war, entsetzt, dass ich vergessen hatte, meine Leine anzuschließen. Aber das hatte ich gar nicht tun müssen; der Magnetverschluss hatte sich automatisch zugehakt, und ich erreichte das Kabelende, zuckte und begann langsamer zum Schiff zurückzuschweben.
Bevor ich dort ankam, war auch Sam im Weltraum und wirbelte auf mich zu. Wir konnten einander stabilisieren und begannen mit dem Fotografieren.
Sam wies auf einen Punkt zwischen der riesigen, untertassenförmigen Gasriesenscheibe und der schmerzhaft grellen, orangeroten Sonne, und ich schirmte die Augen mit meinen Handschuhen ab, bis ich sehen konnte, worauf er zeigte: M-31 im Andromeda-Nebel. Von unserer Position aus befand er sich natürlich nicht im Sternbild Andromeda. Es war überhaupt nichts zu sehen, was nach Andromeda aussah, oder irgendetwas, das ich als Sternbild erkannt hätte. Aber M-31 ist so groß und so hell, dass man ihn sogar von der Erdoberfläche aus erkennen kann, wenn der Smog nicht zu stark ist. Er ist ein linsenstrudelförmiger Sternennebel. Das ist die hellste der äußeren Galaxien, und man kann sie von fast überall, wohin ein Hitschi-Schiff bisher geflogen ist, ziemlich gut erkennen. Mit ein wenig Vergrößerung kann man sich der Spiralform versichern, und eine zusätzliche Prüfung ist durch den Vergleich mit den kleineren Galaxien in etwa derselben Blickrichtung möglich.
Während ich mein Instrument auf M-31 einstellte, tat Sam das Gleiche bei den Magellanschen Wolken oder dem, was er dafür hielt. (Er behauptete, S Doradus erkannt zu haben.) Wir machten beide Theodolitenaufnahmen. Der Zweck von allem war natürlich der, die Akademiker der Gesellschaft in den Stand zu versetzen, auszurechnen, wo wir gewesen waren. Man mag sich fragen, warum sie sich die Mühe machen, aber sie tun es; so sehr, dass man keine wissenschaftliche Prämie bekommt, wenn man nicht die ganze Fotoserie mitbringt. Man möchte meinen, sie würden an den Bildern, die wir bei Überlichtgeschwindigkeit aus den Fenstern schießen, erkennen können, wohin wir fliegen, aber das ist nicht der Fall. Sie können die Hauptschubrichtung feststellen, aber nach den ersten paar Lichtjahren wird es immer schwieriger, erkennbare Sterne aufzuspüren, und es steht nicht fest, dass die Flugrichtung eine gerade ist; manche behaupten, sie folge irgendeiner unregelmäßigen Konfiguration in der Raumkrümmung.