»Wenn ich dir nur die Gelegenheit dazu gebe, erklärst du mir das«, warf ich ein.
»Klare Sache, Robin, aber das ist ein Gesetz der Logik, das Sie gewiss kennen. Wenn konkretes Material fehlt, ist es am besten, die einfachste Erklärung zu unterstellen. Wir kennen in der Geschichte des Universums nur zwei intelligente Arten. Diese Wesen scheinen nicht der unsrigen anzugehören – die Form des Schädels und vor allem des Unterkiefers ist eine andere, eher affen- als menschenartig, und das Gebiss weicht völlig von der Norm ab. Es spricht daher vieles dafür, dass sie der anderen Art angehören.«
»Ist ein wenig erschreckend«, meinte Essie leise. Das war es auch, vor allem für mich, weil man behaupten konnte, dass das meine Verantwortung war. Ich war derjenige, welcher die Herter-Halls aufgefordert hatte, hinauszufliegen und sich umzusehen, und wenn sie dabei die Hitschi gefunden hatten …
Ich war noch nicht so weit, dass ich darüber nachzudenken wagte, was das bedeuten mochte.
»Was ist mit den Toten Menschen? Weißt du über sie etwas?«
»Klare Sache, Robin«, sagte er und nickte mit seinem Wuschelkopf. »Sehen Sie sich das an!«
Das Bild erlosch, und auf dem Bildschirm rollte Text ab:
Flugbericht
Raumfahrzeug 5-2, Flug 08 D 31.
Besatzung A. Meacham, D. Filgren, H. Meacham.
Mission war als wissenschaftliches Experiment gedacht, die Besatzung wurde verringert, damit mehr Instrumente und Computeranlagen mitgenommen werden konnten. Maximale Zeit für Lebenserhaltung geschätzt auf 800 Tage. Fahrzeug am Tag 1200 noch immer vermisst.
»Es ging nur um eine Prämie von fünfzigtausend Dollar – nicht viel, aber eine der ersten, die es auf Gateway gab«, sagte Albert, während der Text ablief. »Die als ›H. Meacham‹ bezeichnete Person scheint der ›Tote Mensch‹ zu sein, den Wan Henrietta nennt. Sie war eine Art BAD-Astrophysikerin – Sie wissen schon, Robin, ›Bis auf die Dissertation‹. Die ging ihr daneben. Als sie sich rechtfertigen wollte, hieß es, es läge mehr am Psychologischen als an der Physik, und sie ging nach Gateway. Die Pilotin hieß mit Vornamen Doris, und die andere Person war Henriettas Ehemann Arnold.«
»Du hast also jemanden identifiziert? Es hat diese Leute wirklich gegeben?«
»Klare Sache, Robin – jedenfalls neunundneunzig Prozent Wahrscheinlichkeit. Diese Toten Menschen sind manchmal irrational«, beklagte er sich, als er wieder auf dem Bildschirm auftauchte. »Und wir hatten natürlich keine Gelegenheit zu einer direkten Befragung. Der Bordcomputer ist einer solchen Aufgabe eigentlich nicht gewachsen. Abgesehen vom Nachweis der Namen scheint die Mission aber zu stimmen. Es handelte sich um ein astrophysikalisches Unternehmen, und Henriettas Reden enthalten häufige Hinweise auf astrophysikalische Themen. Wenn man die sexuellen außer Acht lässt, versteht sich«, meinte er augenzwinkernd, während er sich mit dem Pfeifenstiel am Kiefer kratzte. »Ein Beispiel. ›Sagittarius A West‹ – eine Radioquelle im Mittelpunkt der Galaxis. ›NGC 1199.‹ Eine elliptische Riesengalaxis, Teil eines großen Sternhaufens. ›Durchschnittliche Radialgeschwindigkeit von Kugelhaufen‹ – in unserer Galaxis sind das etwa 50 Kilometer in der Sekunde. ›Rotverschiebung‹ …«
»Du brauchst nicht alles aufzuführen«, warf ich hastig ein. »Weißt du, was das alles bedeutet? Ich meine, wenn du über alle diese Dinge sprechen würdest, was wäre gemeint?«
Eine Pause – aber eine kurze; er ging nicht die ganze Literatur über das Thema durch; das hatte er schon getan.
»Kosmologie«, sagte er. »Ich glaube, ich würde vor allem von der klassischen Hoyle-Öpik-Gamow-Kontroverse sprechen, das heißt, ob das Universum geschlossen oder offen oder zyklisch ist. Ob es stationär ist oder mit einem Urknall begonnen hat.« Er machte wieder eine Pause, diesmal aber, um mir Zeit zum Nachdenken zu lassen. Ich tat es, doch ohne großen Erfolg.
»Das scheint nicht viel zu bringen«, meinte ich.
»Mag sein, Robin. Es besteht aber ein gewisser Zusammenhang mit Ihren Fragen bezüglich der Schwarzen Löcher.«
Na, hol dich der Teufel, du berechnender Kerl, dachte ich, ohne das freilich auszusprechen. Er blickte unschuldig wie ein Lamm und paffte ruhig und ernsthaft seine Pfeife.
»Das wäre vorerst alles«, erklärte ich und blickte, als er fort war, noch lange auf den leeren Schirm, für den Fall, dass Essie sich erkundigen sollte, weshalb ich über Schwarze Löcher hatte informiert werden wollen.
Sie tat es nicht. Sie ließ sich zurücksinken und blickte in die Spiegel an der Decke. Nach einiger Zeit sagte sie: »Lieber Robin, weißt du, was ich mir wünsche?«
Ich war darauf vorbereitet.
»Was denn, Essie?«
»Dass ich mich kratzen könnte.«
Alles, was ich herausbrachte, war ein gequältes »Oh«. Ich fühlte mich klein und hässlich – nein, verstopft. Ich war ganz darauf vorbereitet gewesen, mich zu verteidigen – mit aller gebotenen Zurückhaltung, versteht sich, mit Rücksicht auf Essies Zustand. Und ich brauchte es nicht zu tun. Ich griff nach ihrer Hand.
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, meinte ich.
»Ja, ich auch«, meinte sie. »Sag mal, Robin, ist das wahr, dass die Fieberanfälle durch eine Art Gedankenübertragung von den Hitschi verursacht werden?«
»Etwas in der Art, nehme ich an. Albert meint, das sei etwas Elektromagnetisches, mehr weiß ich auch nicht.« Ich streichelte die Adern auf ihrem Handrücken, und sie bewegte sich unruhig. Aber nur vom Hals aufwärts.
»Die Hitschi beunruhigen mich, Robin«, sagte sie.
»Sehr vernünftig. Was mich angeht, so kann ich vor Angst kaum laufen.« So war es tatsächlich; ich zitterte buchstäblich. Das kleine gelbe Lämpchen unten am Bildschirm leuchtete auf.
»Jemand will mit dir sprechen, Robin.«
»Das hat Zeit. Ich spreche mit der Frau, die ich liebe.«
»Danke. Robin? Wenn du vor den Hitschi so viel Angst hast wie ich, wie kommt es, dass du einfach weitermachst?«
»Tja, Süßes, was bleibt mir anderes übrig? Fünfzig Tage lang rührt sich gar nichts. Was wir eben gehört haben, ist uralt, fünfundzwanzig Tage her. Wenn ich sie anweisen würde, sofort abzubrechen und heimzufliegen, würde es fünfundzwanzig Tage dauern, bis sie das überhaupt hören.«
»Gewiss. Aber würdest du aufhören, wenn du könntest?«
Ich antwortete nicht. Ich hatte ein ganz seltsames Gefühl – ein wenig verschreckt, ganz und gar nicht meine Gewohnheit.
»Was ist, wenn die Hitschi uns nicht leiden können, Robin?«, meinte sie.
Das war allerdings eine gute Frage. Ich stellte sie mir schon seit dem allerersten Tag, an dem ich erwogen hatte, in ein Prospektorschiff von Gateway zu steigen und auf eigene Faust hinauszufliegen. Was, wenn wir den Hitschi begegnen und sie uns nicht mögen? Was, wenn sie uns zerquetschen wie Fliegen, uns foltern, uns versklaven, mit uns Versuche anstellen – was, wenn sie uns einfach übersehen? Den Blick auf den gelben Punkt gerichtet, der langsam zu blinken begann, sagte ich, sie bemutternd: »Na, es besteht nicht viel Aussicht, dass sie uns wirklich etwas tun …«
»Mich brauchst du nicht zu beruhigen, Robin.« Sie war entschieden nervös, genau wie ich. Ihre Messgeräte mussten erneut reagiert haben, weil die Tagschwester wieder hereinblickte, unentschlossen an der Tür verharrte und dann ging.
»Essie, es steht zu viel auf dem Spiel«, erklärte ich. »Erinnerst du dich an vergangenes Jahr in Kalkutta?«
Wir waren damals zu einem ihrer Lehrgänge geflogen und hatten den Aufenthalt abgebrochen, weil wir den Anblick der im Elend versunkenen Stadt mit zweihundert Millionen Armen nicht ertragen konnten.