Damit löschte Schnüspelpold sämtliche Kerzen aus, die er angezündet, zog einen kleinen leuchtenden Metallspiegel hervor und flüsterte dem Baron zu, er möge mit Unterdrückung aller übrigen Gedanken und Vorstellungen den liebenden Sinn ganz auf die griechische Fürstin figieren und fest in den Spiegel hineinblicken. Der Baron tat es, und, o Himmel! die Gestalt der Griechin trat hervor aus dem Spiegel im Himmelsglanz überirdischer Schönheit. Sie breitete die bis an die Schultern bloßen blendenden Lilienarme aus, als wolle sie die Geliebten umfangen. Näher und näher schwebte sie, der Baron fühlte den süßen Hauch ihres Atems auf seinen Wangen! -»O Entzücken - o Seligkeit!«rief der Baron ganz außer sich,»ja, holdes angebetetes Wesen, ja, ich bin dein Fürst Teodoros und kein schnödes Trugbild aus Korkholz - Komm in meine Arme, süße Braut, ich lasse dich nimmer.«Damit wollte der Baron die Gestalt erfassen. Im Augenblick verschwand aber alles in dicke Finsternis, und Schnüspelpold rief zornig:»Knoblauch in deine Augen! du verdammter Hasenfuß! - Deine Vorschnelligkeit hat schon wieder alles verdorben!«
Auch diesem Blättlein ist aus den Notizen des Achatius von F. nichts weiter hinzuzufügen.
Viertes Blättlein
Dieses Blatt ist augenscheinlich nichts anders als ein Billett, das der Baron Theodor von S. an den Kanzleiassistenten Schnüspelpold geschrieben. Man bemerkt noch sehr deutlich die Kniffe und die Stelle, wo das Siegel gesessen. Es lautet wie folgt:
»Mein hochverehrtester Herr Kanzleiassistent! Gern will ich Ihnen die begangenen Fehler eingestehen und sie herzinniglich bereuen. Aber bedenken Sie, teurer Schnüspelpold, daß ein Jüngling, der so wie ich von feuriger schwärmerischer Natur ist und dabei vom ganzen süßen Wahnsinn der glühendsten Liebe befangen, wohl nicht imstande sein kann, mit Besonnenheit zu handeln, zumal wenn Zauberei im Spiele, die ihn garstig neckt. Und bin ich denn nicht hart genug bestraft worden dafür, daß ich aus Unvorsichtigkeit, aus Unkunde fehlte? - Seit dem verhängnisvollen Fall vom Pferde hin ich auch aus der Mode gefallen. Weiß der Himmel, auf welche Art das fatale Ereignis in ganz B. bekannt wurde. Überall, wo ich mich blicken lasse, erkundigt man sich mit verhöhnender Teilnahme, ob mein böser Sturz keine üble Folgen gehabt, und hält sich kaum zurück, mir ins Gesicht zu lachen. - Es gibt kein größeres Unglück, als lächerlich zu werden, der Lächerlichkeit folgt allemal, wenn die Lacher ermüdet, völlige Bedeutungslosigkeit. Dies ist leider mein Fall, in den brillantsten Zirkeln, wenn ich zu erscheinen gedenke als siegender Held des Tages, achtet niemand meiner, will niemand mehr mein Geheimnis erfahren, und selbst die borniertesten Fräuleins erheben sich über mich und rümpfen die Nase eben in dem Augenblick, wenn ich ganz göttlich bin. Ich weiß, daß mich ein neuer imposant kühner Schnitt eines Fracks retten könnte, habe schon nach London und Paris geschrieben und werde das Kleid wählen, welches mir am tollsten, am bizarrsten scheint; aber kann mir das ein Glück auf die Dauer verschaffen? - Nein, sie muß ich gewinnen, die all mein Leben ist und meine Hoffnung! O Gott, was frägt ein Herz voll Liebe nach neumödischen Fracks und dergleichen - Ja! es gibt Höheres in der Natur als die Tees der eleganten Welt! - Sie ist reich, schön, von fremder hoher Abkunft - Schnüspelpold, ich beschwöre Sie, bieten Sie Ihre ganze Wissenschaft, all Ihre geheimnisvollen Künste auf, machen Sie gut, was ich verdarb, stellen Sie den - oh, ich möchte meine Kühnheit, meine Ausgelassenheit verwünschen - ja, stellen Sie den Zauber wieder her, den ich verdarb. Ich gebe mich ganz in Ihre Macht, ich tue alles, was Sie gebieten! - Bedenken Sie, daß von meiner Verbindung mit der Fürstin auch Ihr Wohl und Weh abhängt. Schnüspelpold - teurer Schnüspelpold! operieren Sie sehr! - Antwort, um tröstende Antwort fleht mit heißem Verlangen
Ihr innigst ergebenster Theodor Baron von S.«
Auf der Rückseite des Blatts steht Schnüspelpolds Antwort.
»Hochgeborner Herr Baron! Die Sterne sind Ihnen günstig. Unerachtet Ihrer ungeheueren Unvorsichtigkeit, die uns beide hätte verderben können, ist die kabbalistische Operation dennoch keinesweges ganz mißlungen, wiewohl es jetzt noch mehr Zeit und Mühe kostet, den Zauber zu vollbringen, als es sonst der Fall gewesen sein würde. Der Papagei war noch in magischem regungslosem Schlaf erstarrt. Meine Mündel befand sich ebenfalls noch in dem Zustande, der mein Werk war. Sie klagte mir jedoch, daß, bald nachdem sie ihr Idol, den Fürsten Teodor Capitanaki, im höchsten Entzücken der Liebe zu umarmen vermeint, der korkene Hasenfuß täppisch dazwischengefahren sei, und bat mich, ihn wo möglich bei Gelegenheit niederzustoßen, wenn sie es nicht lieber selbst tun, oder ihm wenigstens mit dem magischen Messer die Pulsader aufschneiden solle, damit die Leute, die er so lange arglistig getäuscht, endlich zu der Überzeugung kämen, daß nur weißes kaltes Blut in ihm fließe. Dessenunerachtet, mein hochverehrtester Herr Baron, können Sie sich so gut als verlobt ansehn mit der Fürstin. Nur müssen Sie jetzt auf das sorglichste Ihr Betragen darnach einrichten, daß Sie nicht wieder aufs neue alles verderben, denn sonst ist der Zauber unwiederbringlich zerstört. Fürs erste, laufen Sie nicht hundertmal des Tages bei meinen Fenstern vorüber. Außerdem, daß es sich schon an und für sich selbst sehr albern ausnimmt, wird auch dadurch die Fürstin immer mehr in ihrer vorgefaßten Meinung bestärkt, daß Sie bloß ein korkner - aus dem Tiergarten sind. Es kommt überhaupt darauf an, daß Sie die Fürstin jetzt niemals anders erblicken als in einem gewissen träumerischen Zustande, in den Sie, trügt mich nicht meine Wissenschaft, in jeder Nacht zur Mitternachtsstunde fallen werden. Dazu gehört aber, daß Sie jeden Abend auf dem Punkt zehn Uhr sich ins Bette legen und überhaupt ein stilles, nüchternes abgeschiedenes Leben führen. Frühmorgens um fünf oder spätestens sechs Uhr stehen Sie auf und machen, erlaubt es das Wetter, einen Spaziergang nach dem Tiergarten. Sie tun gut, wenn Sie bis zur Statue des Apollo wandern. Dort dürfen Sie sich ohne Schaden etwas toll gebärden und verliebte wahnsinnige Verse, sogar Ihre eignen, laut deklamieren, insofern sie sich auf Ihre Liebe zur Fürstin beziehen, zurückgekehrt (Sie haben durchaus noch nichts genossen), erlaube ich Ihnen eine Tasse Kaffee zu trinken, jedoch ohne Zucker und ohne Rum. Um zehn Uhr dürfen Sie ein Schnittchen westfälischen Schinken oder ein paar Scheiben Salami nebst einem Glase Jostischen Biers zu sich nehmen. Punkt ein Uhr setzen Sie sich alleine in Ihrem Zimmer zu Tische und essen einen Teller Kräutersuppe, dann etwas gekochtes Rindfleisch mit einer mittelmäßigen sauern Gurke, und gelüstet's Ihnen durchaus nach Braten, so wechseln Sie geschickt mit gebratenen Tauben und Brathechten, wozu Sie doch beileibe nicht etwa stark gewürzten Salat, sondern höchstens etwas Pflaumenmus genießen dürfen. Dazu trinken Sie eine halbe Flasche des dünnen weißen Weines, welcher schon an und vor sich selbst die gehörige Beimischung von Wasser hat. Sie bekommen den in allen Weinhäusern des Orts. Was Ihre Beschäftigung betrifft, so vermeiden Sie alles, was Sie erhitzen könnte. Lesen Sie Lafontainische Romane, Ifflandsche Komödien, Verse dichterischer Frauen, wie sie in allen neuen Taschenbüchern und Romanen stehen, oder, was am besten ist, machen Sie selbst Verse. Denn die psychische Qual, die Sie dabei empfinden, ohne jemals in Begeisterung zu geraten, hilft erstaunlich zum Zweck. Am mehrsten warne ich Sie für zwei Dinge. Trinken Sie unter keiner Bedingung auch nur ein einziges Glas Champagner und machen Sie keinem Frauenzimmer den Hof. Jeder verliebte Blick, jedes süße Wort oder gar ein Handkuß ist eine schnöde Untreue, die zur Stelle auf eine Ihnen sehr unangenehme Art gerügt werden wird, um wo möglich Sie im Geleise zu erhalten. Meiden Sie vorzüglich das Simsonsche Haus. Amalia Simson, die Ihnen schon weismachen wollte, ich sei ein Jude aus Smyrna und die Fürstin sei meine wahnsinnige Tochter, sucht Sie in ihre Netze zu ziehn. Sie wissen vielleicht nicht, daß Nathanael Simson selbst das ist, wofür mich die saubere Tochter ausgab? Nämlich ein Jude, unerachtet er Schinken frißt und Schlackwurst. Er ist auch im Komplott mit der Tochter, macht er es aber zu arg, so soll ihm der Dämon, während er ißt, zurufen: ›Gift in deine Speise, verruchter Mauschel!‹, und er ist verloren. Vermeiden Sie auch das Reiten, Sie haben schon zweimal Unglück gehabt mit Pferden. Befolgen Sie, mein hochverehrtester Herr Baron, alle diese Vorschriften genau, so werden Sie sehr bald von mir Weiteres vernehmen.